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Wo war ich? Ach ja: Das V90r ist ein wirklich massives und ordentlich schweres Mikrofon. Ich habe direkt eine Assoziation mit dem Stereotyp eines englischen Fussballfans – etwas gedrungen, kugelrundes Haupt, kein Hals. Damit sieht es um einiges bulliger aus als sein Vorgänger, das M500. Auf dem sich verbreiternden Schaft thront der große, exakt kugelförmige Korb mit seinem blitzblanken Metallgitter.
Auf der Webseite des Herstellers aus Heilbronn ist angegeben, dass das V90r derzeit das einzige Bühnen-Bändchen für Vocals ist. Tatsächlich fällt mir auch kein anderes ein. Ich habe mal ein Coles 4038 im Live-Einsatz gesehen, allerdings war das vor einer Jazzsängerin positioniert, die beide Hände brauchte, um sie langsam-lasziv wie in einer Gehbewegung vor- und zurückzuschaukeln – das Mikro empfing ihre Stimme festgepfropft auf einem Mikrofonstativ. Ein V90r hingegen will in schwitzenden Händen von einer Seite der Bühne zur anderen befördert werden. So zumindest die optische Botschaft, die es aussendet.
Ribbon-Mics wie dieses sind zwar dynamische Wandler, haben aber eine weitaus geringere Membranmasse als die verbreiteteren Tauchspulen-Mikrofone. Daher wird man auch vom V90r erwarten können, Transienten flott und spritzig zu übertragen. Kernstück der Kapsel ist eine zwei Mikrometer dünne Aluminium-Membran, die umgeben ist von einem komplexen System von Elementen zur Schallleitung. Dies führt beim Testling zur beliebtesten aller Richtcharakteristiken, der Niere. Zusätzlich übernehmen die Akustikelemente noch weitere Aufgaben, darunter den Schutz vor Poppgeräuschen und gewollte Resonanzen im Höhenbereich. Ein linearer Frequenzgang ist von einem Mikrofon dieser Bauart natürlich nicht zu erwarten – und wer will das schon bei einem Bändchen für Gesang? Charakteristisch ist das eingeschränkte Spektrum, das im Bass mit einem nur sehr gemächlichen Anstieg beginnt. Erst im Grundtonbereich von Gesang und Sprache wird der -3dB-Punkt überschritten. Am anderen Ende des Spektrums sieht es nicht viel anders aus: Von 10 bis 20 Kilohertz geht es mit dem Frequenzgang so rapide abwärts, dass Beyerdynamic dort 14 kHz als obere Grenze angibt – obwohl sich um die 10 kHz eine fette Beule im Frequenzgang befindet. Eine weitere, aber kleinere Nase befindet sich um 4,5 kHz herum. Die 0,9 mV/Pa Feldleerlaufübertragungsfaktor werden schon von den meisten Tauchspulenmikrofonen überboten. Ein geringer Output ist für Bändchen üblich, aber wir sind hier ja nicht beim Quartettspielen. An einen rauscharmen Preamp mit mindestens 60 dB Gain sollte das V90r aber doch angeschlossen werden.