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Chandler Germanium Compressor Test

Paisley

Sixties, we´re coming! Mental habe ich mich in das Swinging London der bunten Zeit zurückversetzt und denke mir: “We are alright!” Diese rudimentäre Aussage muss genauso als Grundstock für einen einfachen Text herhalten wie meine Stimme als Gesang und “E-Bass”. Die gute, alte Knüppelsterefonie (hart links und hart rechts) darf unter solchen Vorzeichen natürlich auch zum Einsatz kommen. Vor allem bei den Drumsounds kann ich mich nicht zu absoulter Authenzität hinreissen lassen, spätestens beim Aufzeichnen der Percussion und der Handclaps kommt aber dennoch ein echtes “Yeah”-Feeling auf. Ob es der Germanium-Kompressor schafft, durch Bearbeitung des Materials die 60er richtig lebendig werden zu lassen?

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Song “Alright!”

Zuallererst möchte ich jedoch ein wenig Kritik an den Äusserlichkeiten üben – positive wie negative: Das 19”-Gerät vermag durch seine hübschen Reglerkappen eine gehörige Vintage-Duftwolke zu versprühen, dieses gelbe Plastik ist einfach hervorragend und mutet sehr authentisch an! Die aschgrauen Miniaturausgaben wirken vielleicht etwas unterdimensioniert, ausserdem können sie das nur ausreichende haptische Erlebnis bei der Bedienung des Chandlers auch nicht sonderlich verbessern: Das bei handgearbeiteten Geräten wie diesem recht verbreitete “Eiern” der Drehregler ist wirklich immer unschön.

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Und wo wir hier gerade von Schönheit sprechen: Diese unfassbare Ellipse um “Drive” und “Feedback” ganz rechts würde auf jeder Hochschule für Industriedesign der westlichen Welt zum sofortigen Ausschluss eines Studenten führen, hätte er es nur gewagt, diese Frontplatte so auf Papier zu zeichnen! Sicher, es ist eine Kleinigkeit, aber sie zerstört meiner Ansicht nach das optische Gesamtbild. Pfui! Generell beschleicht mich der Verdacht, dass das amerikanische Unternehmen bei diesem Gerät Aussehen ganz weit unten auf der Liste hat – obgleich die EMI-Serie unfassbar gut aussieht!. Ich glaube natürlich nicht, dass alle mein Ästhetikempfinden teilen, vielleicht findet das ja doch jemand ganz schön. Zumindest an folgendem gibt es aber definitiv nichts zu deuteln: Dass “Comp Curve” und “Drive” mit Unterteilungsmarkierungen versehen sind, die man aufgrund der groben Rasterung überhaupt nicht anwählen kann, verwundert mich genauso wie das fast vollständige Fehlen einer Buchsenbeschriftung auf der Rückseite des Geräts und seines Netzteils. Sicher, mit minimalem Denkaufwand erkennt man die Funktion auch ohne Text, doch im dunklen Rack (mit einer Taschenlampe im Mund) möchte ich bitteschön das Ziel für den Stecker in meiner Hand lesen können, ohne groß nachdenken zu müssen. Das ist doch wohl nicht zuviel verlangt, oder? Ach ja: Das Kabel zur Spannungsversorgung sieht nicht sonderlich vertrauenserweckend aus, ich hatte zuerst gedacht, es hätte jemand aus Versehen ein selbstgelötetes Adapterkäbelchen im Produktkarton vergessen.

Wenn ich mich über solche Kleinigkeiten in einem Testbericht derart echauffiere, dann kann das doch wohl nur eines bedeuten: Es gibt sonst nicht so viel zu meckern! Euer anfänglicher Blick auf die Sternchenbewertung auf der Introseite wird euch schon klar verraten haben, dass dem auch tatsächlich so ist. Der Germanium Compressor klingt echt geil! Den Sommer-Sonnenbrillen-Die-Welt-Ist-In-Ordung-Song habe ich aus Signalen zusammengeschraubt, denen neben ihrer Attitüde eines gemeinsam ist: Sie sind allesamt durch den Chandler gelaufen, um dort mehr oder weniger stark komprimiert und gefärbt zu werden. Der Vergleich mit den “ungechandlerten” Signalen macht die Funktion des Germanium Compressors absolut deutlich, denn hier vermisst man Drive, Farbe, Kraft und Sex-Appeal.

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Song Germanium Song unbearbeitet

Anhand der Einzelsignale können wir uns die Funktionen und Soundunterschiede genauer zu Gemüte führen, erfahrungsgemäß eignen sich Drums dafür hervorragend. “Drums R Slow” und “Fast” zeigen – obwohl ohne Germaniumdiode im eigentlichen Kompressor – ganz deutlich die Stärke dieses Geräts: Der Sound wird neben den üblichen zeitabhängigen Verdichtungen mit leichter Zerrung “belebt”, in den beiden ersten Beispielen allerdings noch recht brav, sanft und zurückhaltend. Aber schon hier “atmen” die Drums hervorragend.

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Drums “R Slow” Drums “R Fast” Drums “Zener” Drums “Germanium Drive” Drums Feedback Drums bypass

Die Schaltung mit der Zener-Diode fällt vor allem durch ihr hartes Knee auf, damit bekommt man die “knalligsten” Sound hin. Bei “Germanium Drive” kommen “Dirty Comp” und “Germ Med” zum Einsatz, Drive und Feedback dürfen zeigen, was sie können. Mit hoher Ratio und mittleren Zeitwerten lässt es der Chandler ordentlich krachen. Der Release-Regler hat die Macht, die Drums richtig böse pumpen zu lassen. Hier hört ihr zudem besonders gut, wie unnachahmlich der trockene Rotz ist, der mit Germanium-Bauteilen erreicht werden kann. Durch diese Art der Zerrung werden die Signale nicht unbedingt voluminöser, bauchiger und breiter, sondern auf eine angenehme Art zweidimensional, ganz anders als etwa bei Röhrenkompressoren. Wer den Regler “Feedback” kennenlernen möchte, sollte sich das letzte Drumfile anhören, denn dort wird er von seinem Maximum auf Null zurückgedreht. Mit Feedback verschwindet auch der Pegel in der Bedeutungslosigkeit. Dies ist zwar technisch logisch, bedeutet aber, dass man im Umgang mit diesem Kompressor immer wieder auf Ausgleichslevelling angewiesen ist – und bei unvorsichtigem Umgang beim Bypass-Schalten möglicherweise mit enormen Pegelsprüngen konfrontiert wird. 

Die “spezifische Anreicherung” mit Zerrung durch den Kompressor lässt sich auch bei den Orgelbeispielen erkennen, allerdings zeigt sich hier, dass sich die Modi offensichtlich in erster Linie durch ihre Knees unterscheiden – und eine Hammond ist ja pegelmäßig recht konstant.

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Hammond bypass Hammond 1 Hammond 2 Vocalmix bypass Vocalmix soft comp Song Compressor Song Overdrive

Bei ansonsten gleichen Einstellungen ist bei 1 “Germ Med” und “clean”, bei 2 “Silicon Hard” und “dirty” ausgewählt. Ein Unterschied wie Tag und Nacht ist das nicht. Etwas deutlicher sind da schon die beiden Clavinet-Beispiele, denn hier wird im “clean”-Betrieb ausschliesslich von “R Soft” auf “Germ Med” umgeschaltet. Der Vocal-Mix macht deutlich, dass neben der Dynamikeinengung diese leichte Färbung auf allen Stimmen (dirty, Germ Med, Drive und FB auf 9) dafür sorgt, dass diese durchsetzungsfähiger sind und sich leichter im Mix positionieren lassen. Allerdings würde ich dieses Spielchen gerne noch weiter treiben können, um den Chandler etwas weniger als Pegelbearbeiter und mehr als Soundmacher einzusetzen. Wenn ihr nicht wisst, was ich meine: Dann hört euch bitte John Lennons Stimme in “I Am The Walrus” (The Beatles – Magical MysteryTour) an! Dieses Album wurde unter der Leitung von Produzenten-Ikone George Martin aufgenommen und ihr ahnt es vielleicht schon: Das Produktionsjahr ist 1967, das Studio natürlich jenes der EMI in der Abbey Road. Ja, das mit diesem Zebrastreifen vor der Tür…  Die Stimme bei diesem Lied mit dem verrückten Text ist so bearbeitet, wie man es manchmal braucht – ein wenig wie über den Kamm geblasen! Mein Wunsch wäre es, genau das mit dem Germanium Compressor auch tun zu können. Zwar schreiben Chandler im Handbuch von “eimerweise” Verzerrung im “dirty”-Modus, allerdings frage ich mich, ob da nicht vielleicht diese kleinen, bunten Plastikeimer gemeint sind, mit denen Kinder nur allzugern im Sandkasten herumspielen. Dabei gibt es doch so richtig schöne, große Eimer! Zur Verdeutlichung habe ich einen Verzerrer hervorgekramt, der mit einem Germaniumtransistor arbeitet und damit folgende Signale stark verzerrt: Clavinet (eine Oktave tiefer), Hammondorgel und die Stimme ab dem kleinen Stop in der Mitte. Bei aller Kraft durch die Verzerrung des Bodentreters fallen aber weitere Qualitäten des Chandlers auf. Selbst bei geringen Pegeln sind Brummen und Rauschen überhaupt kein Thema!

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