PRAXIS
Solo-Synthesizer
Die monophone Solo-Synthesizer-Sektion entspricht der des Schwestermodells XW-P1. Hier finden wir einen ausgewachsenen Synth mit bis zu 6 Oszillatoren bzw. Klangquellen vor. Die Synth-Oszillatoren 1 und 2 liefern jeweils eine von 766 Wellenformen. Darunter sind neben den Standards Sinus, Dreieck, Sägezahn, Rechteck und PWM auch zahlreiche Wellenformen von bekannten Größen der Synthesizer-Geschichte, unter anderem über 30 aus der Casio CZ-Serie. Für diese beiden Oszillatoren ist Pulsbreitenmodulation und für Oszillator 2 auch Oszillator-Sync verfügbar. Die nächsten beiden Oszillatoren können jeweils eine von 1.990 PCM-Wellenformen beisteuern. Neben Samples von Naturinstrumenten wie Klavier, Streichern und Gitarren finden sich hier auchn etliche Synth-Sounds, so dass diese beiden Oszillatoren durchaus auch bei der Programmierung von Synthesizer-Klängen nützlich sein können. Der fünfte Baustein ist ein Rauschgenerator. Block 6 wird vom externen Eingangssignal gebildet, wofür ein Pitch-Shifter zur Verfügung steht. Auf der Oszillator-Ebene gibt es für jeden Block ein einfaches, in 15 Stufen einstellbares Tiefpassfilter ohne Resonanz sowie Amp-, Filter- und Pitchhüllkurven. Global stehen 2 LFOs mit jeweils 8 Wellenformen zur Verfügung. Für den Gesamtsound kommen ein Multimode-Filter (3 Typen) mit Resonanz und eigener Hüllkurve sowie ein DSP-Effekt hinzu.
Der Solo-Synthesizer lässt sich über die Schieberegler recht komfortabel editieren. Fast alle Einstellungen sind schnell erreichbar und im Echtzeitzugriff. Oszillator-, Hüllkurven- und Filtereinstellungen lassen sich per Tastendruck aufrufen und liegen dann auf den Schiebereglern. Die Bedienung des Solo-Synths ist damit beim XW-G1 deutlich intuitiver und besser gelöst als beim Bruder XW-P1, wo man für viele Einstellungen in Menüs abtauchen muss. Vielleicht liegt es auch daran, dass mir der G1 mehr Spaß gemacht hat als sein Zwilling, obwohl er auf dem Papier weniger klangliche Möglichkeiten bietet.
Für ein Gerät in dieser Preisklasse ist die Solo-Synth-Abteilung ziemlich gut bestückt. Einiges bleibt im Dunkeln – so ist mir bis jetzt nicht endgültig klar, wo Samples zum Einsatz kommen. Die hohe Zahl der Synth-Wellenformen historischer Geräte deutet darauf hin, dass auch die Oszillatoren 1 und 2 zumindest teilweise auf Samples zurückgreifen. Allerdings bieten sie auch Pulsbreitenmodulation und Oszillator-Sync, was wiederum auf eine virtuell-analoge Technik schließen lässt. Auch bei Casio konnte man mir darauf keine wirklich überzeugende Antwort geben.
Wie dem auch sei – lassen wir den Sound des Solo-Synthesizers für sich sprechen. Der XW-G1 kann durchsetzungsfähige Lead-Sounds genauso liefern wie druckvolle Bässe. Er hat durchaus einen eigenständigen Charakter, der stets etwas rau und auf eine angenehme Weise ungehobelt ist. Der Sound des Solo-Synths liegt irgendwo zwischen virtuell-analog und Plastik-Trash und ist sicherlich nicht für jeden Geschmack etwas. Mir hat er aber Spaß gemacht. Hier hört ihr einige Beispiele von Presets der Solo-Synth-Sektion:
PCM-Klangfarben
Weiter geht’s mit der polyphonen PCM-Sektion. Hier müssen wir uns mit deutlich weniger Eingriffsmöglichkeiten in den Sound begnügen. Es gibt lediglich ein einfaches Filter ohne Resonanz, eine simple Amp-Hüllkurve und Vibrato. Die PCM-Klänge dienen nicht nur dem Spielen auf der Tastatur, sondern bilden auch die Grundlage für die Begleitspuren des Step-Sequenzers. Unter den 300 Presets finden wir zunächst zahlreiche Naturinstrumente wie Pianos, E-Pianos, Orgeln, Streicher und Gitarren. Diese sind leider qualitativ nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Die Samples sind kurz geloopt und lassen Ausdruckskraft und Charakter vermissen. Natürlich kann man von einem Instrument in dieser Preisklasse nicht erwarten, dass es mit den Keyboards der Top-Liga mithalten kann. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, etwas weniger Klänge anzubieten und dafür ein größeres Augenmerk auf die Qualität zu legen. Die folgenden Beispiele zeigen einige der Naturinstrumente des XW-G1.
Die PCM-Sektion kann aber auch Synth-Sounds liefern. Diese sind qualitativ deutlich besser als die Naturinstrumente und lassen sich gut verwenden. Neben Pads und Strings gibt es hier auch eine Reihe von Synth-Bässen und -Leads. Schade, dass man die nicht noch detaillierter editieren kann – vor allem ein resonanzfähiges Filter wäre hier manchmal eine echte Bereicherung!
Step-Sequenzer
Der Step-Sequenzer des XW-G1 ist vielseitig verwendbar und ein Highlight des Geräts. Er bietet neun Spuren und vier zusätzliche Controller-Tracks. Damit kann er nicht nur einfache Sequenzen abspielen, sondern auch wie eine Art Begleitautomatik arbeiten. Dank einer Key-Shift-Funktion lassen sich Patterns während des Spielens transponieren. Auch eine Verkettung von Patterns zu einem kompletten Song ist möglich. Selbstverständlich ist der Step-Sequenzer per MIDI-Clock synchronisierbar. Die Preset-Patterns machen Spaß und laden zu ausgedehnten Jamsessions ein. Die Bedienung des Step-Sequenzers erfolgt über die 16 Step-Buttons oberhalb der Fader sowie über die Part- und Step-Taster, mit denen die zu bearbeitende Spur und der Schritt ausgewählt werden. Natürlich ist die Programmierung einer kompletten Begleitung mit einem Step-Sequenzer eine ziemlich aufwändige Sache (vor allem die Programmierung tonaler Begleitspuren), aber der Sequenzer des XW-G1 ist mit allen Einstellmöglichkeiten ausgestattet, die man dafür brauchen könnte. Hier zeigt sich Casios Erfahrung im Bereich der Arranger-Keyboards.
Aber auch im Kleinen erweist sich der Step-Sequenzer als ein schönes Tool mit hohem Spaßfaktor. Da sich alle Bearbeitungen auch bei laufendem Sequenzer durchführen lassen, kann man Patterns langsam wachsen lassen und nach und nach zu einem Track zusammenbauen. Hier hört ihr drei Beispiele von Preset-Patterns, bei denen ich auch die Key-Shift-Funktion benutzt habe:
Arpeggiator und Phrasen-Sequenzer
Als “Groove Synthesizer” bietet der XW-G1 noch einige andere Werkzeuge für die Arbeit mit Loops und Phrasen. Der Arpeggiator ist gut ausgestattet und bietet 100 Preset-Patterns, unter denen sich neben den Standards zum Beispiel auch komplette Basslines befinden. Alle wichtigen Einstellmöglichkeiten wie Notenlänge, Anschlagstärke und Timing der einzelnen Steps sind vorhanden. Zur Speicherung von bearbeiteten Arpeggios stehen 100 User-Speicherplätze zur Verfügung. Der Phrasen-Sequenzer ermöglicht das Aufnehmen und Wiedergeben von Phrasen. Man kann eine Phrase einspielen und sie dann per Tastendruck triggern, wobei auch eine transponierte Wiedergabe möglich ist. Das macht Spaß und eignet sich hervorragend für Live-Performances.
Sample Looper
Looper sind ja als kreatives Tool für spontane Performances derzeit sehr in Mode. Der XW-G1 hat ebenfalls einen Sample-Looper an Bord, mit dem sich externe Signale (vom Mic- oder Inst-Eingang) oder auch das Ausgangssignal des Synths selbst per Overdubbing zu Loops schichten lassen. Der Clou an der Sache ist, dass sich das Resultat als Sample im Synthesizer-Speicher ablegen lässt. Dafür stehen zwar leider nur 10 Speicherplätze zur Verfügung, aber immerhin. Der XW-G1 wird dadurch zum Mini-Sampler. Leider ist der Speicher des Loopers mit maximal 9 Sekunden (42 kHz, mono) wirklich nicht besonders üppig ausgefallen. Zum kreativen Herumspielen taugt es aber allemal. Der Looper bietet verschiedene Aufnahmemodi. Darunter ist auch ein Modus, der Samples automatisch teilen kann, so dass man zum Beispiel schnell mehrere Drums aufnehmen kann. Auch für den Start der Aufnahme gibt es mehrere Möglichkeiten. Das Starten per Tastendruck ist ebenso möglich wie die Aufnahme beim Überschreiten eines einstellbaren Pegels am Eingang. Was bei der Arbeit mit dem Looper etwas stört, ist die sehr dürftige Ausstattung dieser Funktion mit Bedienelementen. Direkt auf dem Panel gibt es lediglich “Rec”- und “Play/Stop”-Knöpfe. Für alle weiteren Einstellungen muss man ins Menü, was vor allem bei dieser eigentlich so wunderbar spontanen Funktion den Workflow oft unterbricht.
Bedienung
Damit sind wir beim Stichwort Bedienung angekommen. Wie auch der Bruder XW-P1 lässt der XW-G1 hier ein paar Federn. Im Vergleich zum P1 erschließt sich der G1 zwar etwas schneller, weil die Struktur nicht ganz so verworren ist. Trotzdem ist die Bedienung oft hakelig und wenig intuitiv. Einige Funktionen sind nur in einem ganz bestimmten Modus verfügbar, und wenn man auf gut Glück an den Reglern dreht, passiert oft erstmal gar nichts. Für viele Einstellungen muss man dann doch in die Menüs abtauchen, wobei das recht kleine Display nicht gerade hilfreich ist. Vor allem für Einsteiger könnte das einen hohen Frustfaktor bedeuten. Der XW-G1 möchte ein Groove-Synth mit hohem Spaßfaktor und einer spontanen Echtzeit-Herangehensweise sein, ist es aber in der Praxis leider oft nicht. Allerdings gefällt mir die Bedienung der Synthesizer-Abteilung deutlich besser als beim XW-P1. Fast alle Synthese-Parameter lassen sich mit den Schiebereglern unkompliziert einstellen. Das ist ein Bedienkonzept, von dem auch der XW-P1 stark profitiert hätte. Schon beim XW-P1 habe ich das bisweilen verwirrende und nicht gerade toll übersetzte Handbuch kritisiert. Dies gilt leider auch für den XW-G1. Obwohl die Anleitung einen Einsteigerkurs beinhaltet, ist sie oft sehr technisch formuliert und vor allem für Anfänger die gerade ihre ersten Schritte mit einem Synthesizer tun, schwer verständlich. Die an vielen Stellen etwas unglückliche Übersetzung wirft zusätzliche Fragen auf.