PRAXIS
Dafür muss ich die Box erst einmal aufbauen. OK, „aufbauen“ ist übertrieben, „hinstellen“ ist das richtige Wort. Ist die Bose S1 Pro+ geladen (oder am Strom), wird sie eingeschaltet, eine beliebige Klangquelle angeschlossen und aufgedreht. Denkbar simpel – oder?
Ist das Gerät eingeschaltet, leuchten sofort die drei Displays auf und zeigen zunächst die Lautstärke des jeweiligen Kanals an. Die Ausrichtung checkt die Box von allein und dreht bei Bedarf auch die Anzeige mit – finde ich cool. So muss niemand unnötig Zeit mit Display-Tilt-Einstellungen vergeuden. Meine Wahl fällt übrigens auf die angewinkelte Bodenposition.
Musikwiedergabe an der Bose S1 Pro+
Um das zu herauszufinden, verbinde ich mein MacBook Pro per Bluetooth mit dem Gerät. Dazu muss nur kurz der kleine Button an der Box gedrückt werden, schnell erscheint die Bose-Box auf meinem Bildschirm. Nun kann ich sie koppeln und als Wiedergabegerät auswählen.
Mein erster Eindruck: Ja, die Mini-PA kann laut. Die Klangwiedergabe aber wirkt auf mich in den hohen Mitten etwas harsch. Diese lassen sich anhand des EQs etwas herausziehen. Bis das Frequenzbild meiner Meinung nach nicht mehr so harsch ist, ist man aber auch schon bei einem insgesamt etwas dumpfen Klangbild angekommen. Dafür klingt der Bass recht knackig.
Drehe ich die Box auf die Seite (in die Monitor-Position), klingt sie dank des automatischen EQs auch direkt etwas harmonischer.
Für dich ausgesucht
Dass Bluetooth auch gerne mal übermäßig komprimiert und harsch klingt, ist aber auch keine Neuheit. Die Klangwiedergabe über Miniklinke klingt ausgewogener, wobei das Problem aber auch nicht komplett verschwindet. Aber gut, was gut klingt oder nicht, liegt ja nun mal auch im Auge (oder Ohr) des Betrachters.
Ich denke, zum Musikhören auf dem Camping-Platz ist die Box völlig ausreichend. Das ist aber nicht ihr eigentliches Aufgabengebiet. Wer nach einer einfachen Bluetooth-Box sucht, wird wohl wesentlich günstigere Alternativen finden.
Die Bose S1 Pro+ als treuer Begleiter für Alleinunterhalter?
Was die Bedienung angeht, ist das Gerät auch sehr intuitiv aufgebaut. Per XLR- oder Klinke lassen sich jegliche Klangquellen, egal ob Mikros, Gitarren oder auch Line-Level-Geräte, an die Quelle anschließen.
Per Klick auf den Drehknopf unterhalb des Displays hat man an allen drei Kanälen die Möglichkeit, Ausgangslautstärke, Treble, Bass und Reverb zu regeln.
Letzterer klingt für mich sehr hochwertig und fügt sich gut ins Klangbild ein, ob nun dezent als Klebehall oder als extravaganter Kirchen-Effekt. Dabei lässt sich zwar nur die Reverb-Lautstärke anpassen – Parameter wie Decay oder verschiedene Hall-Varianten fallen also weg – aber was funktioniert, funktioniert und reicht locker, um musikalischen Darbietungen eine angemessene Tiefe zu verleihen.
Für tiefergreifendere Einstellungsoptionen wird der Knopf etwas länger gedrückt. Hier lässt sich beispielsweise der „Expander“ ein- und ausschalten, wobei es sich um ein Gate handelt. Viel interessanter finde ich die ToneMatch-Presets: EQ-Voreinstellungen, die auf verschiedene Anwendungen und Klangquellen ausgerichtet sind.
Bose Music App und ToneMatch
Okay. Am Gerät selbst finden sich in den Einstellungen nur zwei dieser Presets, eins für Instrumente, eins für Mikrofone – so weit, so unspektakulär. Lade ich mir aber die Bose Music App auf mein Smartphone und verbinde diese mit der S1 Pro+, stehen mir nun Unmengen solcher ToneMatch-Optionen zur Verfügung.
Diese EQ-Anpassungen beziehen sich nicht etwa nur auf spezifische Instrumentengruppen. Hier finden sich diverse Mikrofon- und Instrumenten-Klassiker vieler Marken wie beispielsweise Gitarren von Takamkine oder Taylor wieder.
Auch an Mikrofonmodellen mangelt es der App nicht: Von Audix, über Shure und Sennheiser, bis Neumann finden sich hier alle möglichen gängigen Live-Mics wieder.
Unterschiede der Presets
Um euch verdeutlichen zu können, welchen Unterschied diese Presets machen können, habe ich mir meine Gibson J45 geschnappt und einen Linetrack in Cubase eingespielt. Diesen habe ich dann über eine Reamping-Box und den Klinkensender an die nach hinten geneigte Pro+ geschickt.
Abgenommen habe ich die Klangbeispiele über ein Neumann TLM103 in 1,7 m Höhe und aus etwa 2,5 m Entfernung. Warum nicht direkt an der Box? In der Fußgängerzone würdet ihr ja auch nicht mit dem Kopf neben dem Lautsprecher des Straßenmusikers knieen. Als Pre-Amp dient hier unser Avalon AD2022. Dieses Mikrofon-Setup behalte ich übrigens für den Großteil dieses Tests bei.
Wie die Gitarre über die S1 Pro+ ohne und mit passendem Preset klingt, könnt ihr in den Klanhgbeispielen nachhören. Mir persönlich gefällt zweite Variante besser. Vor allem, dass die ToneMatch-Setups meine eigentlichen EQ-Parameter unberührt lassen, sagt mir sehr zu – gerade, weil ich mit meinen zwei eigentlichen Bändern in der Klangbearbeitung recht limitiert bin.
Mal abgesehen von der Vielfalt an ToneMatch-Einstellungen kann ich über die App auch alle anderen Parameter bequem vom Handy aus regeln. Das vereinfacht die Bedienung meiner Ansicht nach enorm.
Lautstärkeregelung
Was mich allerdings stört und gleichzeitig meinen größten Kritikpunkt ausmacht, ist, dass Ein- und Ausgangslautstärke nicht getrennt voneinander geregelt werden können. Möchten Anwender also auf eine bestimmte Lautstärke kommen, können sie mitunter ihren Sound früher oder später ins Clipping fahren. Um dem zu entgehen, sollen laut Bose entweder die Gesamtlautstärke oder die der der Klangquelle angepasst werden. Wer nicht gerade ein vorgeschaltetes Mischpult oder einen zusätzlichen Volume-Regler an seinem Instrument zur Hand hat, steht dann etwas im Regen.
Auch hierfür habe ich ein Klangbeispiel. Diesmal mit Gibson J45 und Shure SM58, beide Signale liefen über die Sender in die S1 Pro+ und wurden mit den passenden ToneMatch-Presets versehen. Und weil ich nicht gut singe, habe ich mir ein wenig Gnadenhall verpasst.
Ich selbst befand mich währenddessen nicht im Aufnahmeraum. Alles, was ihr hört, ist also die reine Tonausgabe der Lautsprecher. Wer gut aufpasst, kann hören, wie der Gesang zwischenzeitlich etwas übersteuert. Ich gebe zu bedenken, dass die Anlage nicht lauter aufgedreht war, als eine J45 auch ohne elektrische Verstärkung wäre.
Kabel und Funkübertragung im Vergleich
Jetzt zu den Sendern: Die machen auf mich klangmäßig einen sehr realistischen Eindruck, es kommt weder zu nervigen Aussetzern noch zu größeren Klangverlusten. Eher wirkt der Sound per Sender in den Höhen ein ganz kleines bisschen ausgeprägter als per Kabel, ohne dabei zu steril zu werden.
Wie nah die beiden Varianten aneinander liegen, könnt ihr in den Klangbeispielen nachhören. Dazu habe ich dasselbe Line-Signal per Kabel und Funk an die Mini-PA geschickt und direkt über den XLR-Out abgegriffen.
Daraufhin wurde die 4 ms Latenz der Funkstrecken-Aufnahme weggeschnitten, phasengleich über die Kabelversion gelegt und umgekehrt. Was ihr nach diesem Nulltest noch hören könnt, sind die Frequenzen, die sich sonst auslöschen würden.
Das Resultat spricht für sich – die Transmitter machen eine sehr gute Figur.
Streaming mit der Bose S1 Pro
Auch als Interface lässt sich die S1 Pro+ nutzen. In den Advanced-Einstellungen des dritten Kanals kann der Live-Stream-Modus eingeschaltet werden. Nun hat man die Möglichkeit, die Box per USB-C-Kabel an ein Aufnahme- oder Streaming-Device anzuschließen und dann als Soundkarte zu nutzen. Dabei stehen zwar zwei Kanäle zur Verfügung, effektiv handelt es sich dabei aber zweimal um dasselbe Signal, da die Box ihren Sound in Dual-Mono ausgibt. Der dritte Kanal dient hier nur noch der Volume-Regelung für Live-Monitoring.
Vier Ausrichtungsmöglichkeiten, vier verschiedene Klänge
Besonders an Boses kleiner Neuheit ist auch, dass das Gerät nicht nur erkennt, wie sie ausgerichtet ist, sondern dann auch den EQ der entsprechenden Situation anpasst.
Wie das klingt, könnt ihr in meinem Video sehen und vor allem hören. Auch hier ist wieder das J45 ToneMatch-Preset im Einsatz. Der Mikrofonaufbau hat sich nicht geändert.
Wie ihr sehen könnt, variieren die Lautstärkenverhältnisse zwischen den verschiedenen Positionierungen. Gerade die Stativ-Variante ist deutlich lauter als die anderen drei.
Zusätzlich kann an der Box noch ein Sub-EQ, also ein festgelegter Low-Cut eingeschaltet werden, um die Box als Satellitenbox in Kombination mit einem Subwoofer zu nutzen.
Und wenn wir schon bei zusätzlichen Features sind: Wer noch eine zweite Einheit besitzt, kann beide gemeinsam wireless koppeln. Testen konnte ich das leider nicht, da ich auf mein einzelnes Testgerät beschränkt bin.
Bose S1 Pro+ – mögliche Alternativen
Bose S1 Pro+ | EV Everse 8 | JBL EON 715 | |
Preis | 779,00 € | 799 € | 669 € |
Funk Sender | Ja | Nein | Nein |
Akku-Leistung | ca. 11h | 6 -12h je nach Leistung | Kein Akku |
Frequenzbereich | 62 – 17000 Hz | 15 – 20000Hz | 45 – 20000 Hz |
Gewicht | 6 Kg | 7,6 Kg | 17 Kg |
Bluetooth | Ja | Ja | nein |
Max SPL | 103 dB | 121 dB | 128 dB |
Manfred sagt:
#1 - 17.01.2024 um 19:41 Uhr
Hallo Ole, schöner Bericht. Schade, dass du den eingebauten FX-Loop nicht erwähnt hast. So funktioniert's: https://www.youtube.com/watch?v=U7lUmuNbb3E&t=10s