Block Chords und Shearing Style sind wichtige traditionelle Techniken im Jazz-Klavier, die von Pianisten verwendet werden können, um harmonische Fülle und Klangvielfalt in ihr Spiel zu integrieren. In diesem Artikel werden wir die geschichtliche Entwicklung untersuchen und uns ihre Einsatzmöglichkeiten genauer anschauen.
Das Aufkommen der Blockakkorde reicht zurück bis in die 1920er Jahre, als sich der Jazz als eigenständige Musikrichtung herausbildete. Eine wichtige Figur in der Entwicklung der Block Chords war der Pianist und Bandleader Earl „Fatha“ Hines. Hines, der oft als „Vater des modernen Jazz-Klaviers“ bezeichnet wird, war bekannt für seinen innovativen Gebrauch von Blockakkorden in den 1920er und 1930er Jahren. Er war einer der ersten Pianisten, der diese in seinen Solos verwendete und so einen neuen Klang in der Jazzmusik etablierte.
- Was versteht man unter Block Chords und Shearing Style?
- Die Geschichte der Block Chords und des Shearing Styles
- Weitere Vertreter der Block Chords und des Shearing Styles
- Block Chords in der Bigband
- Methodik der Block Chords und des Shearing Styles
- 1. Four Way Close-Konzept
- 2. Shearing Style / Double Melody
- 3. Drop Two Voicings-Variante
- Block Chords und Shearing Style in der Praxis
- Übetipps zu Block Chords und Shearing-Satz
- Block Chords auf allen diatonischen Stufen
- Block Chords und Shearing Style: Tipp zum Harmonisieren
- Trainieren von Block Chords
- Tonleiterfremde Töne mit Block Chords / Shearing Style umsetzen
- Zum Schluss
Was versteht man unter Block Chords und Shearing Style?
- Block Chords sind eine Spieltechnik und Arrangiermethode im Jazz, bei der die Melodiestimme akkordisch nach bestimmten Prinzipien ausharmonisiert wird.
- Der Shearing Style stellt eine der drei grundsätzlichen Harmonisierungsmöglichkeiten dar. Damit ist er ein wichtiger Teil der Block Chord Thematik.
Die Geschichte der Block Chords und des Shearing Styles
In den 1940er Jahren entwickelte der britische Jazz-Pianist George Shearing eine Technik, die ebenfalls auf Blockakkorden basierte. Dieser Stil war so einzigartig, dass man ihn nach ihm benannte: der „Shearing Satz“.
Der Shearing Satz (englisch: Shearing Style) wurde in den 1950er Jahren besonders bekannt und populär, als Shearing mit seinem Quintett — bestehend aus Klavier, Vibraphon, Gitarre, Bass und Schlagzeug — extrem erfolgreich wurde. Sein innovativer Gebrauch von Block Chords und dem von ihm entwickelten Shearing-Style prägte schließlich den Jazz der 1950er Jahre und beeinflusste viele Pianisten und Musiker dieser Zeit.
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Weitere Vertreter der Block Chords und des Shearing Styles
Ein anderer berühmter Jazz-Pianist, der diese Techniken in seinem Spiel häufig verwendete, war Bill Evans.
Evans war bekannt für seinen subtilen und lyrischen Stil und integrierte oft Block Chords und den Shearing-Satz in seine Interpretationen von Jazzstandards. Sein Spiel war von einer harmonischen Komplexität und einer melodischen Raffinesse geprägt. Der US-amerikanische Jazz-Pianist und Organist Milt Buckner war ebenfalls ein bekannter Vertreter dieses Stils. Als einer der Pioniere in der Verwendung von Block Chords auf der Hammond-Orgel entwickelte er eine Technik, bei der er Blockakkorde in schneller Abfolge spielte, um einen dichten Klang zu erzeugen. Diese Technik wurde als „Buckner Block Chord Style“ bekannt.
Red Garland bringt Drive ins Spiel
Ein weiterer Musiker, der Block Chords und den Shearing-Style in seinem Spiel intensiv nutzte, war Red Garland. Garland war bekannt für seinen bluesigen und funkigen Stil und verwendete oft Block Chords und den Shearing-Satz, um einen kraftvollen und rhythmischen Klang zu erzeugen. Sein Spiel war zudem von einem unverkennbaren Drive und Swing geprägt. Hier setzt er beispielsweise das Thema das Jazzklassikers „Billy Boy“ mit Block Chords um.
Die Verwendung von Block Chords und dem Shearing Style im Jazz-Klavier hat sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und ist zu einer von vielen Jazz-Pianisten verwendeten Technik geworden. Selbst in anderen Jazz-Stilen wie Bebop, Hard Bop, Modal Jazz und Fusion wird sie mittlerweile eingesetzt.
Block Chords in der Bigband
Block Chords sind ebenfalls eine wichtige und häufig verwendete Technik in Bigband-Arrangements, um dort Fülle, Betonung von Akkordwechseln und harmonische Unterstützung für Melodien oder Soli zu erzeugen.
Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Bigband-Harmonik geworden und tragen zur Klangvielfalt und zum dynamischen Ausdruck bei. Ein bekanntes Beispiel für eine Big Band, die Blockakkorde verwendete, ist die Count Basie Bigband. Count Basie war ein bekannter Jazz-Pianist, Komponist und Bandleader ab den 1930er Jahren. Seine Big Band integrierte zudem häufig Block Chords in ihre Arrangements, um einen starken und treibenden Rhythmus zu erzeugen.
Duke Ellington und viele andere integrieren Block Chords und Shearing-Sätze in den Bigband-Sound
Ein anderer prominenter Vertreter war die Duke Ellington Bigband. Duke Ellington war zudem ein legendärer Jazz-Komponist, Pianist und Bandleader, der in den 1920er bis in die 1970er Jahre aktiv war. Seine Big Band war überdies bekannt für ihre fortschrittlichen Arrangements sowie komplexe und klangvolle Harmonien. Daneben gab es noch viele andere Bigbands und Jazz-Orchester, die Blockakkorde in ihren Arrangements verwendeten.
Darunter findet man die Bands von Benny Goodman, Artie Shaw, Woody Herman und Glenn Miller, um nur einige zu nennen. Die Verwendung von Blockakkorden war eine gängige Technik in der Bigband-Ära und hat dazu beigetragen, den charakteristischen Klang und Stil dieser Bands zu prägen und die Block Chords und den Shearing Style zu etablieren.
Methodik der Block Chords und des Shearing Styles
Block Chords zu spielen bedeutet allgemein, die Oberstimme oder eine Sololinie im Oktavbereich unter dieser Melodie zu harmonisieren. Beide Hände werden beim Klavierspiel zusammen angeschlagen und bewegen sich parallel im gleichen Rhythmus. Dieses Spiel wird auch ‚Locked Hands / gefesselte Hände’ genannt. Die Hände teilen sich zudem die Akkordtöne untereinander auf, außerdem variiert die Anzahl der gespielten Noten je nach Stilistik. Meist aber spielt man drei Noten rechts und eine Note in der linken Hand.
Was man noch wissen sollte
Zu beachten ist, dass dies eine eher fortgeschrittene Piano-Spieltechnik ist. Sie erfordert deshalb eine gewisse Fingerfertigkeit und Übung.
Es ist ebenso wichtig, ein gutes Verständnis für die Harmonien und die Struktur des jeweiligen Stücks zu haben, um Block Chords und den Shearing Style effektiv einzusetzen. Überdies hängt die Wahl der jeweiligen Block Chord-Methode von der Stilrichtung, dem Tempo, der Harmonie und der spezifischen musikalischen Situation ab. Kommen wir nun zu den drei wichtigsten und gebräuchlichsten Umsetzungen für Block Chords. (Merke dir ruhig deren englische Begriffe. Sie tauchen garantiert häufiger auf als die deutschen Synonyme.)
1. Four Way Close-Konzept
Hier harmonisiert man die Töne der Oberstimme mit vierstimmigen Akkorden in enger Lage aus. Dabei spielt man alle Töne der jeweiligen Tonleiter, die Akkordtöne sind, mit passenden Umkehrungen dieses Akkordes. Wenn es akkordfremde Melodietöne gibt, verwendet man die jeweilige Sekundärdominante in Form eines verminderten Akkordes (mehr dazu unten in den Praxisbeispielen).
2. Shearing Style / Double Melody
Diese Technik ist schnell umgesetzt, jedoch wirkungsvoll im Einsatz: Wir spielen mit der rechten Hand Akkorde in Four Way Close Manier und doppeln jeden Melodieton eine Oktave darunter. Dies geschieht meist mit der linken Hand, wodurch wir dann fünfstimmige Akkorde in enger Lage erhalten.
Dieser Klang ist sehr reizvoll und offen, da nicht die – üblicherweise erwarteten – Basstöne das Fundament bilden.
3. Drop Two Voicings-Variante
Wie der Name schon sagt: Die zweithöchste Note ‚fällt‘ eine Oktave tiefer und landet damit auf der untersten Position unseres Akkordes. Gespielt wird auch sie üblicherweise mit der linken Hand, die restlichen drei Akkordtöne bleiben rechts. Schauen wir uns diese drei Methoden jetzt an konkreten Beispielen an. Für eine gute Übersichtlichkeit – ohne zu viele Vorzeichen – bleiben wir im Folgenden in der Tonart C-Dur. Selbstverständlich funktionieren alle Umsetzungen aber auch in jeder anderen Tonart.
Zu beachten ist auch, dass – ebenfalls für ein klares Notenbild – die Notation in Achteln erfolgt, die jedoch swingig gespielt werden können.
Block Chords und Shearing Style in der Praxis
Wenn wir einem C-Dur Dreiklang noch eine ‚jazzige‘ Sexte spendieren, erhalten wir einen vierstimmigen C6-Akkord. Dessen Töne – c-e-g-a – findet man an der 1., 3., 5. und 6. Stelle der C-Dur-Tonleiter. (Statt einer Sexte kann man beispielsweise auch Septimen hinzufügen oder Mollakkorde verwenden. Ein Beispiel dazu gibt es später in diesem Praxisteil im Schritt 18).
01. Bilden wir nun unter jedem dieser vier Töne unseren C6 Akkord in enger Lage, erhalten wir Block Chords in Four Way Close.
02. Jetzt verdoppeln wir die Melodiestimme eine Oktave tiefer (mit der linken Hand); e voilà: fünfstimmige Blockchords im Shearing Style.
03. Nimmt man stattdessen die zweitoberste Note aus unserem Sextakkord und oktaviert sie nach unten, entstehen vierstimmige Drop Two Voicings.
04. Lasst uns inzwischen ein wenig Routine in das Spielen der C6 Block Chords und des Shearing Styles bringen. Das folgende Beispiel ist eine rhythmische Phrase im Swingstil- zuerst als Four Way Close.
05. Jetzt folgt dieselbe Phrase im Shearing Style.
06. Jetzt noch ein weiteres Beispiel – wieder als Four Way Close.
Übetipps zu Block Chords und Shearing-Satz
- Starte zunächst in einem wirklich langsamen Tempo, denn zu Beginn ist es wichtig das Verständnis der Blockakkord-Konzepte und deren korrekte Umsetzung zu verstehen. Die Spielgeschwindigkeit kommt später mit wachsender Routine von selbst.
- Ignoriere zu Beginn die Rhythmik und spiele Akkord für Akkord bewusst und erst einmal gleichmässig. Setze danach dann die jeweiligen Notenlängen um.
- Bei Bedarf, notiere dir die hier nicht aufgeführten Varianten der Beispiele. Wenn es ohne geht (und dafür vielleicht etwas länger dauert) – auch gut! Jeder Mensch nimmt Wissen anders auf – wichtig ist, dass du den Weg findest, der dich gut zum Ziel führt.
Was passiert mit den restlichen Tönen?
Damit haben wir nun den ‚Durchblick‘ für die Harmonisierung von 4 unserer 7 Töne der C-Dur-Tonleiter. Bleiben noch die diatonischen (also leitereigenen) Töne auf der 2., 4. und 7. Stufe, in unserem Falle also d, f und h.
Was könnte dort passen? Wir machen uns zunutze, dass eine der stärksten harmonischen Verbindungen unserer (abendländischen) Musik zwischen einem Akkord und seiner Dominante (Sekundärdominante genannt) besteht. In unserem Falle reden wir also von C6 und seinem Dominantseptakkord G7. Nun wandeln wir noch diese Dominante in eine im Jazz oft gebräuchliche Substitution um: Abº oder Ab diminished (= vermindert, abgekürzt: dim.). Sie besteht aus den Tönen ab, h, d und f – dies ist somit ein verminderter Akkord, der als grundtonloser G7/b9 Klang gesehen und genutzt werden kann.
Wie wir in folgendem Notenbeispiel sehen, verwenden wir beim Ausharmonisieren unserer C-Dur-Tonleiter immer C6 und Abº im Wechsel und mit den passenden Akkordumkehrungen.
Block Chords auf allen diatonischen Stufen
07. Hier die Version in Four Way Close Variante
08. Jetzt dieselben Wechsel mit angewandtem Shearing Style.
09. Dasselbe jetzt mit Drop Two Voicings.
Jetzt werden wir dies anhand einer jazztypischen Phrase mit den Tönen der C-Dur-Tonleiter üben.
10. Hier kommt die Version mit Four Way Close (den dazugehörenden Shearing Style und die Drop Two Voicings lege ich vertrauensvoll in deine ‚Tastenhände’).
Block Chords und Shearing Style: Tipp zum Harmonisieren
Wie man hört, entsteht beim Harmonisieren der Tonleiter im Wechsel zwischen den beiden Akkorden ein kleiner ‚Hickup‘, denn auf der 5. (mit dem Melodieton g) und der 6. Stufe (mit dem Ton a) folgen 2 Sextakkorde aufeinander. Wir haben also die 7 Töne von C-Dur mit viermal C6 und dreimal Abº gespielt.
11. Damit bei einer stufenweisen Bewegung der Melodie ein gleichmäßiger Wechsel zwischen den beiden Akkorden erfolgen kann, entstand die folgende häufig verwendete Variante – hier als Four Way Close.
12. Dasselbe nun im Shearing Style.
13. Das Ganze jetzt als Drop Two Voicings umgesetzt.
Wie du siehst, fügt man zwischen den Melodietönen g und a noch einen Halbton ein, das ab. Der geeignete Block Chord dazu ist auch hier – wie passend – unser verminderter Abº-Akkord.
Wir haben damit viermal C6 und viermal Abº in unserer C-Dur-Tonleiter. Diese Skala wird übrigens auch als Bebop-Scale bezeichnet und im gleichnamigen Jazz-Genre ständig verwendet.
Trainieren von Block Chords
14. – 16. Mit den folgenden Swing-Patterns üben wir einmal die mit Block Chords ausharmonisierte Bebop-Scale.
Ich habe sie mit Four Way Close Akkorden notiert. Leite selbstständig auch immer Shearing Style und Drop Two Voicings ab. Notiere diese bei Bedarf und trainiere sie dann in unterschiedlichen Tempi.
17. Nun gehen wir noch einen Schritt weiter, denn unsere Melodie kann auch Töne beinhalten, die nicht in unserer Tonleiter vorkommen. Zur Verdeutlichung spiele zuerst einmal die folgende Phrase.
Tonleiterfremde Töne mit Block Chords / Shearing Style umsetzen
Wie man sieht, gibt es zwei Möglichkeiten, diese leiterfremden Töne mit Block Chords zu harmonisieren:
- Die 2. Melodienote im 1. Takt (d#) nimmt den vor ihr erklingenden C6 Akkord und rückt ihn chromatisch einen Halbton nach unten.
- In anderen Fällen, beispielsweise beim h am Ende des ersten Taktes, beim b zu Beginn des 2. Taktes oder dem letzten Ton im 3. Takt, bilden wir den zur Melodie passenden verminderten Akkord.
Welche der beiden Varianten es wird, hängt von der jeweiligen Situation ab. Achte zum Beispiel darauf, dass alle 4 Akkordtöne möglichst in Bewegung sind und es harmonisch ausgewogen klingt.
18. Im letzten Beispiel verwenden wir noch einmal alle Block Chord Möglichkeiten, die wir kennengelernt haben: Four Way Close, Shearing Style und Drop Two Voicings. Außerdem sehen wir, wie neben dem bisher verwendeten Sextakkord auch andere Vierklänge verwendet werden können, beispielsweise Dur-Septakkorde, Moll-Septakkorde sowie Moll-Sextklänge. Unser Beispiel folgt halbtaktig der Harmoniefolge C6 – Am7 – Dm6 – G7. Alle zwei Takte wechselt zudem das Blockakkordkonzept und wir schließen mit einem jazztypischen Pattern im Shearing Style.
Zum Schluss
Das war es – viel Spaß beim Üben, Ausprobieren und Integrieren der Block Chords nebst Shearing Style und den weiteren kennengelernten Varianten in deinen Jazz-Klavier-Alltag!