Praxis
Für die Soundfiles mikrofoniere ich den Nextone-Speaker zunächst mit einem AKG C414. Die Gitarren werden jeweils angegeben. Um einen Eindruck vom Grundsound zu bekommen, stelle ich die Ausgangsleistung der Endstufe auf den Maximalwert und fokussiere mich zunächst auf den reinen Ampsound mit nur einem Hauch Reverb.
Clean Channel
Zu Beginn hört ihr eine Maybach Les Paul und ich setze den EQ auf “American Tonestack”. Der cleane Sound wirkt extrem krisp und lebendig, wobei das Umschalten der Endstufentypen subtile, aber dennoch hörbare Klangveränderungen zutage fördert.
Der Speaker klingt angenehm offen und erinnert an traditionelle Fender-Sounds. Wer den Klang eines Blue Bulldog-Speakers kennt, der weiß um dessen ganz spezielle Charakteristik, die sich nur schwer mit typischen, cleanen Jensen-Modellen vergleichen lässt. Und den höre ich, ehrlich gesagt, auch beim eingebauten WAZA nicht wirklich heraus. In Kombination mit dem Cabinet kommt der Sound druckvoll und auch in puncto Lautstärke und Headroom liefert der Nextone Special genug Reserven, um auch bei lauten Gigs zu bestehen. Der Master-Regler hat neben der Bestimmung der Gesamtlautstärke auch jenseits der 12-Uhr-Marke einen leichten Einfluss auf den Zerrgrad, was man bei einer Röhrenendstufe ja ähnlich erwarten würde. Das typische Komprimieren und “Saggen” bleibt jedoch aus.
Dreht man das Volume-Poti weiter auf, fährt die cleane Vorstufe bereits in eine milde Zerre, so wie man das von niedrigwattigen Röhrenamps wie z.B. dem Fender Deluxe Reverb auch kennt. Die Betätigung des Headroom Schalters führt nicht zu außerordentlichen Veränderungen im Sound oder Spielgefühl, allerdings wirkt der Sound minimal offener und kommt mit etwas weniger Kompression daher. Twangige Funkriffs gehen dem Amp genauso mühelos von der Hand wie jazzige Neosoul-Phrasen oder typische Fender-Overdrive-Töne. Auch wenn der Nextone bei manchen Sounds doch noch spürbare Unterschiede zu einem Röhrenamp aufweist, lässt die Tube Logic-Technologie den Amp tatsächlich sehr authentisch und direkt wirken, wodurch er sich von seinem Verhalten, Klang und Spielgefühl her durchaus von herkömmlichen Transistoramps abhebt.
Clean – Mid Setting – alle Röhrentypen
Clean – Funky – Single Coils – Headroom Switch
Clean – Jazzy
Fender Crunch
Nun wechsele ich zum “British Tonestack” in der EQ-Section. Der erste Eindruck ist, dass die minimale und typisch fendrige Aushöhlung der Mittenfrequenz einer Vox-artigen Mittenbetonung weicht. Daher wähle ich nun auch die EL84 als Endstufenröhre und erhalte mit meinen Humbuckern einen typischen Vox-Sound. Der klassische britische “Chime” wird noch dadurch verstärkt, dass ich den Tone-Switch aktiviere, wodurch die Hochmitten und Höhen wesentlich klarer zum Vorschein kommen.
Vox Crunch – Tone Switch Off / Vox Crunch – Tone Switch On
Im folgenden ist der Lead-Channel an der Reihe, bei dem der EQ auf British steht. Diesmal zeigt das Wechseln des Röhrentypus deutlichere Klangunterschiede, wobei mich hier die EL34-Variante ganz klar am meisten überzeugt. Der Zerrkanal wirkt ebenfalls durchsetzungsfähig und zeigt ein ziemlich dynamisches Verhalten, kommt für mich klanglich jedoch nicht ganz an die Lebendigkeit des Clean-Channels mit seinen feinen Crunch-Abstufungen heran. Interessanterweise fällt das Nichtvorhandensein der Röhre für mich hier minimal stärker ins Gewicht und äußert sich in einer leicht fehlenden Tiefe. Nichtsdestotrotz klingen auch Low-Gain-Sounds musikalisch und die Umsetzung von dynamischen Nuancen und sensibler Fingerspielweise klappt hervorragend.
Lead – Mid Setting – alle Röhrentypen
Lead – Low Gain
Lead – Mid Gain – Marshall-like
Für High-Gain Metal-Sounds wähle ich ein Setting, wie man es z.B. von einem 5150 oder Rectifier erwarten würde, nämlich einen amerikanischen EQ, 6L6 Endstufenröhren und gescoopte Mitten. Kamen die britischen Classic-Rock-Sounds noch halbwegs authentisch rüber, überzeugen mich die Metalsounds hier nicht ganz, was einerseits mit der klanglichen Grundkonzeption, aber sicherlich auch mit der Wahl des Speakers zu tun hat. Die Zerrstruktur bricht in den Bässen etwas zusammen und wirkt zum “chuggen” etwas zu undefiniert. Letztendlich ist es jedoch schon eine reife Leistung, dass ein Amp mit einem bestimmten Speaker in der Lage ist, amerikanische Cleans, voxy Crunchs und britische Rockbretter abzuliefern.
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Lead – High Gain – Tone Switch On
Der Soloswitch fungiert hier als reiner Cleanboost, der auf Zerrung und Sound keinen Einfluss hat. In der Minimalstellung erhält man Unity Gain und das Level-Poti kann für Solopassagen noch einige dB oben drauflegen. Hier hört ihr den Unterschied zwischen dem ungeboosteten Grundsound und dem Soloswitch auf 12 Uhr.
Lead – Mid Gain – Solo Switch
Kommen wir nun zur Effektsektion, die sich am Amp zwar nur sehr rudimentär regeln lässt, im Editor jedoch für jeden Kanal unterschiedliche Einstellung mit deutlich mehr Parametern bereithält. Mein Tipp wäre hier definitiv, Grundsettings der jeweiligen Effekte am Rechner erstmal so zu tweaken, bis sie den Vorstellungen entsprechen, sodass man später nur noch die Intensität am Amp regeln muss.
Booster
Zur Auswahl stehen hier Clean, Mid, Vintage, Oct und Treble Boost, sowie Blues, Metal, Classic und Over Drive, wobei ab Werk pro Kanal jeweils ein anderes Modell festgelegt ist und die anderen im Editor angewählt werden können. Der Clean Boost ist hier der Vorstufe vorgeschaltet und hat dadurch natürlich auch Einfluss auf den Zerrgrad, der sehr transparent wirkt, wobei der Bluesdriver seine typische Mittencharakteristik mitbringt. Die anderen Booster bieten eine sehr breite Palette an Sounds, mit denen sich der cleane Ampsound nochmal ordentlich verbiegen lässt.
No Boost / Clean Boost / Blues Drive
Delay
Die Delay/Tremolosektion kommt in gewohnter Bossqualität. Wählt man den Tremoloeffekt, muss man zwar auf das Delay verzichten, aber der Nextone versteht sich auch nicht primär als Multieffekt-Modeller mit Effektsektion, sondern steht eher in der Tradition klassischer Ampmodelle, die damals ebenfalls mit Tremolos ausgestattet waren. In den Folgebeispielen hört ihr das Analogecho und mit dem SDE3000 eine Simulation des Roland-Klassikers von 1983, die noch einen Modulationseffekt mitbringt.
Analog Delay / SDE3000 plus Modulation
Reverb
Auch der Reverb überzeugt durch gute Klangqualität und eine üppige Auswahl an Reverb-Typen. Sowohl große Hallräume als auch geschmackvolle Federhall-Sounds sind mühelos umzusetzen.
Plate Reverb / Spring Reverb
Attenuator
Ein tolle Dreingabe ist der integrierte Attenuator, der eine relativ engmaschige Pegelung der Gesamtlautstärke erlaubt, ohne dass sich der Grundsound drastisch verändert. Die niedrigste Einstellung ermöglicht das Spielen in Zimmerlautstärke, wobei der Master-Regler hier auch noch großzügige Spielräume bietet.
Ihr hört dasselbe Riff in bei Einstellungen von Max, 60W, 40W, 20W und 0,5W.
Attenuator – not normalised
Line Out
Die Line-Outs sind mit Speakersimulationen belegt, die laut Website-Text auf Faltungsbasis beruhen. Die drei Settings, die rückseitig schaltbar sind, liefern sehr unterschiedliche, aber allesamt brauchbare Ergebnisse. Etwas schade finde ich, dass die Cabsimulation nicht gänzlich deaktivierbar ist und somit Spielraum für eigene IRs bietet, die man in der DAW lädt.