Der britische Autor Tony Parsons schrieb in seinem Roman „Als wir unsterblich waren“: „Musik ist nicht dazu da, die Welt zu retten. Musik ist dazu da, dir das Leben zu retten.“ Ich würde jetzt nicht so weit gehen zu behaupten, dass einem ein Mikrofon, wie das Brauner VMA, das Leben retten könnte, aber auf jeden Fall kann es das Leben eines Toningenieurs erleichtern und bereichern.
Ich kenne einige Vertreter der Audiozunft, die auf die berühmte Frage mit der einsamen Insel und den begrenzt mitnehmbaren Gegenständen auch „Brauner VMA“ antworten würden. Es gibt Mikrofone, denen ein Ruf voraus eilt, der in Stein gemeißelt ist – oder wie der „große Fußball-Philosph“ Marcel Reif einst (wenn auch in einem anderen Zusammenhang) sagte, „auf Büttenpapier geschrieben ist“. Was das Brauner VMA betrifft, so gilt dieses als besonders vielseitig, im Klang natürlich und charaktervoll zugleich und absolut edel. Doch was macht diese Hi-End-Flexibilität aus? Ganz emotionslos und vereinfacht auf den Punkt gebracht: Das VMA vereint zwei Mikros (nämlich VM1 und VMX) in einem. Durch einen Schalter wechselt man „einfach“ den Charakter. Klingt zuerst ein bisschen nach Mikrofon-Schizophrenie, Schallwandler-Jekyll&Hyde, Weder-Audio-Fisch-noch-Fleisch…? Nein, nein, keine Sorge, das VMA ist ein absolut eigenständiges Mikrofon, das eben „nur“ ein bisschen anpassungsfähiger als so manch anderes seiner Art ist.
Brauner-Mastermind Dirk Brauner hätte sich 1993, als er sich dazu entschloss, ein eigenes Röhrenmikrofon nach seinen Vorstellungen zu bauen, wohl auch nicht träumen lassen, dass er mal zu den Darlings der weltweiten Audioszene gehören würde – aber so ist es nun schon seit einiger Zeit. Was im niederrheinischen Hamminkeln begann, findet mittlerweile ein paar Kilometer weiter im beschaulichen Städtchen Rees statt, nämlich Mikrofonbau vom Feinsten. Sehr sympathisch finde ich auch, dass man sich selber als „Mikrofon-Manufaktur“ bezeichnet, denn hier ist Handarbeit wirklich das A und O. Und wer schon mal das Vergnügen hatte, Dirk Brauner kennenzulernen und sich mit ihm über seine Mikrofone unterhalten hat, weiß, dass Dirk über seine Kreationen in unnachahmlicher Weise wie über eigene Babies redet, voller Stolz und doch voller Ehrfurcht. Und so sind wir übrigens jetzt schon gespannt, was uns Brauner in diesem Jahr präsentieren wird. Auf der Homepage des Herstellers sieht man zur Zeit ein Banner mit der Aufschrift „Was hat Brauner 2012 vor? Eine Revolution! Ein neues Herzstück … in einem neuen Mikrofon!“ Zugegeben, das ist alles andere als Understatement. Da bin ich natürlich gespannt, aber ich habe auch Vertrauen, denn am Niederrhein weiß man, was man Mikrofon-technisch tut. Doch nun zurück zu unserem VMA. Wusste man auch da, was man tat, als…? Lest selbst…
Details
Großmembran-Schätzchen
Zugegeben, ein Schnäppchen ist das VMA mit einer UVP von schlappen 7000 Euro sicherlich nicht, aber der Preis sollte uns bei der Auswahl unseres Testfeldes an dieser Stelle ja glücklicherweise einmal nicht einschränken. Open End ist eben Open End! Bei einem solchen Wert setzt man natürlich auch eine entsprechende „Verpackung“ voraus, die dem Großmembran-Schätzchen samt Zubehör einen sicheren Schutz beim Transport oder einfach nur bei der Aufbewahrung bietet. Bei dieser Erwartung werden wir von Brauner auch nicht enttäuscht, denn das VMA kommt im ultrastabilen Alukoffer, der uns sehr an die Luxuskoffer von Rimowa erinnert – wer weiß, vielleicht ist der Koffer ja auch aus diesem Hause? Jedenfalls findet hier der komplette Lieferumfang in einer perfekt zugeschnittenen Schaumstoffeinlage Platz. Im Einzelnen wären das: das Mikrofon VMA, eine elastische Mikrofonaufhängung, ein passender Popschutz sowie das Speisenetzteil. Im Deckel des Koffers verbergen sich hinter einer arretierbaren Abdeckung noch ein Netzkabel sowie ein 7,5m langes 8-poliges “Vovox Tubelink”-Kabel, um das Mikrofon standesgemäß mit dem Netzteil zu verbinden. An dieser Stelle sei bemerkt, dass Vovox-Kabel zum Besten zählen, was der Markt in zu bieten hat und Brauner spendiert (fast) all seinen Mikros ein passendes Kabel dieses Schweizer Herstellers – das ist wirklich großartig.
Schlichte Eleganz und hochwertige Verarbeitung
Schauen wir uns zunächst das Mikrofon an, das Brauner-typisch mit einer schlichten Eleganz besticht. Das Gehäuse besteht aus einem Vollmetall-Zylinder und ist sehr hochwertig verarbeitet (wie übrigens alle Komponenten). Das obere Drittel des Mikros stellt der Mikrofonkorb dar, der aus einem soliden Drahtgeflecht gefertigt und von innen zusätzlich mit einem zweiten, feinmaschigeren Drahtgeflecht bedacht wurde. Hinter diesem Gitter sitzt gut geschützt und elastisch gelagert die Doppelgroßmembran-Kapsel. Am Boden des VMA wurde, plan abschliessend mit dem Gehäuse, die 8-polige Anschlussbuchse eingelassen. Schalter oder Regler sucht man an diesem Röhren-Mikrofonboliden vergeblich, sie befinden sich allesamt am Netzteil, das wir uns nachher noch genauer anschauen werden.
Die Spinne sorgt für bombenfesten Halt
Kommen wir nun zur Spinne, die aus einem äußeren Ring besteht, in dem über Gummibänder ein größerer Metallzylinder befestigt ist. An beiden Enden dieses Zylinders befinden sich drehbare Kunststoffringe, die über eine weiße Punkt-Markierung verfügen. Befinden sich diese beiden Punkte in einer Achse mit dem Brauner-Logo auf dem äußeren Ring, ist die Halterung geöffnet. Nun kann man das Mikrofon von unten in den inneren Metallzylinder schieben – mit leichten Drehbewegungen geht das auch sehr einfach. Steckt das Mikro dann komplett in der Spinne, dreht man den oberen Ring am Metallzylinder nach rechts und den unteren nach links – somit ist das VMA bombenfest arretiert und kann falls gewünscht auch bedenkenlos kopfüber eingesetzt werden.
Poppschutz mit exzellenten Filtereigenschaften
Der Vollständigkeit halber möchte ich den mitgelieferten Poppschutz natürlich nicht unerwähnt lassen, auch wenn wir bei unserem Testmarathon für alle Mikrofone den Pauly PR-120 benutzt haben, der absolut state-of-the-art ist, da er den Klang nicht verfälscht und trotzdem exzellente Filtereigenschaften besitzt. Sehr interessant fand ich übrigens auch, dass Brauner am 28.02.2012 eine Newsmeldung veröffentlichte, in der bekanntgegeben wurde, dass man gemeinsam mit PaulyTon einen Popp-Filter speziell für die eigene Mikrofonhalterung BMS2 der Mikros Phantom, Phanthera, Valvet und Valvet X entwickelt hat. Dieser Popp-Filter namens P120-VT entspricht eben dem Pauly PR-120. Nun aber zum Brauner-Schutz: Auch hier haben wir es mit einer Metallzylinderkonstruktion zu tun. In einem oberen und unteren Ring ist ein robustes Drahtgeflecht eingespannt, das zusätzlich von außen mit einer dünnen Akustikschaumstoff-Gaze ummantelt wurde. Am unteren Ring befinden sich zwei Metallstege, in die jeweils ein Gewinde für eine kleine Rändelschraube geschnitten wurden. Die Schrauben muss man entfernen und setzt dann die Stege von innen in den äußeren Ring der Spinne ein, wo sich wiederum zwei Gewinde befinden, die zusätzlich mit einem kleinen Gummipuffer ausgekleidet wurden. Nun schraubt man die beiden Rändelschrauben von außen in den Spinnen-Ring und fixiert somit den Poppschutz. Hier passt wirklich alles perfekt zusammen, Mikrofon in Spinne, Poppschutz an Spinne, und ganz nebenbei sieht das Gesamtgebilde nachher auch noch sehr stylish und wie aus einem Guss aus.
Netzteil mit vielfältigen Einstellmögichkeiten
Betrachten wir als nächstes das Netzteil, das in Kassettenbauweise daherkommt und somit im 19“/3HE-Rack verbaut werden kann. Auch hier ist die Verarbeitung des silbernen Vollmetallgehäuses wieder von allererster Güte. Auf der Vorderseite befindet sich ein verchromter Drehregler, mit dem die Richtcharakteristik des VMA stufenlos von Kugel (Linksanschlag), über Niere (Mittenstellung), bis zu Acht (Rechtsanschlag) eingestellt werden kann. Man kann die Richtwirkung übrigens auch im laufenden Betrieb ohne Störgeräusche regeln, je nach Größe der Änderung kann es durch entsprechende Lade- und Entladephasen jedoch etwas dauern (bis zu ca. 15 Sekunden), bis die gewählte Richtcharakteristik endgültig zur Verfügung steht. Nun kommen wir zu einer Besonderheit des VMA, denn eigentlich haben wir es hier ja mit zwei Mikrofonen in einem zu tun: Auf der Frontseite des Netzteils findet sich nämlich ein kleiner Kippschalter, der die Positionen „1“ und „2“ einnehmen kann. Hier lässt sich die Klangcharakteristik auswählen. „Klangcharakteristik…?“, höre ich nun den ein oder anderen erstaunt bis ungläubig fragen. Nun, es ist so, Brauner selbst unterteilt seine Mikrofone in zwei Klangcharaktere: Natürlich und charaktervoll. Am oberen Ende des natürlichen Produktportfolios thront das Brauner VM1, in der charaktervollen Liga ist es das VMX. Nun hat man sich gedacht, dass man diese beiden Mikrofoncharaktere auch in ein absolutes Flaggschiff packen könnte, et voilà, haben wir das VMA. Schalterstellung 1 entspricht also dem charaktervollen Klang des VMX und Position 2 dem VM1. Das klingt erst einmal ganz einfach, „wir packen mal eben zwei Mikros in eins rein“, ist es aber definitiv nicht. Der Hersteller selbst schreibt in seinem Manual: „Diese beiden Klangcharaktere in ein einziges Mikrofon zu integrieren, war eine große Herausforderung, welche von unseren Ingenieuren nicht etwa mit simplen Frequenzgang-Korrekturgliedern gelöst wurde. Im VMA befinden sich zwei komplette Signalwege, …“ Und ganz ehrlich, der einfache und sehr kompromissbehaftete Weg mit Korrekturgliedern hätte auch nicht zu Dirk Brauner und seinen Mannen gepasst. „Ganz oder gar nicht“, ist hier konsequenterweise eher die Devise. Das VM1 ist bekannt für seine sehr offene, verfärbungsfreie, eben natürliche Übertragung, wobei das VMX mit seinen leichten Betonungen in den oberen Mitten und Tiefen für einen Vintage-Charakter sorgen soll. Somit ist man mit dem VMA äußerst flexibel. Im Video haben wir übrigens fälschlicherweise gesagt, dass sich an der Stelle des Klangcharakteristik-Umschalters beim VM1- und VMX-Netzteil ein schaltbares Hochpassfilter befindet, es ist aber eine -10dB Dämpfung – wir hoffen, ihr verzeiht uns diesen Fauxpas, der sich im Eifer des Gefechts eingeschlichen hat. Komplettiert wird die Frontseite des Speisenetzteils durch eine Power-LED.
Auf der Rückseite finden sich der achtpolige Mic-Input, der 3-pol XLR-Ausgang, der Netzanschluss nebst Powerschalter und Sicherung sowie ein dreistufiger Ground-Lift-Schalter. Die obere Position (Soft Ground) legt die Masse an Pin 1 über einen Kondensator galvanisch getrennt auf Masse. In der mittleren Position (Ground Lift) wird die Masse an Pin 1 vollkommen erdfrei geschaltet. Und in der unteren Position (Hard Ground) liegt die Masse an Pin 1 auf dem Masse-Punkt der internen Schaltung. Ihr seht also, dass beim Brauner-Flaggschiff alles bis ins letzte durchdacht wurde, selbst die Erdfreischaltung.
Und wie üblich gibt es zum Ende der Details noch ein paar technische Daten vom Hersteller. Der Frequenzbereich beträgt 20 Hz – 22 kHz, die Empfindlichkeit 28 mV/Pa (@1kHz @1m), der Nennwiderstand 200 Ohm, das Eigenrauschen wird mit 83dB(A) (1Pa/1kHz, Niere) und der Grenzschalldruckpegel mit 142 dB(SPL) bei einer THD von 0,3%. So, das war´s. Oder wollt ihr etwa noch wissen, wie das Mikro klingt…? Also gut, bitte auf „Weiterlesen“ klicken und ab in die Praxis…
Andreas Klein sagt:
#1 - 03.01.2014 um 09:35 Uhr
Leider sind bei solchen Soundbeispielen immer schlechte Vokalisten zu hören, die weder gute Intonation noch Atemtechnik besitzen. Leider sind daher die akustischen Eindrücke nur mittelmässig. Bei solch hochkarätigen Mikrofonen sollten nur exzellente Musiker benutzt werden, damit man wirklich die Unterschiede hören kann.
Schade für die Mühe eines solchen Testes, der nicht aufschlüssig ist.Dr. A. Klein
Ultimo Productions
JSH HTMNN sagt:
#1.1 - 20.12.2016 um 11:52 Uhr
Bei solchen hochkarätigen Mikrofontests sollten nur exzellente User Kommentare zugelassen werden.
Antwort auf #1 von Andreas Klein
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenVasko Bulgarelli sagt:
#1.2 - 09.02.2019 um 12:53 Uhr
Sehr gute und wichtige Bemerkung Dr Klein.Bravo.
Antwort auf #1 von Andreas Klein
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