Praxis
Auf der Oberfläche von The Grid findet man sich schnell zurecht: Poly Grid laden und öffnen, das Wichtigste ist schon verkabelt, ein erster Tastendruck erzeugt gleich einen Ton – einfach vorbildlich. Bei den sechzehn Kategorien macht man anfangs vielleicht erst einmal einen Bogen um „Maths“ oder „Logic“. Was ein „Divide“-Modul in einem Synthesizer soll, ist erst mal noch schleierhaft, aber bei den klassischen Oszillator-, Filter-, LFO- und Envelope-Kategorien sind ohnehin schon genug Spielzeuge dabei. Das Dividieren kommt dann später. Auf der anderen Seite sind diejenigen unter euch, die sich gerne im Kabelsalat ihrer Modularsynthesizer einkuscheln, mit den logischen und mathematischen Modulen bestens vertraut und finden auch hier schnell den Anschluss. Bitwig holt alle an Bord.
Die unterschiedliche Einfärbung der Kabel und Modulein- und ausgänge hat System. Die Signalwege unterscheiden sich in ihren Wertebereichen und Polaritäten. Trigger-, Phasen-, Pitch- oder Audiosignale haben jeweils eine andere Färbung, je nachdem ob sie für den Ein- oder Ausgang eines Moduls bestimmt sind. Natürlich kann bei Bedarf die Farbe eines Moduls (und damit auch der Kabel) links im Infobereich geändert werden. Möchte man ein Modul mit einem ähnlichen austauschen, geht das am einfachsten mit einem Rechtsklick auf selbiges. Ein Kontextmenü öffnet sich, in dem alle vergleichbaren Module angezeigt werden.
Auf der Superbooth zeigte Dave Linnenbank, der für Bitwig das Handbuch verfasst hat, in einer Präsentation von <i>The Grid</i>, wie viel bereits automatisch eingerichtet ist. Pitch-Tracking beispielsweise ist bei den Oszillatoren automatisch aktiviert. Ohne dieses wäre eine Tonhöhenveränderung bei unterschiedlichen MIDI-Noten nicht hörbar, man müsste erst mühsam die richtigen Module finden, könnte nicht losspielen. Bitwig spricht von sogenannten Pre-Cords (Vorkabeln), die „kabellos“ mit einem sonst händisch einzufügenden Modul verbunden sind. Müsste man das alles noch manuell erledigen – was Linnenbank auch vorführte – müsste man spätestens bei den polyphonen Instrumenten sehr viel Vorbereitungszeit in Kauf nehmen, bevor überhaupt der erste Ton zu hören wäre. Es gibt für diese Automatismen in The Grid aber auch immer die Möglichkeit der Deaktivierung: Pitch-Tracking aus, Micro-Tuning an, beispielsweise.
FX Grid – Multieffekt selbst gemacht
Auch bei FX Grid, dem zweiten Plugin mit The Grid, ist beim ersten Laden schon etwas voreingestellt: Audioeingang und Audioausgang. Macht man hier die ersten Gehversuche, schaltet also beispielsweise einen Verzerrer, einen Filter und einen Delay in Reihe und splittet die Frequenzen, erkennt man schnell ein erstes Manko von The Grid. Externe Plugins lassen nicht einbinden. Noch ein Wermutstropfen: Eine reine MIDI-Version von The Grid gibt es auch noch nicht. Was man damit für abgefahrene Sequencer, vollkommen neuartige MPE-Modulatoren oder Arpeggiatoren basteln könnte – schade, aber The Grid erscheint mir so ausgerichtet, als könnte das alles noch durch zukünftige Updates möglich sein. Der Fokus war zum Anfang größtmögliche Stabilität und eine einfache Zugänglichkeit – da kann man den Berlinern dieses kleine Manko nun wirklich nicht vorwerfen.
Für dich ausgesucht
Gerade bei Multieffekten sind es oft nicht die Effekte selbst, die diese besonders abgefahren klingen lassen, sondern möglichst komplexe Modulationen der Parameter. In The Grid gibt es zwar einige Hüllkurvenmodule und einen LFO, was aber fehlt, ist ein Multi-Stage-Envelope-Generator (MSEG). Das ist nichts anderes als eine komplexe Hüllkurve, deren Punkte und Verläufe man selbst setzen kann. Das Praktische an The Grid ist, dass man sich mit etwas Herumprobieren dann einfach selbst eins bauen oder in die sehr aktive Community im offiziellen Forum schauen kann. Die Menge an The-Grid-Devices bei KVR sowie die unzähligen YouTube-Tutorials wie vom Berliner Robert Agthe, der als Polarity seit dem Erscheinen der Beta unermüdlich Videos mit neuen Ideen für The Grid veröffentlicht, zeigen, dass Bitwig hier einen kreativen Nerv getroffen haben.