Das Boss ME-90 in der Praxis
Das Boss ME-90 wird in unserem Praxisteil in drei unterschiedlichen Anwendungsbereichen getestet: Direkt ins Audio Interface aufgenommen, über einen clean eingestellten Amp (Amp Input) und in eine Endstufe mit angeschlossener Gitarrenbox. Hier gibt es schon mal das Video.
Mit dem Boss ME-90 direkt ins Audio-Interface
Bei der ersten Disziplin wird das Boss ME-90 in Stereo direkt an ein Universal Audio Apollo angeschlossen und es werden die internen Amp- und Cab-Simulationen aus der Preamp-Sektion benutzt. Die Auswahl mit 11 Modellen ist nicht so üppig wie bei manch anderen Anbietern, aber prinzipiell absolut ausreichend und dadurch auch etwas zeitsparender. Die gängigen Ampsounds der letzten Dekaden sind auf jeden Fall an Bord. Klanglich ist das Ganze ok, aber natürlich dem Preis entsprechend und Wunder sollte man in dieser Hinsicht nicht erwarten. Im Vergleich zu höherpreisigen Multieffekten ist beim ME-90 durchaus noch Luft nach oben. So klingen die Amp-Simulationen etwas dünn und reagieren nicht so sensibel auf die dynamischen Feinheiten an der Gitarre, wie man das vielleicht von anderen Modellen kennt. Statt der integrierten Cab-Modelle lassen sich auch eigene IRs laden, was das Klangergebnis durchaus verbessern kann. Ihr hört hier die Beispiele mit den integrierten Cab-Simulationen.
So klingt das Boss ME-90 vor einem Amp (Amp Input)
Nun kommt die Pedalboard-Ersatzvariante zum Einsatz. Das ME-90 ist vor einen clean eingestellten Amp (Sovtek MIG-50H) geschaltet, der über eine Marshall 4×12 Box läuft, die mit einem Neumann TLM-103 abgenommen wird. Zur Erzeugung der Zerrsounds ist jetzt die OD/DS-Sektion im Einsatz, Preamp und Cab-Simulation sind ausgeschaltet. Hier präsentiert sich das ME-90 von einer etwas besseren Seite, die dynamische Ansprache ist besser und auch mit den verschiedenen Zerr-Effekten lässt sich eine große Soundpalette abdecken. Aber auch in dieser Disziplin fällt auf, dass der Sound etwas undefiniert wird, wenn mehrere Effektmodule aktiviert sind.
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Das Boss ME-90 im Einsatz mit einem Power Amp
Bei der dritten Variante wird das ME-90 als Preamp genutzt und an eine Class D-Endstufe (Palmer Macht 402) angeschlossen, die ebenfalls über die Marshall 4×12 Box läuft. Das funktioniert auch recht ordentlich, die Amp-Charaktere werden getroffen und auch diese Variante kann man in Erwägung ziehen, um mit kleinem Besteck eine Probe oder einen Gig zu bestreiten.
Das Boss ME-90 im Bandarrangement
Zum Abschluss hört ihr das ME-90 im Bandarrangement mit unterschiedlichen Sounds. Hierbei habe ich die persönlich bevorzugte Variante benutzt und das ME-90 vor einen unverzerrten Amp geschaltet.
Stephan Everling sagt:
#1 - 31.12.2023 um 12:08 Uhr
Vielen Dank für den Review, den ich allerdings nicht nachvollziehen kann. Von mir würde das ME 90 nur 2 Sterne bekommen, und wohlgemerkt: Ich finde den Sound gut, mag das Konzept und die Möglichkeiten, die das Gerät bietet. Doch das Drumherum ist von einer Hirnlosigkeit, die mir den Puls in die Höhe treibt. Erst einmal, und das kostet den ersten Stern, zeigt Boss sich mal wieder von der Scroogigsten Seite: Kein Netzgerät, kein Bluetooth-Adapter, noch nicht einmal ein fimschiges USB-Kabel liegt dem Gerät bei. Dabei ist Bluetooth eminent wichtig für die Bedienung. Denn, und das kostet den nächsten Stern, ist eine ganze Reihe von Effekten und Einstellungen nur erreichbar, wenn man entweder über einen Computer geht, oder, und das wird die Regel sein, wenn man im Proberaum, Studio oder auf der Bühne ist, über die Handyapp. Die ist aber aus unerfindlichen Gründen nicht per Kabel ansprechbar, sondern nur über Bluetooth, was also zwingend notwendig ist, wenn das ME 90 professionell eingesetzt werden soll. Doch der Bluetooth-Adapter, ach, stimmt, hatte ich ja schon. Denn dritten Stern kostet die Idee, schwarze Knöpfe auf ein schwarzes Gerät zu setzen. Hat der Designer jemals auf einer schlecht beleuchteten Bühne gestanden, in einem Raum mit funzeliger Beleuchtung? Offensichtlich nicht. Stattdessen ist dem ME 90 eine affige, bunte Discobeleuchtung spendiert worden, die zeigen sollen, welche Effekte an sind. Abgesehen davon, dass sich immer mehrere Effekte eine Farbe teilen, kann sich doch niemand merken, was das alles heißen soll, vor allem nicht, bei einem schnellen Seitenblick beim Gig. Wer sich diese Features ausgedacht hat, sollte mit Schwarzwaldklinik nicht unter 100 Folgen bestraft werden. Völlig idiotisch ist auch der Wahn von Boss, der ME-Serie immer 36 unbrauchbare Presets einzuspeichern, statt den Raum für frei programmierbare Sounds zur Verfügung zu stellen. Davon gibt es nämlich nur 36, was je nach Einsatzart knapp sein kann. Doch es gibt auch gute Nachrichten. Zum einen lässt sich die Beleuchtung auf neutrales Weiß umschalten. Zum anderen: Das ME 90 ist gegenüber dem ME 80, das ich jetzt seit einigen Jahren eingesetzt habe, deutlich im Sound verbessert. Auch gibt es Effekte, wie zum Beispiel das Proco Rat als Verzerrungsmodell, die eine wirkliche Verbesserung darstellen. Dass der Sound dünn sein soll, wie einige schreiben, kann ich nicht feststellen. Allerdings braucht es schon einige Beschäftigung mit dem ME 90, um es zufriedenstellend einsetzen zu können. Doch dann, wenn es läuft, dann läuft es auch. Und bei welchem komplexeren Gerät ist das anders? Deshalb werde ich es wohl auch trotz aller Cons, über die ich mich immer wieder aufrege, wahrscheinlich behalten.