Praxis
Soweit die Theorie. Aber wie klingt das Ganze denn jetzt überhaupt? Um es vorweg zu nehmen: Die kleine Rote klingt fantastisch. In meinem Proberaum habe ich die Nord C2 und meine Hammond A100 zusammen an mein Leslie 122 angeschlossen und verglichen. Ihr Grundsound ist direkter als bei der A100 und hat viel Bauch und Wärme. Die Lebendigkeit im Klang kommt durch die Details der Leakage-Noise und des Key-Clicks. Dieser klingt wie beim Vorbild bei jedem Tastenanschlag anders. Es ist mir tatsächlich gelungen, die Nord Orgel so einzustellen, dass sie – ohne Vibrato/Chorus – exakt klingt wie meine A100. Hören Sie sich mal das erste Audiobeispiel an. Unglaublich!
Schaltet man den Vibrato/Chorus-Effekt hinzu, fallen jedoch die ersten Unterschiede auf. Bei den Choruseinstellungen vermisse ich ein bisschen Höhenanhebung, wodurch der Sound weniger bissig ist. Den Effekten Chorus 1 und 2 fehlt es an Tiefe und Intensität. Dadurch klingt die Nord schmaler und kühler als die Hammond. Dieser Unterschied wird bei den Vibrato-Varianten noch deutlicher. Weil der Effekt nicht genug Tiefe besitzt, wird er nicht so intensiv wahrgenommen und klingt im Vergleich zum echten Scanner-Vibrato statischer.
Die Perkussion verstummt beim Legato-Spiel, wie man es gewohnt ist. Allerdings gibt es keine Velocity-Stufen, wodurch auch sie im direkten Vergleich etwas unnatürlich klingt.
Meine Erfahrung zeigt, dass ein guter Rotary-Effekt für einen authentischen Hammond-Sound wichtiger ist, als die Orgel selbst. Bei der Leslie-Simulation haben sich die Ingenieure von Clavia wirklich Mühe gegeben. Bei langsamer Geschwindigkeit klingt der Stereo-Effekt sehr breit und natürlich. Das Anlauf- und Abbremsverhalten ist beinahe identisch mit meinem 122er Leslie. Stellt man die Rotary-Control auf „Stop“, dann laufen die Rotoren brav bis zum Stillstand aus. Da das Horn bei einem Lesliekabinett nur auf einer Seite offen ist und nie an der gleichen Stelle stehen bleibt, kommt der Sound bei jedem Stopp aus einer anderen Richtung. So bleibt auch das virtuelle Leslie der C2 jedes Mal an einer anderen Position im Stereo-Panorama stehen. Wunderbar! In der Stellung „Fast“ fehlt der Simulation allerdings wortwörtlich die räumliche Tiefe eines echten Lesliekabinetts. Dennoch klingt die Leslie-Simulation sehr überzeugend, und man kann auf kleineren Bühnen seine alte Kommode ruhigen Gewissens zu Hause lassen. Auch zur Freude des Tontechnikers, der dann nur mit einem Stereo-Signal zurecht kommen muss.
Eine eindeutige Schwachstelle der C2 ist die Verzerrung. Im Vergleich mit dem echten Röhrenleslie klingt sie doch sehr kratzig und kalt.
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SPIELGEFÜHL/HANDLING
Als Problem bisheriger Hammond-Imitate fand ich die Tatsache, dass sie sich nie wie ein echtes Instrument angefühlt haben. Sie haben auf mein Spiel einfach nicht so reagiert, wie ich es von einer echten gewohnt war. Die Kombination der vielen gut umgesetzten Details in Sound und Spielverhalten mit den angenehm spielbaren Waterfall-Tastaturen sorgt bei der Nord C2 für ein sehr authentisches Spielgefühl. Da kommt richtig Spielfreude auf.
Diese wird allerdings durch die virtuellen Drawbars getrübt. Aufgrund der Taster und der konstanten Geschwindigkeit, mit der die Zugriegel digital „gezogen“ werden, sind Sweep-Effekte nur eingeschränkt möglich. WahWah-Effekte und plötzliches spontanes Umregistrieren während des Spiels sind gar nicht zu realisieren. Obwohl ich mich nach einer gewissen Einarbeitungsfase zwar daran gewöhnt habe, vermisse ich doch echte Zugriegel. Ansonsten geht die Bedienung der C2 sehr flüssig von der Hand. Alle Bedienelemente sind da, wo man sie bei einer B3 vorfindet. Durch die enge Anordnung der Taster kann man die Orgel während des Spiels auch mit einer Hand bedienen. Dies ist ein wichtiger Punkt, weil eine ständige und spontane Veränderung des Sounds ein großer Aspekt des Hammondspiels ist.
Leider ist für den Organisten auch die Schlepperei ein wichtiger Aspekt. 15,5kg der C2 im Vergleich zu ca. 100kg meiner umgebauten (!) A100 sind der Grund, weshalb mein altes Schmuckstück seit einem dreiviertel Jahr keine Bühne mehr gesehen hat. Dafür ist mir nicht nur mein Rücken, sondern auch meine Mitmusiker dankbar. Optional bietet Clavia für die Nord-Orgel ein passendes Softcase und ein ultraleichtes Aluminiumstativ an.
Das Delay lädt übrigens zum kreativen Experimentieren ein. Mit dem Vox Model und dem Synth Bass kann man der kleinen Roten sogar „clubbige“ Sounds entlocken. Das geht mit meiner A100 nicht.