Praxis
Mit 18 kg Gesamtgewicht, die mir meine Waage anzeigt, lässt sich die L1 Pro8 gut von einer Einzelperson manövrieren. Der einfache Transport wird noch durch den großen, gut fassbaren und mittig im Schwerpunkt sitzenden Transportbügel erleichtert. Die beiden Top-Teile finden dann ihren Platz im mitgelieferten Softbag, so dass sich die komplette Anlage auch von wenig trainierten Personen mit einem Gang bewegen lässt. Nur die L1 Compact ist mit ihren 11,2 kg dann doch noch etwas leichter.
Das einfachste denkbare Szenario, nämlich die Verstärkung eines Sprechers, einer Sprecherin ist so binnen weniger Minuten realisiert: Mikro einstecken, Lautstärke mit dem Volume-Regler adjustieren und bei Bedarf durch mehrmaliges Drücken des Encoders in Höhen, Bass und Reverb wechseln, um Klanganpassungen vorzunehmen. Schönes Detail: Alle drei Encoder werden von einem 13-segmentigen LED-Kranz umringt, der den aktuellen Parameterwert visualisiert. Eine LED unterhalb des Encoders zeigt durch gut sichtbares grünes Leuchten an, wenn ein Signal anliegt.
Die Klangregelung der Kanäle 1 bis 3 ist identisch aufgebaut: Zuoberst befindet sich ein Push-Encoder, mit dem man die Parameter Volume, Treble, Bass und Reverb regelt. Im Kanal 3 wurde der Hall ausgelassen, was sinnvoll ist, denn für gewöhnlich appliziert man kein Reverb auf die Musikzuspielung. Eine Reihe tiefer befinden sich Mute-Taster für alle drei Kanäle. Kanal 1 und 2 können vermittels eines „Tone Match“-Tasters zwischen den Equalizer-Einstellungen Off, Instrument und Mikrofon umgeschaltet werden. Via App sind noch eine Vielzahl weiterer EQ-Settings abrufbar.
Die L1-Mix-App
Just am Tag der offiziellen Markteinführung erschien dann auch die „L1 Mix“-App im Apple App-Store für iOS (Android soll folgen), mit der sich die neuen L1-Systeme fernsteuern lassen. Entsprechend können aus der App heraus auch mehrere Systeme angelegt und mit einem Namen versehen werden.
Im Grunde spiegelt die App eins-zu-eins die Bedienelemente der Hardware wider und Eingriffe werden bidirektional sofort umgesetzt: Regelt man den Pegel eines Kanals an der Hardware, bewegt sich auch der virtuelle Regler am Bildschirm, schaltet man einen Eingang über die App stumm, geht gleichzeitig die Mute-LED an der Basis an, sogar die Kanal-Aktivitäts-LED der Hardware wird an die Remote-Software übermittelt – sehr gut.
Wo die App die Nase sogar ein Stück weit vorne hat, ist im Bereich der Tone-Match-EQ-Presets, denn für jeden der beiden Typen (Mikrofon/Instrument) kann man hier aus einer Vielzahl von EQ-Einstellungen wählen. Leider ist das (derzeit noch) ein völliger Blindflug. Zwar können sich erfahrene Tontechniker unter „Keys Rhodes 73, Acoustic Nylon String w/piezo“ oder „High Gain: Bright“ sicherlich etwas vorstellen, was die EQ-Settings aber genau machen, verrät die App leider nicht. Und seien wir mal ehrlich: Welcher Tontechniker, der seinen Job routiniert und ernsthaft macht, kurbelt nicht in unter einer Minute eine Equalizer-Einstellung zurecht, die in der Situation nicht deutlich besser ist als jedes Preset.
Es ist also zu wünschen, dass Bose hier in Zukunft noch einen Pro-Modus implementieren, in dem der Anwender vollen Zugriff auf die DSP-Resourcen der Box hat. Dass das möglich ist, zeigen ja bereits die ToneMatch-Mixer.
Klang
Die erste und beste Übung bei einem Lautsprecher-Test ist üblicherweise, den Probanden ohne jede Klangregelung mit dem Zuspieler zu verbinden. In unserem Test war das aus praktischen Gründen zunächst ein via Bluetooth-Verbundenes Handy. Die Konnektivierung war dabei gänzlich unproblematisch: Hält man die Bluetooth-Taste an der L1-Basis für einige Sekunden gedrückt, wird das System als „L1“-Audiogerät im BT-Klienten angezeigt und steht nach der Koppelung zur Verfügung.
Schon die ersten paar Sekunden sind beim Hörtest – routinierte Tontechniker und Audiofreunde werden wissen, was ich meine – oft entscheidend. Binnen weniger Sekunden passiert nämlich eine Wertung, die sich meistens gar nicht in Frequenzen oder technischen Daten messen lässt, sondern rein subjektiver Natur ist. Nämlich: Spricht einen der Sound an (oder nicht).
Erfahrene Engineers und HiFi-Afficionados verwenden aus diesem Grund für den ersten Hörtest oft Stücke, die sie schon seit Jahrzehnten kennen, damit der Überraschungseffekt (egal ob gut oder schlecht) nicht von der Musik stammt, sondern von den zu testen Lautsprechern. Einer meiner Referenz-Tracks ist das bald 38 Jahre alte, von Quincy Jones produzierte „Thriller“ aus dem gleichnamigen Album von Michael Jackson, das immer noch eine Blaupause für eine weit aufgefächerte, transparente und auf allen Endgeräten gut übersetzende Mischung ist. Und nachdem der beidhändig gegriffene Intro-Synth verklungen ist und der ikonosonische Basslauf seine Arbeit aufgenommen hat, ist klar: Ja, sie klingt gut – die L1 Pro8 und es macht wirklich Spaß, ihr zuzuhören.
Dass die Bose auf Anhieb so zu gefallen weiß, ist primär dem satten Bass zu verdanken, der das 80 qm Teststudio absolut mühelos mit langwelligen Frequenzen zu fluten vermag. Wie bei Bose üblich, werden vom Hersteller keine technischen Daten preisgegeben. Durch Sweepen mit einem steilflankigen Butterworth-EQ (Low/High-Cut) konnte ich den Arbeitsbereich des Subwoofers ungefähr auf den Bereich zwischen ca. 40 und 600 Hz eingrenzen. Tatsächlich macht die L1 Pro8-Basisstation auch im Solo-Betrieb als reiner Subwoofer eine tadellose Figur und konnte den im Test-Studio fest installierten Neumännern (KH310) noch eine bemerkenswerte Schippe Low-End unterschieben, von der das gesamte Klangbild deutlich profitierte.
Lugt man mit seitlicher Beleuchtung durch das robuste Lochraster-Schutzgitter in die Lautsprecher-Basis, sieht man ein ungewöhnliches Bild: Der hier verbaute Speaker ist nämlich fast schon quadratisch mit abgerundeten Ecken. Vor diesem Hintergrund ergibt auch Boses phantasievolle Namenskreation „High-Excursion-Race-Track“-Driver in Verbindung mit den Maßzahlen 7 und 13 Zoll Sinn.
Es ist also ein Langhub-Treiber mit einer an eine Rennstrecke erinnernden Form mit den Abmessungen 7 mal 13 Zoll. Rein rechnerisch hätten wir es hier also mit einem 10-Zoll-Treiber zu tun (7+13 geteilt durch 2 = 10). Die eindrucksvolle Basskapazität scheint aber dem selbstbewusste Werbetext von Bose Recht zu geben, der verspricht nämlich, dass hier die physikalischen Qualitäten eines 12-Zollers gelten.
Der zweite einnehmende Faktor sind die Höhen, die von der L1 Pro8 großzügig im Raum verteilt werden und das meine ich im Wortsinn, denn tatsächlich gelingt Bose durch die geschickte Anordnung der Treiber ihrer L1-Serie der spektakuläre Trick, den Raum vor der Säule in einem Halbkreis von annähernd 180°-Grad gleichmäßig zu beschallen. Und das nicht nur in der Horizontal-Achse, sondern auch vertikal. Denn egal, ob man der Säulen-PA nun sitzend oder stehend zuhört, ändert sich das Frequenzbild (mal abgesehen von den Auswirkungen der Raumakustik) kaum.
Und dann ist da noch der Klang der Höhen an sich, die sich sehr gut durchsetzen, ja fast schon – auch in der Neutralstellung des EQ – ein kleines bisschen überstrahlend wirken. Was ich vor dem Hintergrund der klinischen Hör-Situation im Teststudio für vorteilhaft halte. Denn im „Echtwelt“-Einsatz werden sich die Höhen im Zweifel ihren Weg durch zig Reihen von Zuhörer-Köpfen bahnen müssen, da schaden ein bis zwei Dezibel mehr Brillanz nie, ganz im Gegenteil.
Auch das Mittelfeld erklingt mit schöner Präsenz und Durchzeichnung und man fragt sich beim Hören immer wieder erstaunt, wie Bose es schaffen, aus den kleinen Satelliten-Treibern eine so überzeugende Physis zu generieren.
Entsprechend des jeweiligen Einsatzszenarios lassen sich über den Taster „System EQ“ (auch über die App verfügbar) vier verschiedene Equalizer-Kurven aktivieren: Off, Live, Music und Speech. Wie eingangs gesagt, führte ich den ersten Hörtest in der Neutralstellung (Off) durch. Die Einstellung „Live“ „zähmt“ die Anlage ein kleines bisschen und der Höreindruck sagt, dass hier ein sanfter Low- und High-Cut zum Einsatz kommen. „Music“ dagegen scheint – besonders bei kleineren Abhörlautstärken – noch mal alles aus der L1 Pro8 zu kitzeln, was geht und geht mit einem deutlichen Bass-Boost einher. „Speech“ hebt – wie nicht anders zu erwarten – die Mittenpräsenz an und erhöht so die Sprachverständlichkeit. Alle drei Einstellungen sind milde parametrisiert und lassen sich auch bei laufender Wiedergabe knackfrei umschalten, so dass man als Zuhörer nicht den Eindruck hat, es läge eine Störung vor – sehr gut.
Natürlich ist das nur eine ganz grobe Schätzung, aber von der Gesamtleistung (300 Watt) und meinem Höreindruck im Teststudio, wo ich die Kanallautstärke maximal bis 50 % Leistung regelte, würde ich grob sagen, dass sich mit der L1 Pro8 Räume bis 100 Quadratmeter Größe und 200 Personen Füllung in angemessener Lautstärke (Rede, Duett Gesang/Instrumental, Präsentation) beschallen lassen. Und falls die Stimmung am Ende doch noch in Richtung Tanzveranstaltung eskaliert, dürften auch ein harter Kern aus 50 Personen, die rund um die kleine Säulen-PA schwoofen, ihren Spaß haben. Das ist aber nur als ganz grober Richtwert zu verstehen: Das zu verstärkende Material und örtliche Gegebenheiten können diese Kalkulation auch dramatisch ändern.
Leider ist zwischen zwei L1-Systemen kein direkter Stereo-Link möglich. Gerne hätte ich hier gesehen, dass sich über die Tone-Match-Buchse eine intelligente Verkoppelung herstellen lässt, um so via Aux-In oder Bluetooth zugeführtes Material in Stereo wiederzugeben. Möchte man Stereophonie umsetzen, muss man entsprechend entweder beide Lautsprecher-Systeme separat von einem Mischpult, Zuspieler oder einem Tone-Match-Mischer (T4 oder T8) befeuern, wobei im letztgenannten Fall dann auch zwei Netzwerkkabel erforderlich sind (linker/rechter Kanal). Aber gut: Man muss und sollte hier natürlich im Hinterkopf haben, dass die ganze Konzeption (und Magie) der L1-Serie eben gerade nicht die Stereo-Wiedergabe ist, sondern die punktuelle Abstrahlung von einer einzelnen Schallquelle auf einen möglichst großen Bereich.
KG sagt:
#1 - 03.11.2020 um 15:09 Uhr
War der Test mit einem Monosystem erfolgt?
Hab't ihr schon Erfahrungen im Stereobeterieb - der wäre doch sicher auch einen Test wert. Den missing link hattet ihr im Test ja erwähnt.