PRAXIS
Im Vergleich der beiden Mikrofone fällt der Unterschied im Bassbereich sofort auf: Das V70d hat einen deutlich höheren Tiefenanteil, der sich vor allem im Nahbereich bemerkbar macht. Vielen Frauenstimmen und höheren Männerstimmen kann dieses Mikrofon dazu verhelfen, mehr Substanz zu erhalten –wenn das gewünscht ist. Das Mehr an Volumen im geringen dreistelligen Frequenzbereich schlägt häufig in ein Gefühl von Dumpfheit über, das V70d wirkt jedoch auch sehr nah besprochen noch ausreichend brilliant. Viel wichtiger noch: Durch den durchaus extremen Präsenzboost leidet selbst bei massivem Proximity-Effekt durch sehr nahe Besprechung die Sprachverständlichkeit nicht. Man sollte jedoch darauf achten, keine zu schlecht ausgestatteten Pulte zu verwenden, denn im Zweifel muss dieser Bereich dann und wann etwas entschärft werden. Setzt der High-Shelf erst bei 12 kHz an, reicht das (obere) Mittenband nicht bis 8 oder 10 kHz hinauf oder hat gar eine festgelegte Centerfrequenz, läuft man Gefahr, einen etwas zu spitzen, schneidenden Klang nicht abmildern zu können. Air-Bands in nur geringer Ausprägung sind zwar manchmal bei der Studioarbeit unangebracht, im Livebetrieb aber wirklich absolut in Ordnung. Einen weiteren entscheidenden Bestandteil am Gesamtklang hat nicht nur die beschriebene Glocke, sondern auch der leicht unterstützte Bereich oberhalb von 2 kHz. Mit dem 70er erreicht man einen vollen, warmen Gesangssound, der dennoch nicht nasal, brummelig oder mumpfig klingt. Je nach Anlage und Raum sollte man den Bereich um die 10 kHz im überwachen, damit keiner der Zuhörer bei “S”-, “T”- und “Z”-Konsonanten “Augenschmerzen” bekommt. Ich bin aber der Meinung, dass es hier auch eine etwas gutmütigere Abstimmung getan hätte und der hervorragende Charakter und die Verständlichkeit nicht gelitten hätten.
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Stöpselt man nach dem 70er das TG V71d ein, entspricht das Ergebnis ziemlich genau dem, was man aufgrund der technischen Beschreibung erwartet. Der Nahbesprechungseffekt fällt etwas geringer aus, was vielen Stimmen guttut, die in diesem Bereich von Natur aus viel liefern. “Dünnen” Stimmen kann das ein bisschen zu wenig Support sein, vor allem bei etwas größeren Mikrofonabständen. Ob nun eher das 70 oder das 71 – vielleicht sogar ein ganz anderes Mikrofon zu Stimme, Musik und weiteren Gegebenheiten passen, ist natürlich eine individuelle Frage, aber aufgrund der generellen Klangqualität kann hich hier den fiktiven Quality-Control-Aufkleber an beide Mikrofone kleben. Es ist schon erstaunlich, wie klar und natürlich Stimmen über die beiden Testlinge wirken –vor allem, wenn man bedenkt, wie sehr am Frequenzgang “gebogen” wurde. Im Test an der Anlage zeigten die Mikrofone, dass sie wirklich wenig anfällig für Griffgeräusche, Poppgeräusche und Rückkopplungen sind, sich von großen und kleinen Händen gut handlen lassen und auch Erschütterungen gut wegstecken. Somit erfüllen beide die wesentlichen Anforderungen an ein Live-Mikrofon nicht nur mit Links, sondern mit Bravour.