Ein Beispiel für den modernen Retro-Trend ist das letztjährige Highlight der Firma Sonor, die modernisierte Teardrop-Linie aus den 60er Jahren, die unter dem Namen „Vintage Series“ auf dem Markt erschien. Das Set schlug in der Redaktion wohlklingend zum Test auf. Aber auch zahlreiche andere Firmen wie C&C Drums, Canopus oder Sakae mit ihrer Triology Serie bringen in den letzten Jahren moderne Versionen der alten Klassiker auf den Markt. Was hat das alles auf sich?
Lars Plogschties lobt im Test zum Sonor Vintage Series die retro klingenden Kessel, in Kombination mit der modernen Hardware an den Trommeln. Lars ist, wie das gesamte Autoren-Team, ein absoluter Gear-Nerd. Doch besonders die ganz alten, geschichtsträchtigen Exemplare haben es ihm angetan. Ich habe mal bei weiteren meiner Autoren herumgefragt, worin denn für sie die Faszination eines alten Instruments besteht. Der günstige Preis ist es wohl mitnichten, denn gefragte Exemplare werden teilweise über den Neukonditionen aktueller Highend-Modelle gehandelt. Alte Trommeln sind unter Umständen auch eine nicht zu verachtende Wertanlage.
Alex Höffkensagt zu seinem alten Schatz: „Der absolute Stolz meiner kleinen Sammlung ist ein Slingerland „Radio King“ in den Maßen 24“ x 14“ Bass Drum, 13“ x 9“ Tom und 16“ x 16“ Floor Tom aus den 40er Jahren. Ich habe mehrere Jahre danach gesucht und dann endlich eins in absolutem Traumzustand gefunden. Das Holz von Vintage Sets ist gealtert, in den meisten Fällen auch viel gespielt worden und deshalb einfach „eingeschwungen“. Die Sets sind einfach zu stimmen, mit der richtigen Befellung extrem variabel im Sound und vor allem im Studio sehr beliebt. Süchtig nach der tonalen Wärme habe ich fast mein gesamtes Equipment auf Vintage umgestellt. Das Radio King ist für mich ein so großer Schatz, dass ich es nur im Studio und nie live spiele. Da kommen in der Regel mein 60’ Slingerland Sound King oder, wenn es mal in richtig dreckige Clubs geht, eine billige japanische Kopie davon, namens „U.S. Mercury“ zum Einsatz, die aber trotz des preiswerten Materials (Bass Drum Hoops aus Plastik!!) immer noch besser klingt, als so manch teurer Custom-Edelschlitten.“
Sven von Samsonspielt am liebsten sein Rogers Holiday Kit in sparkling silver pearl von 1966. Das Set hat die Größen 20×14 Bass Drum, 12×8 Tom und 14×14 Floortom. Dazu kommt eine passende Powertone Snare in 14×5 Zoll. „Noch nie habe ich mich an einem Set so zuhause gefühlt, wie an meinem Rogers Holiday Kit. Es riecht gut, sieht wahnsinnig sexy aus und klingt in jeder Lautstärke warm, voll und präsent. Als Gentleman der alten Schule ist es dabei aber niemals zu aufdringlich.“
Jonas Böker meint: “Die Initialzündung für meine Faszination an der Vintage-Drums-Thematik war ein siebziger Ludwig Set, das ich mir mal für eine Studioproduktion geliehen hatte. Heute ist das Herzstück meiner Trommelsammlung ein gut erhaltenes Ludwig Keystone WMP in den Größen 22“, 12“, 13“ und 16“. Dieses Jahr wird es stolze fünfzig Jahre alt! Mich fasziniert immer wieder das weichere Spielgefühl und der fette, warme Sound der alten Kessel, die jedem Drumtrack eine besondere Tiefe geben. In diesem Sinne: Booom!”
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Fürs Protokoll können wir also festhalten: Die Liebe zu alten Trommeln ist – neben den speziell zugesprochenen Klangcharakteren – stark mit deren traditionsreicher Geschichte verbandelt und nicht immer rational zu erklären. Technische Unwägbarkeiten, die bei vielen alten Instrumenten naheliegend vorhanden sind, verschwinden bei manchen Besitzern gerne mal im verklärten „Nebel der Glückseligkeit“ über das eigene Vintage-Instrument. Falls ihr euch damit nicht abfinden wollt, gebe ich noch einen Tipp für Fans von gestrigem Instrumentarium. Eine Menge passionierter Trommelbauer sind in der Bundesrepublik anzutreffen. Diese sind gern dabei behilflich, eure alten Trommeln fit für die Gegenwart zu machen. Auf dem Bild ist exemplarisch eine Ludwig WFL Snare aus den 50er Jahren zu sehen. Diese wurde von Felix Leyde / Tempest Drums neu gegratet. Oder aber ihr geht den bequemeren Weg und legt euch direkt eines der in der Einleitung angesprochenen modernen Retro-Sets zu?
Wie sind eure Erfahrungen mit alten Drums? Bezahlt ihr jeden Preis für den vermeintlichen Traum-Sound, oder lässt euch das „alte Gelumpe“ eher kalt und ihr gebt modernem Equipment stets den Vorrang? Schreibt es doch einfach unten in die Kommentare.
Zum Test des Sonor Vintage Series Kits geht es hier: http://www.bonedo.de/artikel/einzelansicht/sonor-vintage-series-three-22-shell-set-test.html
Eine schöne Woche wünscht,
Chris
Daniel sagt:
#1 - 31.03.2015 um 18:27 Uhr
Hallo zusammen,ich habe bis vor einigen Jahren stets alte Trommeln abgelehnt, nicht zuletzt aufgrund ihrer z.T. technischen Mängel. Nun befand sich insbesondere mein Lieblingshersteller Yamaha in den 90ern auf dem Zenit seines Erfolges, nicht zuletzt durch die prominent platzierten Endorser Gadd, Colaiuta und Weckl. Also musste ein 9000er Recording her, welches ich seit 1993 immer noch mein Eigen nennen darf, und das inzwischen vielleicht schon als "Vintage" zu bezeichnen ist. Auf der Suche nach einem Zweitset (idealerweise aus einem anderen Holz) stolperte ich irgendwann über ein altes Gretsch Set. Schon war klar, dass selbst die seinerzeit sehr beliebten "Kopien" wie z.B. das Starclassic Maple nicht an diesen einzigartigen Sound, der sich durch dieses besondere Maß an Wärme, Resonanz und schliesslich unglaublicher Projektion auszeichnete und immer noch auszeichnet. Durch das Internet stiegen die Preise bereits für 80er Jahre Sets ion völlig absurde Dimensionen (heute ist das zum Glück wieder vorbei), also blieb mein Wunschset schicht und ergreifend unerschwinglich. Für ein hervorragendes Yamaha Maple Custom Absolute hat es jedoch gereicht, dennoch empfand ich den Sound dieses modernen Sets als (wie ich es nannte) stets als "synthetisch" und wenig authentisch, kurz: wenig inspirierend. Ich habe es verkauft und besitze seit ca. 2-3 Jahren ein Gretsch aus den 80ern. Immer wieder begeistert mich jede einzelne Trommel auf's Neue. Ich bin sicher, dass sich dieser Sound nur annähernd, die Ausstrahlung, der Geruch und das Spielgefühl jedoch gar nicht in moderne Sets packen lassen. Seit ca. 1 Jahr ist eine Ludwig Super 400 pre-serial COB hinzugekommen. Einfach einmalig! Das lässt sich einfach nicht kopieren, schon gar nicht (sorry, liebe Pearl-, Yamaha-, Mapex-, Tama-, etc-Fans) durch asiatische Produkte. Viele Grüße
Daniel
Alex Hoeffken sagt:
#2 - 31.03.2015 um 19:26 Uhr
Daniel, willkommen in der Familie :)
Achim sagt:
#3 - 01.04.2015 um 00:47 Uhr
Seit Jahren beschäftige ich mich mit alten Schlagzeugen. Mir gefällt neben dem Sound vor allen Dingen der authentische Look der Vintage Drums. Nebenei reizt es mich, technische Mängel oder Defekte zu reparieren und nach meinen Vorstellungen zu perfektionieren. Der Vorwurf,
dass Vintage Drums wegen klapperiger Hardware nicht zum öfteren Liveeinsatz geeignet seien, lass ich nicht gelten. Mittlerweile gibt es Alternativen (z.B. Ludwig Atlas Tom Mount) zu diversen Tomhalten und neue, stabile Beckenständer (Flatbase/einstrebige Ständer), welche der alten Hardware nachempfunden ist.
Neben Ludwig bevorzuge ich die Marke Rogers, leider besitze ich im Moment keins, wenn ich mir die Fotos hier so anschaue, muss ich mir unbedingt wieder eins zulegen...