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Chandler Germanium Tone Control Test

Bedienbarkeit

Die Fehlersuche in einem großen Studio gehört leider zum Produktionsalltag. Manchmal sind es Patchkabel, Installationskabel oder ganze Geräte, die den Geist aufgeben, eigentlich hauptsächlich Routingfehler, denn flip-, reverse- und sonst wie verdrehbare Inline-Konsolen mit angeschlossener DAW sorgen gerne für ziemlich komplexe Signalwege.

Ich erinnere mich an meine Zeit als Supervisor am SAE Institute, zu der ich unter anderem die Aufgabe hatte, die faltigen, sorgenvollen Stirnpartien der Studenten durch Hilfestellung zu “beheben” und für entspannte Gesichter und ein Weiterkommen in der Aufgabe oder dem Recording zu sorgen. Fehlersuche beginnt mit den einfachsten Zusammenhängen, denn diese werden eben aufgrund ihrer Einfachheit oft vergessen. Die Frage “Sind alle Geräte auch eingeschaltet?” erscheint also nur auf den ersten Blick albern. Dummerweise macht der Tone Control es einem nicht gerade leicht: Man erkennt nicht, ob er angeschaltet ist. Im Ernst: Das ist dämlich! Zumindest eine Art von Innenbeleuchtung wäre doch wohl drin gewesen, denn bei Rack-Installationen wird man das mit einer Power-LED ausgestattete Netzteil sicher irgendwo verschwinden lassen wollen. Was soll das? Nicht nachgedacht? Zu „cool“ für eine simple Power-LED (oder meinetwegen: eine Retro-Birne) am schmucken Gehäuse? Schließlich möchte man nicht aufgrund der Temperatur auf der Frontplatte herumraten müssen, ob das Ding nun an ist oder nicht. Einen sehr merkwürdigen Workaround habe ich doch noch gefunden: Der Bypass für die aktiven EQs sorgt bei funktionierender Spannungsversorgung für ein leises Relais-Klacken aus dem Inneren. Übrigens finde ich auch nicht, dass man sich bei drei unterschiedlichen Buchsen für In, Out und Power sonderlich vertun könnte, doch trotzdem besitzt jedes vernünftige Gerät auf diesem Planeten eine Buchsenbeschriftung.

Generell gibt es zur Beschriftung etwas zu bemängeln: Die Markierungspunkte auf dem Gehäuse lassen sich bei den gerasterten Reglern nicht alle anwählen. Wozu gibt es dann diese Zwischenmarkierungen? Auch, dass die Markierungen bei den Frequenzen bis 5 Uhr gehen, obwohl der letzte anwählbare Wert bei 1 oder 3 Uhr liegt, ist mir ein wirkliches Rätsel. Versteht ihr das? Auch die Benennung der Skalen von -10 bis +10 ist reichlich obskur, wenn man bedenkt, dass der tatsächliche Regelbereich ungefähr +/-15 dB beträgt – respektive 0 bis 10 bei 0 bis +18 dB. Und wo ich gerade beim Kritisieren bin: Das “Manual” (eine DIN-A4-Zettelsammlung) verfügt leider nicht über technische Angaben, Signalflussdiagramme und dergleichen, die das Handling mit diesem Gerät erleichtern würden. Zugegeben: “Zahlenreiterei” scheint eine wirklich deutsche Eigenschaft zu sein, denn gerade bei einem Equalizer geht es ja in erster Linie um den Sound. Trotzdem wirkt mir das alles ein wenig zu “hausbacken”.

Im Bassbereich ist man dank des flexiblen Routings in der Lage, interessante Kurven zu generieren. Das tröstet über ein fehlendes Q hinweg. Wer einen Pultec-EQ nicht gewöhnt ist, wird ein wenig Einarbeitungszeit benötigen, aber ansonsten gibt es ja noch die Independent-Lösung. Auch hier wäre Klartext eigentlich angebrachter, denn “parallel” und “serial” verstünde nun wirklich jeder. Auf dem anderen Ende des Frequenzbandes hat man die Wahl zwischen Shelf- und Bell-Charakter. Dass der Bell keinen Q aufweist, ist aber in diesen Regionen zu verschmerzen, zudem gibt es generell große Überlappungsbereiche der Bänder zueinander. Auch Presence ist ein semiparametrisches Band. Für technische Cuts hätte man sicher oftmals gerne eine noch geringere Bandbreite, für Boosts ist die Güte aber generell sehr gut einsetzbar. Was für mich aber ein deutliches Problem bei der Arbeit mit diesem Gerät war, ist die Tatsache, dass die Mittenfrequenzrasterung sehr grob ist. Vor allem zwischen 1200 und 3300 Hz entsteht eine Lücke, die meiner Meinung nach viel zu groß ist. Gerade der Bereich dazwischen ist im Mix oftmals sehr kritisch, denn hier herrscht häufig ein regelrechter “Verteilungskampf” um Frequenzen zwischen Vocals, Snare, Gitarre und Attack der Bassdrum. Ein EQ, der hier fein arbeiten kann, ist für mich nicht nur “nice to have”, sondern essentiell. Und es wäre traurig, wenn man den Germanium nur to-tape zur Soundgestaltung benutzen würde und im Mix auf einen andern Equalizer zurückgreifen müsste.

Sound

Ihr glaubt wohl, dass ich mich jetzt so richtig in Rage geschrieben habe, was? Bei kleinen Kätzchen oder den eigenen Kindern ist es ja so: Egal, was sie anstellen, irgendwie kann man ihnen nicht so richtig böse sein. So auch beim Tone Control: Was nimmt man nicht alles für Extrawürste in Kauf… das Ding klingt einfach hervorragend! Nur bezieht sich die Sternchenbewertung nun einmal auf das gesamte Produkt, denn sonst wären dem Frequenzbieger seine fünf Sterne absolut sicher gewesen. Alleine mit Gain und Feedback hat man – wie auch bei allen anderen Germanium-Geräten Chandlers – einen hervorragenden Einfluss auf den Klangcharakter.

Audio Samples
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komplettes EQing Passive EQ boost Presence-Band Treble-Band Vergleich mit Digital-EQ

komplettes EQing: Feedback: 8, Independent-Schaltung, Thick Cut: 3 bei 30 Hz, Thick Boost mit Bell: 8 bei 70 Hz, Presence: +4 bei 1200 Hz, Treble mit Shelf: 5 bei 10 kHz

Der passive EQ ist wirklich beeindruckend, hat man seine Einstellung einmal gefunden, erkennt man, wie “cool” der Chandler mit tiefen Frequenzen jongliert. Auf Wunsch werden Signale bauchiger, aber nie schwammig, werden verhaltener, aber nie dünn. Die ständig vorhandene, sanfte Zerrung gibt jedem Signal den gewissen Hauch des antiken Sounds, dem so viele hinterher rennen. Auch wenn es nach schnöder Werbetextersprache klingt, ist der Begriff “Musikalität” hier definitiv angebracht. Allem, was ein wenig Patina oder sogar Rauheit vertragen kann, kann der Germanium gute Dienste leisten. Im mittleren und oberen Frequenzbereich geht es dann aber erst so richtig los: Vor allem Boosts sorgen mit leichter und spät einsetzender Verdichtung, sanfter Abrundung von Signalen und charaktervoller Hinzufügung von harmonischen Verzerrungen für ein wohliges Klangbild, dass sich seine Nische zwischen warmer Röhre und kaltem, modernem Transistorsound sucht. Hier zeigt sich ein Spulen-EQ in Höchstform, der Einsatz von “wohlwollenden” Germanium-Transistoren ist goldrichtig! Das mögliche Einsatzgebiet des EQs ist trotz oder gerade wegen seiner Exklusivität recht breit gestreut. Drums, akustische und elektrische Gitarren und Bässe können hervorragend bearbeitet werden. Ich bin aber vor allem begeistert, wie der Gesang auf Boosts reagiert und wie vor allem diese Signale im Höhenbereich britzeliger und prägnanter wirken, ohne jemals scharf zu sein und Zahnschmerzen zu verursachen. Klanglich ist das der vielleicht schönste EQ, mit dem ich jemals Vocals bearbeitet habe, doch dass die Frequenz-Rasterung offensichtlich von “Grobianen” festgelegt wurde, bereitet mir bei jeder Bedienung enorme Phantomschmerzen. Autsch. Mit diesem wundervoll klingenden EQ die Vocals bei 2000 Hz ein wenig pushen würde… – Au! Ehrlich: Ich könnte heulen! Wie schade! Baut diesen Equalizer mit feinerer Frequenzrasterung! Zumindest im Presence-Band – bitte!

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