Praxis
Bitwig 4.3 mit CLAP-Unterstützung
Wozu CLAP? Was ist CLAP? Das Format „Clever Audio Plugin“ ist als Alternative zu VST3 zu verstehen. Seit 2015 entwickelt Bitwig-Programmierer Alexandre Bique es bereits. Richtig an Fahrt aufgenommen hat seine Entwicklung, seitdem U-he (Diva, Hive 2, Zebra) und Bitwig selbst mit im Boot sind. Die Idee: Mehr Modulationsmöglichkeiten und mehr Geschwindigkeit für User, transparentere Lizenzbedingungen für Entwickler.
Pünktlich zur Vorstellung von CLAP im vergangenen Monat stellte U-He bei KVR Beta-Versionen von ACE, Diva, Hive 2 und MFM 2.5 mit dem CLAP-Format vor. Auch vom Open-Source-Synth Surge gibt es eine Vorabversion mit CLAP-Format. Außerdem haben auch die ersten Hersteller, die bereits volle CLAP-Versionen ohne Betastatus anbieten (beispielsweise Audiothing Wires), das mit Hainbach entwickelte Effekt-Plugin im Sortiment. Wer prüfen möchte, ob das Lieblings-Plugin bereits konvertiert wurde oder die eigene DAW auch CLAP unterstützt, guckt einfach in die ständig erweiterte Liste.
Gleich klatscht es – das bringt CLAP
In Bitwig gibt es seit 4.3 im Browser die neue Plugin-Kategorie CLAP – einmal bei den Instrumenten, einmal bei den Effekten. Eine Neuheit von CLAP, die zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht getestet werden kann: Informationen über das jeweilige Plugin, die sogenannten Metadaten, sind fest im Plugin verankert. Damit kann eine DAW einen vollen CLAP-Ordner innerhalb von Sekunden einlesen. Anders als bei den jetzigen Formaten muss so nicht jedes Plugin erst im Scan-Prozess geladen und abgefragt werden.
Zweiter Geschwindigkeitsvorteil von CLAP: Das Format ist auf eine höhere Auslastung von Mehrkernprozessoren ausgelegt. Das ist bei VST-Plugins je nach DAW nicht immer der Fall. So galt lange die Devise: Die Geschwindigkeit pro Kern ist für die Musikproduktion relevanter als die Anzahl. Damit kam es bei größeren Projekten auch auf schnellen Rechnern schnell zu Überlastungen. CLAP spricht jetzt alle verfügbaren Kerne an und nutzt sie zur Berechnung.
Das kann man beispielsweise überaus deutlich an der Beta-Version von Diva sehen. Der Soft Synth bietet in der Titelzeile schon immer die Option „Multicore“. Ist sie aktiviert, spricht das Plugin alle verfügbaren CPU-Kerne zur Berechnung des Sounds an. Ohne „Multicore“-Option kann ich in Bitwig 4.3 mit dem Standard-Preset von Diva bei VST3 und CLAP gleichviele Instanzen laden, bevor es hörbar knackst: nämlich genau 19. Mit aktiviertem Multicore kann ich von der VST3-Version allerdings nur drei Instanzen laden und vierstimmige Akkorde abspielen, bevor es knackt. In der CLAP-Version sind es dagegen sogar 20 Instanzen. Testrechner war ein Mac Mini mit M1 ARM CPU.
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Polyphone Modulation – mehrstimmige Synths mit CLAP
Wo CLAP für Sounddesign interessant wird, ist die polyphone Modulation, bei der Vorstellung des Formats Mitte Juni auch „MPE on Steroids“ genannt. Im Arbeitsalltag bringt diese Funktion bei allen mehrstimmigen Software-Instrumenten vollkommen neue Sounddesignmöglichkeiten. Zum Vergleich: Bei den meisten Parametern eines Soft Synth wie Diva gilt das Prinzip der monophonen Modulation.
Moduliere ich zum Beispiel mit dem Modulator „Classic LFO“ aus Bitwig den Parameter „Osc 1 Shape“ in Diva, der stufenlos durch die Oszillator-Wellenformen wechselt, war es bisher so, dass diese Modulation monophon verlief. Spiele ich dann eine Note und leicht verzögert dazu eine zweite, bekäme diese Note keine eigene Modulation ab.
Die deutlich hörbare Veränderung der Wellenform fiele, egal in welchem Timing ich die Noten abspiele, auf allen Noten gleich aus. Anders ausgedrückt: Spiele ich die zweite Note eine Viertelnote nach der ersten, springt die zweite Note auf die Position der LFO-Kurve der ersten. Mit polyphoner Modulation bekommt jede gespielte Note ihren eigenen LFO.
Gibt es meine Lieblings-Plugins bereits im CLAP-Format?
Bei den meisten Parametern in den Oszillatoren von Diva, Hive 2 und Ace ist diese Modulation möglich. Und wenn man sich einmal durch das angerichtete akustische Chaos gekämpft und mit den Random-Modulatoren mehrstimmige Akkorde durch U-Hes Soft Synths gejagt hat, bekommt man eine Ahnung davon, wie mächtig das Feature sein kann. Minutenlang konnte ich einen Akkord halten, während sich alle vier „Stimmen“ die ganze Zeit subtil veränderten.
Wenn hier noch wie angekündigt Größen wie Arturia, Avid, Fabfilter und Xfer Records (Serum) aufspringen und Schwergewichte wie Ableton, Presonus, Image-Line und Native Instruments CLAP in ihre Produkte integrieren, wird in den nächsten Jahren ein goldenes Plugin-Zeitalter anbrechen, was die Möglichkeiten der Klangerzeugung betrifft.