Wenn es orchestral wird, sind wohl wenige Bereiche so gut versorgt wie die Blechbläser. Kein Wunder, featuren doch aktuell alle großen Filme und Games nach wie vor massiv das Blech. Ohne geht es zurzeit einfach nicht und dementsprechend umfangreich ist auch das Angebot. Welche Libraries nun genau „die besten“ sind, hängt natürlich von Geschmack und Bedarf ab: Geht es um epischen Breitwand-Sound, exzessive Eingriffsmöglichkeiten, Artikulationen ohne Ende oder um experimentelle Techniken? Wir haben deshalb einmal sechs Sample-Libraries aus dem Angebot herausgegriffen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen für euch verglichen.
- Best Service Chris Hein Orchestral Brass Extended – Solide und schnell
- Native Instruments Symphony Series Brass Solo – ein netter Standard, klein und schnell
- Spitfire Audio Studio Brass Professional – reichhaltig, schlank und detailliert
- Vienna Symphonic Library Special Editions 1&2+ – Symphonische Profiliga, mehr Detail geht nicht
- Heavyocity Forzo – eine Hybridmaschine für epischen Bläsersound
- East West Hollywood Pop Brass – Licks und Phrasen in der Combo-Packung
Unsere Kandidaten kommen von den Herstellern Native Instruments, Spitfire Audio, Best Service, Heavyocity, EastWest und Vienna Symphonic Library. Neben einem kurzen Abriss der jeweiligen Library-Charakteristika interessiert uns auch die CPU-Auslastung. Zwar ist der Zeitaufwand zum Erstellen eines Demos auch ein interessanter Punkt, doch wird er in diesem Vergleich etwas vernachlässigt, da unser Stück dynamisch und artikulatorisch so bescheiden ausfiel, dass der Aufwand für jedes einzelne Demo 10 Minuten nicht überschritten hat. Damit ihr das klangliche Ergebnis der verschiedenen Libraries gut vergleichen könnt, war das Vorgehen stets dasselbe: ein Stück, wiedergegeben von fünf Libraries. Nur die gröbsten Schnitzer wurden ausgebügelt, Feinheiten im Programming fanden nicht statt. Es kamen außerdem keinerlei EQs oder Kompressoren zum Einsatz, lediglich das Panning, das mithilfe des Logic-internen Direction Mixers erfolgt. Die Räume wurden mit den internen Möglichkeiten der Libraries erstellt. Als Stück dient uns der Anfang der „Promenade“ aus den „Bildern einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky. Das Stück wurde eigentlich für Klavier geschrieben, existiert jedoch auch in einer Fassung für Orchester von Maurice Ravel. Dessen Version beginnt genau wie unsere mit einer Solotrompete. Wer also den ultimativen Reality-Check durchführen möchte, weiß jetzt, wonach er suchen muss.
Best Service Chris Hein Orchestral Brass Extended – Solide und schnell
Chris Heins Library bietet ein solides Artikulationsangebot und sticht insofern heraus, als dass sie Horn, Trompete und Posaune in drei Fassungen anbietet. Davon einmal abgesehen bleibt das Instrumentenangebot aber übersichtlich. Es gibt daneben noch eine Tuba, ein Euphonium und, nur in dieser Library zu finden, ein Sousaphon. Das GUI wirkt auf den ersten Blick etwas unübersichtlich, ist aber schnell zu begreifen. Klanglich ist die Library grundsolide – insgesamt zwar etwas scharf, aber durchaus episch im Ton. Für Film, Games und Werbung ist das auf jeden Fall interessant, gerade auch weil man nicht viel drehen muss, um gute Ergebnisse zu erzielen. Außerdem fällt mir positiv auf, dass alle Artikulationen per Anschlagsdynamik funktionieren, was zumindest mein Leben sehr erleichtert.
Chris Hein Orchestral Brass Extended – Pro und Contra
Positiv anzumerken sind auf jeden Fall der Klang, die Bearbeitungsmöglichkeiten, die dreifachen Instrumentenalternativen und, dass man zügig zu guten Ergebnissen kommt.
Ein wirkliches Contra gibt es nicht. Die erwähnte Schärfe im Ton ist leicht in den Griff zu kriegen und die Artikulationen sind fürs Tagesgeschäft absolut ausreichend. Schade finde ich, dass das Instrumentenangebot vergleichsweise bescheiden ist. Insbesondere beim sehr deutlichen Orchesterbezug des Librarynamens wäre ein wenig mehr nicht schlecht gewesen (z. B. Bassposaune, Wagnertuba, Piccolotrompete).
Chris Hein Orchestral Brass Extended eignet sich gut für…
…traditionelles, sattes Blech in Kombination mit einem zeitlich engen Produktionsrahmen – und hier wiederum besonders gut für den breitwandigen Sound, also für Film, Game oder Werbung.
Für dich ausgesucht
Chris Hein Orchestral Brass Extended eignet sich nicht so gut für…
…Experimentelles und das Nachbauen von klassischer Musik. In beiden Fällen reichen die Möglichkeiten der Library nicht ganz aus
- CPU Spitze: 189,9
- Straßenpreis: 399 €
Native Instruments Symphony Series Brass Solo – ein netter Standard, klein und schnell
Natives Brass Library bietet ausschließlich Standards: Trompete, Horn, Posaune, Tuba – fertig. Artikulatorisch bleibt sie im Mittelfeld: Es ist alles da, was man so braucht, aber nichts Exotisches, abgesehen von den FX-Patches. Da gibt es ein paar schöne Sachen zu entdecken. Nicht unbedingt, was zeitgenössische Techniken angeht, aber sich aufwärmende oder stimmende Bläser kann man als Sound-FX hier und da ja immer mal gebrauchen. Das GUI ist sehr einfach und selbsterklärend, außerdem gibt es vier Mikrofonsignale, mit denen man sich ratzfatz Räumlichkeiten jeder Art bauen kann. Dass die langen Artikulationen von der Anschlagsvelocity völlig unbeeindruckt bleiben, nervt hingegen. Klanglich finde ich die Library ganz okay. In meinen Ohren ist sie jedoch der schwächste unserer fünf Kandidaten. Dafür kostet sie am meisten.
Symphony Series Brass Solo – Pro und Contra
Auch hier kommt man schnell zu guten Ergebnissen – im Rahmen der Möglichkeiten dieser Library. Die Handhabung ist simpel und wenn man die Bläser nur zum Unterfüttern braucht, tut’s diese Library auf jeden Fall. Klanglich befindet sie sich wie gesagt eher im (beeindruckend teuren) unteren Mittelfeld. Die FX-Patches sind ein klares Plus, ebenso wie die grafische Aufbereitung. Räumlich bleiben durch die vier Mikrofone keine Wünsche offen, denn die Staffelung ist mit Close, Mid und Far sehr breit gefächert.
Symphony Series Brass Solo – eignet sich gut für…
…Standardfarben von Brass im Rahmen größerer Arrangements oder zum Anfüttern anderer Primärsounds sowie als Quelle ungewöhnlicher Sounds dank der FX-Patches.
Symphony Series Brass Solo – eignet sich nicht so gut für…
…Solopartien für Blechbläser oder prominentes episches Blech. Dafür klingt die Library einfach nicht satt genug. Auch als Standardlibrary ist Brass Solo mangels Instrumenten- und Artikulationsumfang nicht zu empfehlen.
- CPU Spitze: 52,2
- Straßenpreis: 499 €
Spitfire Audio Studio Brass Professional – reichhaltig, schlank und detailliert
Spitfires Studio Brass ist der zweite Teil der Studioserie und gleichzeitig eine satte Ansage. Das betrifft sowohl die Instrumente (17 Kontaktinstrumente, 11 reale Instrumente) als auch die Artikulationen (bis zu 20!). Hier ist so ziemlich alles zu finden, selbst Ausnahmen wie z. B. Bass Trompete, Cimbasso und Kontrabasstuba. Die gehören nicht unbedingt zum Orchesterstandard, sind in der Filmmusik aber durchaus immer mal wieder zu finden. Damit wäre auch die Stoßrichtung dieser Library geklärt. Der Sound ist schlank und intim und erinnert mich eher an hochwertiges TV als ans Cinemaxx 1. Bearbeitungsmöglichkeiten gibt es reichlich und mit sechs Mikrofonsignalen und zwei Stereomixen hat man räumlich-klanglich so ziemlich alle Optionen, die man braucht. Die Unterschiede bleiben dabei trotz allem eher subtil – es bleibt eben ein Studio und keine Konzerthalle. Diese Abbildung ist allerdings ausgesprochen realistisch und lebensnah. Unterm Strich ist diese Library bis jetzt der größte Allrounder von allen!
Studio Brass Professional – Pro und Contra
Klanglich finde ich diese Library sehr fein ausgewogen. Manchmal hätte ich gerne ein bisschen mehr Body, aber im Gesamtzusammenhang passt der schlanke Sound dann doch erstaunlich gut. Es sei denn, es soll überlebensgroß episch werden. Instrumentenangebot, Artikulationen, Bearbeitungsmöglichkeiten: Alles ist definitiv ein klares Pro, ebenso wie der Preis. Nervig finde ich das zu kleine GUI und die Tatsache, dass die langen Artikulationen dynamisch gefahren werden müssen und deren Default-Lautstärke ausgesprochen hoch ist.
Studio Brass Professional – eignet sich gut für…
…Produktionen, bei denen es schnell gehen muss und die einen schlanken, intimeren Sound gut vertragen. Für alles, was nicht überlebensgroß werden muss, sondern realistisch bleiben darf, ist diese Library als Standard ganz klar zu empfehlen.
Studio Brass Professional – eignet sich nicht so gut für…
…den ganz breiten, epischen Sound und Experimentelles.
- CPU Spitze: 66,4
- Straßenpreis: 399 €
Vienna Symphonic Library Special Editions 1&2+ – Symphonische Profiliga, mehr Detail geht nicht
VSL ist mit der Vision gestartet, ein Orchester virtuell verfügbar zu machen. Dieser Vision folgt die Firma aus Wien bis heute kompromisslos. Das bedeutet in der Konsequenz natürlich einen riesigen Instrumentenkatalog mit sehr vielen Artikulationen und Bearbeitungsmöglichkeiten. Außerdem, Stichwort Wandlungsfähigkeit, ist VSL dafür berüchtigt, seine Samples in räumlich komplett trockener Umgebung aufzunehmen. Diese Methode ist Fluch und Segen gleichermaßen. Die Wandlungsfähigkeit ist zwar absolut gegeben, aber auch sehr arbeitsintensiv. Dafür stehen die Samples in Sachen Detailtiefe allein auf weiter Flur. Die Special Editions gelten dabei als Appetizer, der vom gesamten Angebot ein bisschen was zur Verfügung stellt. Aber selbst dieses bisschen geht noch über den Instrumentenumfang aller anderen hier bisher vorgestellten Libraries hinaus. Allein das Kapitel „Tuba“ umfasst bei VSL z. B. Tuba, Kontrabasstuba, Wagnertuba, Euphonium und Cimbasso. Unter „Hörner“ warten zwei verschiedene Solohörnern, Hörner a4 und Hörner a8 auf einen. Da geht also eine ganze Menge.
Orchester Percussion Librarys im VergleichSpecial Editions 1&2 Plus – Pro und Contra
Detailversessenheit und Instrumentenangebot sind ein Segen und die Möglichkeiten, die Samples zu drehen und zu wenden sind sehr vielseitig. Auf der anderen Seite steht die absolut tote Aufnahmeumgebung. Für schnelle Ergebnisse ist das nicht von Nutzen und gerade die oft erwünschte Epik im Bereich Blech ist gar nicht mal so schnell hinzudrehen.
Special Editions 1&2 Plus – eignen sich gut für…
…klassisches Material mit realistischem Anspruch und ausgefeilte Produktionen, in denen ein klassisches Orchester möglichst lebensnah simuliert werden soll.
Special Editions 1&2 Plus – eignen sich nicht so gut für…
Leider eignet sich die Library nicht für Experimentelles, was gleichermaßen schade wie unverständlich ist, denn auch die Spieltechniken im klassischen Orchester haben sich im 20. Jahrhundert deutlich weiterentwickelt. Solche Techniken sucht man hier leider vergebens. Auch wenn es schnell gehen muss, oder ein explizit fetter, kommerzieller Sound gefragt ist, würde ich eher nicht zur VSL tendieren. Zwar lässt sich auch damit ein solides Ergebnis erzielen, es dauert aber einfach zu lange.
- CPU Spitze: 90,3
- Straßenpreis für beide Editions: 600 €
Heavyocity Forzo – eine Hybridmaschine für epischen Bläsersound
Heavyocity ist der exotische Ausreißer in unserem Vergleich, denn es handelt sich nicht um eine klassische Brass-Library, sondern um ein Hybridinstrument für fetten, cineastischen Brass-Sound. Das bedeutet zum einen, dass das Grundinstrumentarium mit Trompete, Horn, Posaune und Tuba absolut im Rahmen des Üblichen bleibt, andererseits sind diese Instrumente alle massiv chorisch besetzt. Die jeweiligen Instrumenten-Patches bestehen aus je 12 Hörnern, vier Trompeten, vier Posaunen und zwei Tuben. Unnötig zu sagen, dass einem alles im positiven Sinne um die Ohren fliegt, sobald man einen Ton anschlägt. Die Artikulationen sind eher bescheiden im Umfang, aber darum geht es hier auch nicht. Die traditionellen Bläserpatches sind eher Beiwerk. In dieser Library sind der Brass-Designer und der Loop-Designer entscheidend, Stichwort „Hybrid“. Beide halten ein riesiges Angebot von Presets bereit, die sofort einen überlebensgroßen, cineastischen Sound liefern. Von Realismus ist diese Library also extrem weit entfernt. Dafür klingt aber alles sofort fett.
Forzo Pro & Contra
Ein richtiges Pro und Contra kann ich hier nicht geben, denn Forzo folgt einer anderen Idee als die anderen hier getesteten Libraries. Insofern gibt es da nichts anzukreiden. Positiv zu erwähnen ist auf jeden Fall der unglaubliche Sound und, dass die paar gebotenen Artikulationen sehr gut klingen. Epischer geht’s nicht. In unserem Soundbeispiel sind im Fall von Forzo umgerechnet 12 Trompeten, 48 Hörner, 12 Posaunen und zwei Tuben am Werk. Das ist gleichermaßen amüsant wie auch irgendwie schwachsinnig, klingt aber fett.
Forzo eignet sich gut für…
…alles, was riesig, episch, sounddesignig, hybrid und fett werden muss: das ganz große Besteck für den ganz großen Teller!
Forzo eignet sich nicht so gut für…
…den nächsten Tatort, Kammermusik, realistische Darstellungen von Blechbläsern und als Brass-Library im eigentlichen Sinne.
- CPU Spitze: 85,4
- Straßenpreis: 319 €
East West Hollywood Pop Brass – Licks und Phrasen in der Combo-Packung
War Forzo noch der Exot unter den regulären Teilnehmern sind die Hollywood Pop Brass von East West der Gast, der spontan vorbeigekommen ist. Diese Library hat, wie der Name schon sagt, mit orchestralen Bläsern überhaupt nichts zu tun. Hier geht es um Farbe für alles, was im weitesten Sinne unter Pop verbucht wird. Daher gibt es, von legato, sustain und short einmal abgesehen, auch keine weiteren Artikulationen im klassischen Sinne, sondern Rips, Effects, Licks und Phrases. Die klingen auch ganz ordentlich, wenn auch etwas altmodisch und eher scharf als satt und warm. Aber hier und da lassen sie sich bestimmt gewinnbringend einsetzen. Dargereicht wird alles im hauseigenen, übersichtlich gestalteten East West Player inklusive Mixer und Player für Einstellungen in Sachen Reverb, Envelope und Performance. Leider gibt es die Instrumente (Trompete, Posaune, Saxophon) nicht als Einzelinstrumente, sondern nur als Combo. Zwar kann man bei manchen Artikulationen im Mixer auf die einzelnen Instrumente zugreifen bzw. lassen sich die Instrumente, die man nicht braucht, muten, doch klappt das bei den Licks und Phrasen nicht. Und auch bei den Signalen der Einzelinstrumente hört man links und rechts noch leise die anderen Instrumente im Hintergrund. Kurz und gut: Im Großen und Ganzen muss man sich nach dem Angebot der Library richten. Einen Bläsersatz zu schreiben und dann umzusetzen, ist mit den Pop Brass eher nicht zu machen, erst recht nicht im orchestralen Sinne.
Hollywood Pop Brass Pro & Contra
Unter Pro sind der übersichtliche Player sowie das reichhaltige Angebot an Licks und Phrasen zu verbuchen. Wenn man mal eine Nummer á la James Brown machen möchte, wird man dort mit Sicherheit fündig. Der etwas scharfe Sound kommt dem Pop definitiv entgegen. Das time-stretching der Phrasen bei verschiedenen Tempi ist auch sehr ordentlich.
Ein klares Contra für mich sind die fehlenden Einzelinstrumente. Dadurch taugt die Library im weitesten Sinne nur als hintergründiger Farbgeber und bleibt hinter den Möglichkeiten und Erfordernissen – auch hinter denen der Popmusik – zurück.
Hollywood Pop Brass eignet sich gut für…
…Farbtupfer für Popmusik im Sinne von älterem R&B und Soul. Und natürlich für alle anderen Musikgenres, die genau diese Art von Bläserfarben gebrauchen können.
Hollywood Pop Brass eignet sich nicht so gut für…
…ausgefeilte Bläserarrangements, einen satten Big-Band-Sound und orchestrale Musik.
Dafür mangelt es der Library zu sehr am Instrumenten- und Artikulationsangebot.
- CPU Spitze: 63,3
- Straßenpreis: 399 €