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Braucht man als Gitarrist teures Equipment?

Nie war es für uns Gitarristen einfacher, an erschwingliches Equipment zu kommen, das trotz Niedrigpreis grundlegende qualitative Standards erfüllt. Und zusätzlich bewegen wir uns in einem Markt, der preislich jeden noch so feinsten Zwischenschritt ermöglicht, wobei die Aussagen “billig ist schlecht” und “teuer ist gut” schon lange nicht mehr uneingeschränkt zutreffen.

(Bild: © shutterstock.com von Roman Voloshyn)
(Bild: © shutterstock.com von Roman Voloshyn)
Inhalte
  1. Arbeitskosten vs. Materialkosten
  2. Das qualitative Mindestmaß
  3. Die oberen Prozentpunkte sind besonders teuer
  4. Wie kommt der Ton in die Finger?
  5. Innovation ist ein Wert für sich
  6. Der Boutique- und Vintage-Markt
  7. Fazit


Während man heute zu einem sehr günstigen Kurs sehr brauchbare Instrumente ergattern kann, gibt es auf der anderen Seite Preise, die eher einem gewissen Nimbus entspringen, als dass sie die aktuelle Qualität des Produkts widerspiegeln. Discounterpreise auf der einen, aber Corksniffer-Boutique-Preise auf der anderen Seite scheinen beide Hochkonjunktur zu haben. Die Wahl fällt dem Käufer oft schwer, und auch wenn ich niemandem die Kaufentscheidungen abnehmen kann, möchte ich euch doch ein paar Gedanken zum Thema mitgeben, zum Teil durchaus auch persönlich und subjektiv.

Quick Facts:

  • Gespart werden kann entweder an den Produktions- oder den Materialkosten, manche Bauteile haben jedoch ihren Preis, und der ist überall ähnlich.
  • Das geeignete Instrument muss nicht das teuerste auf dem Markt sein, dennoch gibt es gewisse Mindestanforderungen, die meistens erst ab einer gewissen Preisgrenze erfüllt sind.
  • Der Unterschied zwischen sehr gut und exzellent muss meistens teuer erkauft werden, da ab einem gewissen Niveau der Preisanstieg drastisch ausfällt – bei Gitarren genauso wie bei Studioequipment.
  • Um eine gewisse Sensibilität für Musik zu entwickeln, benötigt man ein Instrument, das die Nuancen auch umsetzt und hörbar macht.
  • Jede Erfindung und Neuentwicklung ist ein Gut für sich, das man wertschätzen sollte, und das sich auch im Preis niederschlagen darf.
  • Nicht alles, was teuer oder alt ist, ist auch automatisch gut oder “vintage”

Arbeitskosten vs. Materialkosten

Wenn es um den Preis von Instrumenten und Gerätschaften geht, muss man sich klarmachen, dass es prinzipiell zwei Stellschrauben gibt, an denen sich sparen lässt: Materialkosten und Arbeits- bzw. Produktionskosten.
Die untere Grenze von Lohnkosten wird letztendlich nur durch die Moral des Arbeitgebers, die des Konsumenten und den Preisdruck von außen definiert. Viele Billiginstrumente stammen aus Fernost, wo ein niedrigeres Preisniveau umsetzbar ist. Meiner Erfahrung nach hat sich hier in den letzten Jahren qualitativ zwar einiges getan, aber dennoch unterliegen diese Instrumente oft einer sehr hohen Streuung und von tadelloser Arbeit bis zum vollkommenen Pfusch ist alles dabei. Das heißt nicht, dass auch Edelfirmen Fehler unterlaufen können, aber das statistische Mittel sieht hier sicherlich anders aus.
Wichtig bei der Preisgestaltung ist natürlich auch die Frage, um welche Firmengröße es sich handelt. Bei einem Betrieb, der nur aus einer Handvoll Leuten besteht, die alles manuell verdrahten, darf ein Amp sehr gerne 3000 Euro kosten, ohne dass man das Gefühl haben muss, über den Tisch gezogen zu werden, vorausgesetzt natürlich, der Amp klingt gut.
Ebenso kritisch ist der Wert der verwendeten Bauteile anzusehen. Auch wenn man bei billigen Tonhölzern durchaus Glück haben und ein gutklingendes Instrument unter Umständen zum Schnäppchenpreis ergattern kann, so gibt es Komponenten wie Amptrafos, Übertrager, Wandler, Prozessoren u.v.m., die schlichtweg ihren Preis haben, und der wird überall ähnlich sein.
Kalkuliert man beispielsweise für einen halbwegs hochwertigen Trafosatz eines Röhrenamps zirka 200 – 300 Euro, schlägt die restlichen Bauteile obendrauf, addiert die Lohnkosten und die Margen von Hersteller und Vertrieb, erkennt man schnell, was ein halbwegs vernünftiges Topteil kosten muss. Mit 400 Euro für einen kompletten Amp wird es damit verdammt eng.

Das qualitative Mindestmaß

Wenn man von “gutem Equipment” spricht, muss man natürlich zuerst einmal definieren, was mit “gut” eigentlich gemeint ist. Sowohl für den Musiker wie für den Zuhörer spielt der Sound eine maßgebende Rolle, wobei er von jedem ganz individuell und unterschiedlich wahrgenommen wird. Dazu kommt auf Spielerseite die Haptik, das Spielgefühl und damit letztendlich der Wohlfühlfaktor, der ebenfalls maßgeblich die Qualität einer Performance bestimmt. Darum fällt die Wahl eines Gitarristen nicht selten deshalb auf ein bestimmtes Instrument, weil es ihm das vertraute Gefühl vermittelt, es schon ewig zu spielen – preisliche Überlegungen sind dann eher sekundär.
Am Ende des Tages sucht man als Musiker ein Instrument, das sich gut anfühlt und auch gut klingt, und dafür muss es in der Regel einen gewissen Mindeststandard erfüllen, den jeder für sich ganz individuell definiert.
Es ist jedoch keinesfalls so, dass das teurere Equipment automatisch zum besten Resultat führt, dennoch wird kaum ein Profimusiker mit einer unmodifizierten 200-Euro-Gitarre dauerhaft auf die Bühne gehen. Dass aber eine Gitarre für 800 Euro genau so gute Dienste leistet wie das 4000 Euro teuere Designerstück ist durchaus vorstellbar. Bei Amps gilt das Gleiche: Beim Studiojob wird kein Produzent die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil ihr statt eines 3000-Euro-Boutique-Amps ein 1000-Euro-Marshalltop anschleppt. Bei einem 150-Euro-Digitalamp könnte das jedoch durchaus passieren.
In meiner Beobachtung gibt es für jedes Equipment, zumindest im Profibereich, eine Untergrenze, die qualitativ und damit auch preislich in aller Regel nicht unterschritten wird. Was darüber passiert, unterliegt oftmals subjektiven Kriterien.

Die oberen Prozentpunkte sind besonders teuer

Bei der Preis- und auch Qualitätsgestaltung muss man ebenfalls erkennen, dass sich ab einem gewissen Niveau auch die kleinste Verbesserung extrem im Preis bemerkbar macht. So lässt sich auch erklären, warum der Unterschied zwischen einer Gitarre für 100 Euro und einer für 250 Euro gigantisch sein kann, die Soundverbesserung der Customshop-Gitarre für 5000 Euro im Vergleich zum 1200-Euro-Serienmodell allerdings nicht gezwungenermaßen genau so deutlich ausfällt. Ähnlich verhält es sich bei Modellern, bei denen man im Bereich zwischen 300 und 1200 Euro jedes erdenkliche Produkt findet. Will man jedoch jenseits davon eine Liga höher einsteigen, ist man schnell beim doppelten Preis.

Wie kommt der Ton in die Finger?

Mantra-artig hört man den Satz: “Eddie Van Halen klingt aber auch über eine Billigklampfe wie Eddie!”. Ob er wirklich genauso klingt, wage ich zwar zu bezweifeln, aber die Kernaussage stimmt: Der Ton kommt aus den Fingern bzw. vielmehr aus der Vorstellung des Künstlers.
Trotzdem stellt sich die Frage – lässt man Endorsement-Politik und Werbeverträge mal außen vor – warum die großen Stars meist teures Equipment spielen. Klar ist, dass der Ton vieler Gitarristen sich über Jahre entwickelt, und zwar beim Spielen auf gutem Equipment, weil eine Gitarre mit hochwertigen Pickups und Hölzern über einen guten Amp bestimmte Details und Spielnuancen wie z.B. Dynamik und Differenziertheit viel besser wiedergeben kann. Hat man diese Erfahrungen auf einem guten Instrument einmal gemacht, lässt sich diese zumindest zum Teil auch auf ein Instrument mit niedriger Qualität übertragen.
Als Gitarrist sollte man primär seine Soundvorstellung im Kopf haben. Ist dies der Fall, so stellt sich nur noch die Frage, ob ein Instrument das eigene Spiel und die klangliche Vision unterstützt oder man gegen Hürden ankämpft. Natürlich wird Eddie auch auf einer Ramschgitarre toll spielen, aber die Frage ist, wie viel Energie er dafür aufwenden muss.

Innovation ist ein Wert für sich

Dieses Argument hört man sehr gerne im Pedalsegment: “Warum soll ich 250 Euro für einen Verzerrer zahlen, der nur 40 Euro Materialkosten hat”. Die Antwort lautet: Weil jedes Design und jede Entwicklung einen Wert besitzt, der über den reinen Materialwert hinausgeht. Sehr gerne wird unterschätzt, wie viel Zeit, Energie und Konzeptions- und Gedankenleistung in ein neues Produkt einfließen (und ich spreche hier nicht von Boutique-Herstellern, die den -zigsten Tubescreamer-Aufguss für 250 Euro anbieten!), bevor es das Licht der Welt erblickt.
Natürlich wird man sich früher oder später von jedem Klassiker einen Klon zum Materialpreis kaufen können, aber ich für meinen Teil möchte, dass es auch in der Zukunft noch Leo Fenders, Jim Marshalls oder Susumu Tamuras (der geistigen Vater des Tubescreamers) gibt, die innovativ und mit Risikobereitschaft den Markt und damit letztendlich auch die Soundlandschaft bereichern.

Der Boutique- und Vintage-Markt

Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass man durch die vielen günstigen Produkte, die man in den Händen hält, nach und nach auch ein Stück weit vom Klangeindruck höherwertiger Instrumente weg-erzogen wird. Umgibt man sich nur mit Gear aus dem Billigsektor und wird nach einer gewissen Zeit auf eine hochwertige Gitarre mit einem edlen Amp losgelassen, kann das schnell die Vertreibung aus dem Paradies bedeuten und zur Erkenntnis führen, warum gewisse Dinge eben das kosten was sie kosten.
Die Kehrseite dieses Phänomens nutzen manche Firmen, denn viele Käufer setzen hohe Preise automatisch mit hoher Qualität gleich. Und mit den vollkommen übertriebenen und albernen Preisen in Sammler- und Vintage-Kreisen möchte ich gar nicht erst anfangen – alt und vintage ist eben nicht dasselbe.
Und auch wenn es alte, wertvolle Vintage-Schätzchen gibt und viele Boutique-Hersteller zu Recht einen hervorragenden Ruf haben und phantastische Arbeit leisten, lautet mein Rat: Lasst euch von Ohr und Spielgefühl und nicht vom Preisschild lenken! Es ist nicht alles automatisch gut, nur weil es alt oder teuer ist!

Fazit

Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: Braucht man als Gitarrist teures Equipment? Wie wir gesehen haben, muss der Preis nicht unbedingt die Referenz sein, und der Wert einer Gitarre beispielsweise bemisst sich in erster Linie am subjektiven Empfinden des Spielers und daran, wie weit Gehör und Anspruch sensibilisiert sind. Und Letzteres ist ein kontinuierlicher Prozess.
Wer den Unterschied zwischen einem NOS-Bauteil gegenüber der Fließbandware nicht wahrnimmt, kann auch die billigere Variante wählen. Wer hingegen eine konkrete Erwartung hat, wird sich nicht eher zufrieden geben, bis er das geeignete Equipment gefunden hat – und das ist dann auch unabhängig vom Preis. Sätze wie “das klingt aber gut dafür, dass es nur X-Euro kostet” haben dann keine Bedeutung mehr. Entweder klingt es gut oder nicht, Punkt.

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