Praxis
Klingt der Seventeen wie ein Vintage-1176?
Ob der Klang des Black Lion Audio Seventeen einem 1176 ähnelt, ist eine Frage, der man schwer ausweichen kann, auch wenn der Hersteller ausdrücklich und zu Recht darauf verweist, dass es sich um eine ganz eigenständige Schöpfung handelt. Kaufinteressenten werden es trotzdem wissen wollen. Aber halt, wie klingt eigentlich ein 1176?
Ein echter 1176 kann ja, je nach Revision, Zustand und Alter recht unterschiedlich sein. Wenn wir uns der Einfachheit halber auf das Blackface-Modell Revision E beschränken, das auch für das Universal Audio Reissue und die meisten Klone Pate stand, lässt es sich ein bisschen eingrenzen. Ich würde erwarten, dass so ein Gerät in der Lage ist, auch bei starker Kompression den tonalen Kern eines Musikinstruments zu wahren. Bei Drums soll er sowohl für eine stärkere Wahrnehmung des Raumanteils als auch für Stabilität sorgen, bei extremen Settings im besten Sinne „fett“ und druckvoll klingen. Gesang, durch einen 1176 geschickt, kann sowohl eine stärkere emotionale Präsenz erhalten als auch deutlicher gezeichnete Konsonanten. Allgemein würde ich sagen, dass ein typischer 1176 nicht die räumliche Dimension nach hinten erweitert, sondern Raumanteile vielmehr konsequent nach vorne schiebt und damit verdichtet, wobei mittlere Frequenzen eine Fokussierung erfahren. Um es kurz zu sagen: Das macht der Seventeen nicht.
Der Klangcharakter ist modern und sachlich
Da die Einstellmöglichkeiten so klar am Urei-Klassiker orientiert sind, lässt sich der Black Lion Audio Seventeen natürlich sehr komfortabel mit diesem vergleichen. Am Beispiel einer Schlagzeug-Mono-Subgruppe im Mix wird allerdings deutlich, dass Transienten einen gänzlich anderen, klaren und knackigen Charakter bekommen, eher so wie das bei einem DBX-Kompressor der Fall ist. Daraus ergibt sich eine Betonung des Attacks und eine Verschlankung des Nachklangs, die wir vom 1176 so nicht kennen. So ein richtig fettes Squashing, das wie eine Verzerrung anmutet und den Raum nach vorne bringt, will deshalb nicht recht gelingen. Auch der All-Buttons-In-Modus tut zwar oberflächlich das, was er tun soll, lässt aber gerade die typische Fettheit vermissen.
Statt fett zu verdichten, verschlankt der BLA Seventeen den Sound elegant
Der Charakter im Bassbereich weicht sehr auffällig von typischen 1176-Nachbildungen ab. Während ein UA-Reissue oder auch ein WA76 üblicherweise bei 100 Hz stark verdichtet, bleibt der Black Lion dort eher neutral und stärkt dagegen den Bereich um 800 Hz. Das lässt E-Bass, aber auch tiefe Keyboard-Töne etwas weniger druckvoll erscheinen und klingt in manchen Fällen ein kleines bisschen verschnupft. Hier hilft es zum Glück, das Sidechain-Filter zu aktivieren. Dann klingt der Bass nach unten raus größer, aber eben nicht so gedrungen.
Bei Gitarren und Midrange-Keyboards ergibt sich ein anderes Bild. Anschläge klingen klar und perlig. Ganz im Gegensatz zum Klassiker vermag der Seventeen einer Cleangitarre oder einem akustischen Klavier Weite zu geben, die wie eine subjektive Vergrößerung anmutet. 1176-Fans werden in extremen Einstellungen die typische Verdichtung im Bereich um die 500 Hz vermissen, dadurch wirkt das Signal offener, aber auch etwas kraftloser.
Die Wirkung auf eine Gesangsaufnahme hält keine weiteren Überraschungen bereit. Eine Stimme wird sauber und fachgerecht dynamisch begrenzt. Das klingt gut. Eine Steigerung der emotionalen Präsenz, eine spürbare Anfettung des Signals, klarere Zeichnung von Konsonanten, Stärkung der Intimität unterer Frequenzbereiche, all das bleibt Dynamikbegrenzern vorbehalten, die näher am 1176-Design sind.
Für dich ausgesucht
Der Seventeen punktet eher in den Bereichen Sauberkeit, Klangtreue und Nüchternheit. Das ist eine Vorstellung des Begriffes der „Verbesserung“ gegenüber dem Original (die Black Lion ja im Schilde führt), die durchaus Fürsprecher findet, aber vermutlich ebenso kontrovers diskutiert werden kann. Weniger strittig dürfte sein, dass der Mixregler gerade für Gesang ein tolles Feature ist, weil die bei Gesang häufig sinnvolle Parallelkompression damit ohne weiteres Equipment im Handumdrehen realisiert werden kann.