Praxis
Klangerzeugung
Das 256-stimmig polyphone Privia PX-850 beschränkt sich mit 18 Klangfarben auf das Wesentliche. Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den Stereo-Flügelklängen, bei denen die „Multi-Dimensional Morphing AiR“-Klangerzeugung zum Einsatz kommt. Dahinter verbirgt sich eine Kombination aus Samples und Modeling-Algorithmen. Auf diese Weise sollen unter anderem hörbare Sprünge zwischen den Velocity-Layern vermieden und ein natürlicherer Ausklang erreicht werden.
Piano Nr. 1 nennt sich „Concert Grand“ und gefällt mir recht gut. Es handelt sich um einen angenehmen, ausgewogenen Flügelklang, der sich sehr dynamisch spielen lässt und sich für viele Stilistiken eignet.
Der Grundklang ist aus den kleineren Privia-Modellen bekannt. Neben der bereits erwähnten „Hammer Response“ verfügen die Flügelklänge im PX-850 aber über Saiten- und Dämpferresonanzen, deren Intensität jeweils in vier Stufen regelbar ist, und eine Key-Off-Simulation. Die Gehäuse-Simulation erlaubt es, die Öffnung des Flügeldeckels in vier Stufen einzustellen – und zwar unabhängig von der Möglichkeit, den Deckel des PX-850 physisch zu öffnen. Die Key-Off-Simulation beeinflusst das Ausklingverhalten in Abhängigkeit von der Loslassgeschwindigkeit der Taste. Das sind deutlich mehr Einstellmöglichkeiten als etwa beim PX-350, das nur Hammer Response und Dämpferresonanz bietet.
Die Saitenresonanz simuliert das Mitschwingen von nicht angeschlagenen Saiten bei Benutzung des Haltepedals. Im nächsten Klangbeispiel ist das Concert Grand zunächst ohne und dann mit maximaler Saitenresonanz-Einstellung zu hören:
Einzig im Diskant gefällt mir der Flügelklang nicht so gut. Auch beim PX-350 fiel negativ auf, wie stark die Sample-Transposition anhand der Nebengeräusche zu hören ist, was in den hohen Lagen besonders stört. Dieses Problem hat das PX-850 leider auch.
Auch im Ausklang zeigt der Flügel leichte Schwächen gegenüber den weitaus teureren Konkurrenzmodellen. Trotz AiR-Technologie ist deutlich zu hören, wie die Samples geloopt und ausgeblendet werden.
Alles in allem macht das PX-850 in dieser Preisklasse aber einen soliden Eindruck und dürfte für die allermeisten Heimanwendungen absolut ausreichen. Diese leichten Schwächen stören nur geübte Ohren bei wirklich filigranen pianistischen Darbietungen und fallen nicht schwer ins Gewicht.
Die übrigen vier Flügelklänge decken verschiedene Klangcharakteristiken vom etwas gedeckteren „Classic Piano“ bis hin zum sehr knalligen „Modern Piano“ ab. Im nächsten Klangbeispiel hört ihr nacheinander das Concert Grand, Pop Grand, Classic Grand, Mellow Grand und Modern Grand.
Für dich ausgesucht
Die restlichen Klangfarben des PX-850 sind deutlich simpler ausgestattet. Hier findet man das übliche Digitalpiano-Spektrum: E-Pianos, Cembalo, Vibraphon, Streicher, Orgeln und Bass. Diese Klänge sind zwar eine willkommene Erweiterung, fallen aber gegenüber den Flügelklängen und auch gegenüber dem, was die Konkurrenz auf diesem Gebiet zu bieten hat, deutlich ab.
Vor allem die E-Pianos weisen heftige Sprünge zwischen den einzelnen Velocity-Layern auf:
Mit je vier Hall- und vier Choruseffekten können die Klänge verfeinert werden. Leider lassen sich die Effekte nicht weiter regeln – noch nicht einmal der Effektanteil ist einstellbar. Man kann lediglich zwischen den je vier Presets und der Stellung „aus“ wählen. Auch die Qualität der Effekte haut mich nicht vom Hocker, reicht aber für den Hausmusik-Alltag aus. Hier hört ihr die vier Chorus-Einstellungen anhand eines E-Pianos (aus / leichter Chorus / mittelstarker Chorus / tiefer Chorus / Flanger):
Tastatur
Die neue Tastatur, die Casio in den aktuellen Privia- und Celviano-Modellen verbaut, ist schon erstaunlich. Sie bietet eine angenehme Beschichtung und ein exzellentes Spielgefühl, wie man es sonst von deutlich teureren Instrumenten kennt. Wie wir seit dem Test des PX-350 wissen, ist sie zudem sehr kompakt und leicht – das spielt bei einem stationären Piano wie dem PX-850 aber natürlich keine vordergründige Rolle. Die Tasten sind deutlich, aber nicht zu schwer gewichtet und lassen sich dynamisch und ausdrucksstark bedienen. Auch das Repetitionsverhalten geht absolut in Ordnung. Die „Ivory Touch“-Beschichtung macht einen größeren Unterschied, als man meinen könnte: Verglichen mit gewöhnlichen Plastiktasten fühlen sich die Tasten viel organischer an und der Kontakt zum Instrument wirkt direkter. Auch mit den Beschichtungen der hochpreisigen Konkurrenz kann die Casio-Tastatur meiner Meinung nach mithalten. Insgesamt reicht die Tastatur nicht ganz an die aufwändigen Hammermechaniken der Spitzenmodelle der großen Hersteller heran. Viel fehlt aber nicht: In dieser Preisklasse braucht sie sich nicht zu verstecken und bietet ein recht authentisches Spielgefühl.
Bedienung
Da das PX-850 kein Display und nur wenige Bedientaster hat, gerät die Bedienung der Sonderfunktionen und das Einstellen versteckter Parameter bisweilen zum Geduldsspiel. Nur die allerwichtigsten Settings sind direkt über Knöpfe erreichbar. Über drei Taster können die Klänge Concert Grand, Modern Grand und E-Piano direkt angewählt werden. Die übrigen Sounds wählt man aus, indem man den Function-Taster gedrückt hält und bestimmte, entsprechend beschriftete Tasten der Klaviatur drückt. Auch viele andere Einstellungen, wie zum Beispiel die Auswahl der Effekte, werden auf diese Weise durchgeführt. Man kennt dieses Prinzip von vielen anderen Instrumenten ohne Display und es funktioniert auch recht gut, solange alle mit solchen Sonderfunktionen belegte Tasten auch entsprechend gekennzeichnet sind. Beim PX-850 gibt es aber zahlreiche Funktionen, die nirgendwo beschriftet sind und die man nur finden wird, wenn man die Bedienungsanleitung zur Hand nimmt. Nur die wichtigsten Sonderbelegungen der Klaviatur sind aufgedruckt. Zu den „versteckten“ Einstellungen zählen zum Beispiel die Transposition, das Mischungsverhältnis der beiden Layer-Sounds, die Brillanz, die Lautstärke des Metronoms und die Lade- und Speicherkommandos für den USB-Stick – also durchaus Dinge, die man häufiger mal braucht. Unmöglich, sich alle diese verborgenen Settings zu merken, und unverständlich, dass Casio einige Funktionen aufdruckt, andere aber nicht. Das ginge wirklich deutlich komfortabler.
Einstellungen, bei denen unterschiedliche Werte möglich sind, wie zum Beispiel die vier verschiedenen Stufen der Deckelöffnungs-Simulation, geben Feedback in Form von akustischen Signaltönen. Eine optische Rückmeldung über die gewählte Einstellung gibt es hingegen nicht. Hält man zum Beispiel den Function-Taster gedrückt und drückt dann den Taster ELEC PIANO, der in seiner Zweitfunktion für die Deckelöffnung zuständig ist, ertönt eine Reihe von Pieptönen, die Auskunft über den gewählten Wert geben. Das funktioniert nach folgendem Schema: Ein Ton = Deckel zu / zwei Töne = Deckel etwas geöffnet / drei Töne = Deckel ganz geöffnet / vier Töne = Deckel entfernt. Da muss man schon sehr genau hinhören. Fragt man sich später, welche Einstellung denn noch mal gewählt war, muss man die Bedienung erneut ausführen, weil das aktuelle Setting nirgends zu sehen ist. Das finde ich recht unpraktisch. Schon ein paar mehr LEDs auf dem Bedienfeld würden die Handhabung spürbar vereinfachen.
Songs und Aufnahmefunktionen
Unter den 60 Songs, die werksseitig im Speicher des PX-850 liegen, sind viele Klassiker der Klavierliteratur. Beim Abspielen dieser Songs kann man die linke oder die rechte Hand getrennt an- und abschalten, um sie separat zu üben. Zehn freie Speicherplätze können per USB-Datentransfer oder über einen USB-Stick mit weiteren Songs gefüllt werden. Auch die direkte Wiedergabe von MIDI-Files vom USB-Stick ist möglich, wobei das PX-850 natürlich nicht GM-kompatibel und 16-fach multitimbral ist und keine kompletten Arrangements mit Schlagzeug etc. abspielen kann. Audio-Files im WAV-Format lassen sich ebenfalls vom USB-Stick wiedergeben und man kann dazu auf der Tastatur spielen. Die Recording-Funktionen ermöglichen das Aufnehmen des eigenen Spiels entweder als MIDI-Daten in den internen Speicher oder auf dem USB-Stick oder direkt als Audio (WAV) auf dem Stick. Alle Klangbeispiele in diesem Test wurden mit der Audio-Aufnahmefunktion erstellt. Das ist sehr praktisch. Allerdings produziert die Audioaufnahme, die synchron mit dem ersten Tastendruck startet, bisweilen unschöne Knackser am Beginn der Files, so als würde die Aufnahme minimal zu spät starten (siehe Bild).