Mit dem Boss IR-200 legt nun auch der japanische Hersteller einen Impulse-Response-Loader mit integriertem Amp-Modeling aufs Parkett, der eine perfekte DI-Lösung für Gitarristen und Bassisten bieten soll. Pedale dieser Art scheinen sich in jüngster Zeit einer großen Beliebtheit zu erfreuen, denn sie kombinieren digitale Amp- und Cab-Simulation mit einer handlichen Bauweise, die sich perfekt in jedes Live- und Studiosetup integrieren lässt und auch eine Kombination mit dem individuellen Pedalboard erlaubt.
Einige Hersteller wie z. B. Strymon mit dem Iridium oder Walrus Audio mit dem ACS-1 haben sich dieser Thematik bereits angenommen, aber Boss legt hier in puncto Konnektivität und Flexibilität noch einmal eine Schippe drauf. Der IR-200 kommt mit einem Einschleifweg, einer deutlich größeren Auswahl an Amp-Modellen und einer umfangreichen EQ-Sektion, die sicherlich momentan noch einzigartig in diesem Produktsegment ist. Daher wollen wir den Boss-Neuling mal genauer unter die Lupe nehmen und die umfangreichen Funktionen des IR-Loaders ausgiebig dem bonedo-Test unterziehen.
Gehäuse/Optik
Der Boss IR-200 steckt in einem rechteckigen grauen Metallgehäuse mit den Maßen 138 x 102 x 63 mm und weist eine nach hinten abgeschrägte Ebene für die beiden Fußschalter auf. In der vorderen Pedalhälfte zeigen sich die Bedienelemente mit neun chromfarbenen Kunststoffpotis, von denen vier als Endlosrad mit Druckfunktion fungieren. Zwei kleine schwarze Taster führen zu weiteren Funktionen. Vorne links befindet sich ein 55 x 20 mm großes LC-Display, auf dem der Presetname und die Parameter in einem gut erkennbaren Blauton tadellos ablesbar sind.
Die Anschlüsse befinden sich an der Stirnseite und links außen am Pedal. Vorne sind ein In- und zwei Outputs sowie ein Effekt-Send und -Stereo-Return jeweils als 6,3-mm-Klinkenanschlüsse arretiert. Hier warten auch ein MIDI In- und -Out im Miniklinkenformat sowie der Eingang für das im Lieferumfang enthaltene 9-V-Netzteil, das 335 mA bereitstellt. Ein symmetrischer XLR-Ausgang fehlt leider, sodass live eventuell noch eine DI-Box bemüht werden muss. Da dieser bei anderen IR-Loadern aber ebenfalls fehlt, soll das nicht als Minuspunkt erscheinen.
Links außen befindet sich ein Aux-In sowie ein Phones-Out, ebenfalls als Miniklinke. Zum Anschluss eines optional erhältlichen Expression-Pedals oder Control-Tasters ist hier außerdem eine 6,3-mm-Klinkenbuchse angebracht. Um das Pedal mit einem Rechner zu verbinden, ist ein Micro-USB-Port an Bord, allerdings ist kein entsprechendes Kabel im Lieferumfang enthalten. Der Boden ist fest verschraubt, muss jedoch nicht abgenommen werden, da der Batteriebetrieb nicht unterstützt wird. Zum Lieferumfang gehören das Netzteil, ein Manual und vier anklebbare Gummifüße.
Bedienung
Beim Boss IR-200 handelt es sich um einen Impulse-Response-Loader, der mit einem digitalen Amp-Modeling-Block, einem Noise-Gate, EQ und Reverb-Algorithmen verknüpft ist. Intern arbeiten zwei Custom-DSP-Prozessoren und es findet eine 32 Bit AD/DA-Wandlung statt. Drittpartei-Impulsantworten können sowohl als Mono- wie als Stereodateien mit bis zu 500 ms IR-Länge geladen werden.
Die Modulkette des IR-200 sieht folgendermaßen aus:
Amp
Für den Amp-Block stehen insgesamt elf Ampmodelle bereit, von denen acht für Gitarren- und drei für Bass-Anwendung konzipiert wurden.
Diese lauten:
NATURAL: ein natürlicher Cleansound und tolle Pedalplattform.
JC-120: basiert auf dem Sound des Roland JC-120 Jazz Chorus.
TWIN COMBO: hier stand ein Fender Twin Reverb Pate.
DIAMOND AMP: simuliert den Sound eines VOX AC30.
TWEED COMBO: basiert auf dem Sound eines Fender Bassman 4 x 10” Combos.
X-HI GAIN: dieses Modell setzt auf die Boss-eigene MDP (Multi-Dimensional Processing) Technik und kreiert einen klaren High-Gain-Sound.
BRITISH STACK: emuliert den Sound eines Marshall 1959 Plexis.
BGR UB METAL: basiert auf dem High-Gain-Channel eines Bogner Überschalls.
Für Bass stehen folgende Modelle bereit:
NATURAL BASS: ein transparenter Cleansound.
X-DRIVE BASS: analog zum Gitarrenmodell erhält man hier einen transparenten High-Gain-Sound
CONCERT BASS: dieses Modell simuliert den Sound eines Ampeg SVT
Regelbar sind die Amps in Gain, Level, Bass, Middle und Treble. Ein Gainswitch kann zwischen Low, Middle und High die grundsätzlich verfügbaren Zerrreserven festlegen und ein Soloswitch zum Boosten des Signals wurde ebenfalls untergebracht, wobei sich die Pegelanhebung stufenlos regeln lässt.
Noise Supressor
Auch ein Noise-Gate ist an Bord, das man mit den Parametern Threshold und Release tweaken kann.
Einschleifweg
Der FX-Loop ist in Send- und Return-Level regelbar und auch seine Position kann entweder vor den Cab-Block oder hinter die EQ-Sektion frei platziert werden. Darüber hinaus lässt sich zwischen einem seriellen Signaldurchlauf oder einem parallelen Loop wählen, bei dem der Direktsound mit dem externen Effektsound gemischt wird.
Cabinet
Der Cabinet-Block besteht aus einem dualen Aufbau mit Cab A und B und gestaltet sich als ungeheuer umfangreich. Hier gibt es satte 154 Faltungen, die in diverse 1×12″, 2×12″, 4×10″ und 4×12″ Cabinets für Gitarre und 1×18″, 2×15″, 4×10″ und 8×10″ Cabinets für Bass eingeteilt sind. Diese sind mit allen gängigen Mikrofonklassikern von Shure über Sennheiser und Royer abgenommen und bieten eine riesige Auswahl. Unter den 154 internen IRs befinden sich zehn eigens von Celestion zur Verfügung gestellte Faltungen. Wer sich durch die schiere Menge an IRs etwas überfordert fühlt, kann durch doppeltes Drücken des Cabinet-Buttons einen Favoriten markieren, was sich durch ein kleines +-Symbol vor dem Cab-Namen bemerkbar macht.
Das Weiteren besteht die Möglichkeit, eigene oder Drittpartei-IRs in die 128 User-Slots zu laden, worauf ich weiter unten noch eingehen werde.
Der Cab-Block bietet nun drei Betriebsmodi, nämlich Stereo, wobei man hier zwei verschiedene Faltungen für den linken und rechten Ausgang flexibel wählen kann. Im Monobetrieb besteht die Möglichkeit, zwei verschiedene Faltungen zu mischen, die dann als Monosignal ausgegeben werden. Wählt man Stereo-Link, werden zwei identische Settings auf dem linken und rechten Output herausgegeben.
Über den Adjust-Regler kann man nun die Zeitverzögerung zwischen den beiden Faltungen feintunen, was z. B. sinnvoll ist, wenn man Phasen anpassen bzw. verändern will. Der Mikrofon- und der nicht frequenzkorrigierte Direkt-Level sind ebenfalls frei einstellbar. Möchte man sein Signal zum einen an einen Echtamp und gleichzeitig zum FOH führen, lässt sich ein Cabinet-Block über das IR-Wahlrad auf Thru stellen.
EQ-Block
Das IR-200 besitzt zwei EQ Blöcke, die mit EQ A und B nochmal aus jeweils einem Algorithmus für den linken und rechten Output bestehen. Ein Stereo-Block wurde dabei zwischen Cabinet- und Ambience-Modul angeordnet, wohingegen der andere direkt vor dem Output liegt und als globaler EQ konzipiert ist, d.h. die Einstellungen des Letzteren sind Preset-übergreifend. Die Arbeitsweise des Equalizers kann zwischen “Parametric” für vier Frequenzbänder und “Graphic” für das Bearbeiten von zehn Frequenzbändern eingestellt werden. Der Preset-EQ wird über den Menü/Memory-Button erreicht, wohingegen der globale EQ im Menü/System-Reiter zu finden ist.
Ambience
Für den Ambience-, bzw. Reverb-Block stehen drei Halltypen bereit, nämlich Room, Studio und Hall. Der Algorithmus kann dabei in drei Modi gefahren werden, nämlich Mono, Stereo und Dual-Mono, wobei bei letzterer Einstellung zwei identische Settings ausgegeben werden. Regelbar ist der Reverb in der Reverb-Time, die von 0,1 bis 10 s eingestellt werden kann, Effektlevel und Tone.
Editieren der Sounds
Die Potis ermöglichen direkten Zugriff auf alle Parameter. Der Amp-Regler erlaubt das Auswählen des Amp-Typs, längeres Gedrückthalten des Knopfes führt zum Abschalten des Amp-Blocks, möchte man den IR-200 als reine Cab-Simulation verwenden.
Über den Cabinet-Regler wählt man die entsprechende IR an und das Ambience-Poti bestimmt die Effektlautstärke des Halls, wobei sich auch diese Blöcke gänzlich deaktivieren lassen. Darunter zeigen sich die Potis für die Amp-Parameter, die sich aus dem klassischen Quintett aus Gain, Level, Bass, Middle und Treble zusammensetzen. Alle Einstellung lassen sich natürlich abspeichern und Presetname sowie Speicherort können flexibel festgelegt werden. Das Umschalten der 128 Presets kann nun entweder an den Up- & Down-Fußschaltern oder aber am Memory-Rad rechts vorne erfolgen.
Um genauere Einstellungen vorzunehmen, wählt man entweder den Menü-Button und geht in den Memory-Unterordner oder drückt den Amp-, Cabinet- oder Ambience-Button.
Grundsätzlich empfinde ich das Editieren sehr intuitiv und kinderleicht, allerdings frage ich mich schon, warum Boss hier nicht mit einem zusätzlichen Editor um die Ecke kommt, denn das Scrollen durch möglicherweise mehr als 154 Impulsantworten nur an einem Endlosrad, das im Laufe der Jahre auch gerne mal anfällig für Verschleiß werden kann, empfinde ich als etwas zeitraubend. Zwar haben Konkurrenzprodukte hier auch keine vergleichbare Software, aber bei diesen gestalten sich die Editieroptionen und die Auswahl auch lange nicht so üppig wie beim Boss-Kandidaten. Andererseits weiß man natürlich irgendwann, welche IRs man präferiert und schaltet diese möglicherweise auch nicht dauernd um.
Menü und Systemeinstellungen
Die Flexibilität hinsichtlich der Einstelloptionen scheint beim IR-200 kaum Grenzen zu kennen und hebt den Boss-Kandidaten auch stark von der Walrus Audio- und Strymon-Lösung ab. Betätigt man den Menu-Button, gelangt man zu den Kategorien Memory, Down/Up Function, CTL Function, EXP Pedal Function, System, MIDI, MIDI PC Map und Factory Reset.
Memory kümmert sich um die Einstellung der Effektblöcke, die oben bereits erwähnt wurden. Über die Down/Up-Function können die beiden Fußschalter konfiguriert werden. Per Default haben wir hier die Presetschaltung, allerdings lassen sich auch Befehle wie z. B. das Aktivieren des Soloswitches, des globalen EQs oder des Einschleifwegs zuweisen. Dies kann über den Menüpunkt CTL-Function auch für externe Fußschalter vorgenommen werden.
Da der IR-200 auch den Anschluss eines Expression-Pedals erlaubt, wird über “EXP Pedal Function” der zu steuernde Parameter bestimmt.
Im System-Reiter lassen sich nun In- und Output-Parameter bestimmen, wie z. B. das Input-Gain, das den IR-200 an verschiedene Eingangslevel anpasst. Bei den Output-Parametern kann genauer spezifiziert werden, womit der Ausgang des Gerätes verbunden wird, sei es der Input eines Amps, dessen Return oder aber den Line-In eines Audio-Interfaces. Für den Kopfhörerausgang besteht die Möglichkeit der Pegelanpassung, aber auch das Aktivieren eines „Surround”-Modus, das den Klang über Kopfhörer noch plastischer wirken lässt. Die Memory-Extent-Funktion erlaubt, die anwählbaren Presets auf eine bestimmte Zahl zu reduzieren. Dies kann sinnvoll sein, wenn man sich in einem Live-Szenario nicht durch 128 Voreinstellungen wühlen will, sondern nur z. B. zehn ausgewählte Presets benötigt. Weitere Einstellungsoptionen wie USB-Settings oder Display-Helligkeit sind auch hier zu finden. MIDI und MIDI PC Map ermöglicht MIDI-Einstellungen und Factory-Reset setzt, wie der Name vermuten lässt, das Gerät auf die Werkseinstellungen zurück.
Software
Zum Laden von Drittpartei-IRs stellt Boss einen schlanken IR-Loader auf der Website bereit, mit dem sich die 128 freien Speicherplätze frei belegen lassen. Dies funktioniert ganz einfach über einen Upload-Button. Wav-Formate von 44,1 über 48 und 96 kHz werden unterstützt, wobei eine IR-Länge bis zu 500 ms abgebildet wird. Hier können die belegten Plätze verschoben und auch umbenannt werden. Anfangs hat mich das kleine „No”-Icon rechts außen in der “Used in Memory“-Spalte etwas irritiert, denn die externe IR wird vom IR-200 erst dann übernommen, wenn das Preset an der Hardware abgespeichert wird.
Das Boss IR-200 arbeitet auch als USB-Audio-Interface und kann für Recordingzwecke via USB direkt mit dem Rechner verbunden werden. Meine DAW, Presonus Studio One 5, erkennt die Hardware auch sofort problemlos und listet sie unter meinen Audiogeräten.
Norchler sagt:
#1 - 30.12.2022 um 13:55 Uhr
Hallo, der Test hat mich dazu bewogen, das Boss IR-200 zu kaufen, ich kann das positive Urteil bestätigen. Doch bleibt das Rätsel, WIE und WOHER man Drittanbieter-IRs bekommt und diese auf das Gerät lädt. Wenn ich es mit dem Laptop verbinde (im Boss-Menü ist die Windows-Einstellung aktiviert), sehe ich nur die leere Liste mit den 128 Usern. Auf der Boss-Homepage finde ich neben der IR-200-Loader-Software nichts. Könnt ihr mir helfen? Vielen Dank! NB
Matthias sagt:
#1.1 - 09.01.2023 um 15:43 Uhr
Hallo Norchler, in der IR-200-Software auf das Symbol mit dem Pfeil nach unten (zweite Spalte von Rechts klicken.) Nun öffnet sich das Windows-Menu um eine Dritt-Party-IR-Datei auszuwählen. Die Date sollte im .wav-Format vorliegen. Ich selbst nutze das Pedal für die akustische Gitarre und interessiere mich daher nur für akustische-IRs. Such einfach mal im Internet nach "Impulse Response Files" Da findet sich eine Menge. Von Blumenwasen über Violinen, Akustik-Gitarren, Vintage-Mikros bis Lautsprecherboxen (Wofür das Pedal ja eigentlich gedacht ist). Viele Grüße Matthias
Antwort auf #1 von Norchler
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenHalbgarfield sagt:
#2 - 08.11.2023 um 05:05 Uhr
Schade das ausgerechnet alle meine Lieblingsamps aus dem GT1000 fehlen, sonst hätte das Teil sicher einen Platz in Sofanähe bekommen.
Arne sagt:
#3 - 08.09.2024 um 12:21 Uhr
Ich versuche über den Ir 200 Aufnahme in Cubase 13 zu machen. Doch wie muss ich den Ir 200 einstellen, dass die Anschlagsdynamik der Gitarre differenzierter ist?
Olly sagt:
#4 - 02.11.2024 um 09:57 Uhr
Guter Test! Ich habe mir den IR200 auch zugelegt und finde , dass "right out of the box" 8( z.B. über meine AKG 371) alle Overdrivemodels ab Vox irgendwie so ein hart/harsches Höhenambiente haben auch mit den üblichen Verdächtigen Boxen IRs (greenbacks etc). Klingt digital,unnattürlich und kalt...fast als würde da ein Teil des Direktsignals (ohne IR) untergemischt..schlimmer wirds auch beim Zürrückdrehen des Volumepots an meinen Gitarren... Als Besitzer von Kemper,Line6 Helix ,THR10II oder Tubeamp+Torpedo viel mir das sofort auf. Kollege Dill deutete sowas in seinem GT-1000/1000Core Test auch an und man hört es auch z.B. im Diamond Sample (achtet mal auf den Anschlag der Saite "Zirp")...muss wohl nochmal etwas tiefer schrauben