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Clavia Nord Stage 88 Test

SOUNDS
Die Sounds des Nord Stage sind in 21 Blöcken organisiert. In diesen finden wir auch die werksseitig programmierten Preset-Sounds. Diese geraten allerdings schnell zur Nebensache, wenn man einmal damit angefangen hat, an den verschiedenen Parametern herumzuwerkeln. Die Oberflächen anderer Stagepianos verleiten ja grundsätzlich eher zum Preset-Spiel, da es meist zu umständlich ist, sich durch die Menus zu wuseln, um den “richtigen” Parameter ausfindig zu machen.  Das Besondere am Nord Stage ist, dass er mit relativ wenig gesampeltem Material auskommt. Dieses ist jedoch erstklassig.

Die Piano-Sounds klingen für ein digitales Instrument absolut hervorragend und setzen sich auch im Live-Betrieb gut durch. Dieser Meinung waren übrigens auch alle Live-Mixer, die bei meinen Auftritten für den “guten Ton” gesorgt haben. Verglichen mit den älteren Nord Elektro hat Clavia beim Stage durch die neuen gesampelten Steinway und Yamaha-Flügel  wirklich einen großen Schritt nach vorne gemacht. Die angebotenen Piano- und Rhodes-Sounds sind schon ohne Effekte gespielt sehr realistisch und schön. Fügt man dann noch die für Rhodes- oder Hammond-Sounds typischen Effekte hinzu, wird man mit Sounds für sämtliche Stilrichtungen belohnt.

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Steinway Yamaha C7 Upright Piano Electric Grand Rhodes MKI Wurlitzer Wurlitzer mit Effekten … im Mix

Die Orgel-Sounds klingen für eine Emulation hervorragend, und hat man zuvor noch nie mit den echten Zugriegeln einer B3 oder Ähnlichem gearbeitet, fällt auch die Umstellung auf die Up- und Down-Taster der einzelnen Bars nicht so schwer. Ist man das zielgerichtete Arbeiten mit echten Zugriegeln gewohnt, verliert man bei den leicht ansprechenden Tastern allerdings schnell die Kontrolle – das nervt besonders beim Live-Konzert. Einzelne Steps, rauf und runter registriert,  gelingt nur mit Übung und verlangt ein gezieltes und Staccato-artig kurzes “Tippen” auf den entsprechenden Button.

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Hammond Hammond mit Effekten I Hammond mit Effekten II

Was wäre eine B3-Emulation ohne Leslie und knackige Verzerrung? Genau, das wäre wie Deep Purple ohne Jon Lord und stattdessen mit Franz Lambert. Nun ist es immer wieder müßig, einen direkten Vergleich zu Röhrenverzerrung und fettem Leslie-Cabinet zu ziehen. Trotzdem: Spendiert man seinem Setup einen Röhren-Amp und ein Leslie (die gibt es ja bekanntermaßen inzwischen schon in recht handlichem Format), geht mit dem Nord Stage so richtig die Post ab.  Aber auch mit der angebotenen Emulation kann man gerade im Vergleich zu anderen Stagepianos richtig glänzen. Übertreibt man die Höhe des Drive-Levels nicht zu arg, lassen sich erstaunlich gute Ergebnisse erzielen. Bei voller Umdrehung bemerkt man dann aber schnell die nervtötenden Frequenzen und das Fehlen einer warmen Röhrenverzerrung. Das Rotieren des Leslie lässt sich mit dem Nord Stage sehr gut darstellen. Die Rotations-Geschwindigkeit lässt sich durch einen Button regulieren, kann aber auch auf einen Fußschalter geroutet werden. Des Weiteren lassen sich im Sound-Menu verschiedene Geschwindigkeiten wählen, um die An- und Ablaufzeit einzustellen.

Das Nord Stage bietet selbstverständlich auch die für eine Hammond typische Percussion. Und diese klingt tatsächlich wie beim Original und ist überdies mit der Möglichkeit der separaten Wahl von Volume, Decay und Harmonic ausgestattet. Leider kommt es beim Ein- und Ausschalten der Percussion zu einer für mich unerklärlichen Lautstärke-Differenz. Das nervt gerade im Live-Betrieb, da sich beim Ausschalten der Percussion die Lautstärke doch merklich erhöht. Sehr schön klingen auch die Chorus- und Vibrato-Einstellungen. Hier kann der Organist zwischen drei Vibrato- und drei Chorus-Effekten wählen. Eine weitere sehr einfallsreiche Funktion ist die so genannte “Preset II”-Funktion der Organ-Sektion. Sie erlaubt es dem Organisten, innerhalb eines Sound-Programms zwischen zwei frei programmierbaren Orgel-Registrierungen zu switchen. Nehme ich die Panel-Funktion hinzu, kommt man bei Bedarf auf vier verschiedene Registrierungen innerhalb eines Sound-Programms. Das sollte in jedem Fall für einen Song reichen!

Das Angebot der Synth-Sounds ist für ein Stagepiano recht vielfältig. Mehr noch, im Nord Stage ist ein kompletter Synthesizer mit drei verschieden Synthesemöglichkeiten integriert, der laut Angaben des Herstellers extra für das Nord Stage konzipiert wurde. Dieser hat mich echt begeistert. Die Sounds klingen alle sehr gut und man hat nie das Gefühl, das mit den Preset-Sounds das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Auf gut deutsch: viel besser geht es nicht!

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Das Panel für die Synthie-Parameter ist überschaubar klein und lädt zum intuitiven Schrauben ein. Das nimmt besonders dem Nicht-Synthesizerfreak die Angst vor der manchmal überwältigenden Vielzahl von Einstellungsmöglichkeiten großer, komplizierter Synthesizer, bei denen man als Nicht-Eingeweihter oftmals den Überblick verliert, welcher Parameter nun zu welchem Ergebnis geführt hat. Nicht selten kam bei mir am Ende einer Schrauber-Session mit einem Waldorf “Wave”  nur noch Müll aus der teuren Abhöre, und ich konnte nicht einmal sagen warum. Das Nord Stage zeigt hier erfreulicherweise, dass man mit wenig Mitteln eine Menge erreichen kann. Fügt man zu seinem Sound dann noch die sehr gut klingenden Effekte hinzu, ist man für die meisten Aufgaben im Live- und Session-Bereich sehr gut gerüstet.

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Pad

Von großem Vorteil ist, dass die Instrumenten-Sektionen ihre eigenen Stimmen haben, deren Anzahl festgelegt ist. Daher kommt es bei Layer-Sounds zu keinem “Stimmenklau” zwischen den Sound-Sektionen. Der Nord Stage verzichtet im Gegensatz zur Konkurrenz sowohl auf gesampelte Brass-, Mallet- und Drum-Sounds, etc. sowie auf einen Sequenzer. Damit kann ich bei einem Stagepiano gut leben. Hier geht es eher um Qualität als um Quantität. Ich vermisse lediglich ein Paar richtig weiche, samtige Pad-Sounds à la Waldorf oder einen seidigen Streicher-Sound zum Layern. Durch die “Extern”-Sektion des Nord Stage lässt sich dieses Manko jedoch ausgleichen, denn auf diesem Wege kann per MIDI ein externes Modul angeschlossen und durch den Nord Stage angesteuert werden.

Anfang 2008 hatte ich das Vergnügen, mit dem Nord Stage auf Tour zu gehen und das Instrument ausgiebig auf seine Live-Tauglichkeit zu testen. Die musikalische Richtung der Tour “Barra da Tijuca”, das Soloprojekt des Gitarristen Matt Röhr, war wie geschaffen für den Nord Stage 88 –  rockige Piano- und B3-Sounds sowie die ganze Palette klassischer Rhodes-Klänge. Da die gleichnamige Studio-CD in den legendären AR-Studios in Rio mit den Original-Instrumenten eingespielt wurde, habe ich ein Instrument gesucht und gefunden, welches diesen Soundansprüchen gerecht wird, ohne die ganze Batterie der Original-Instrumente mitschleppen zu müssen –  was im Übrigen auch das Platzangebot der Clubtour gesprengt hätte.

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Das Setup bestand neben dem Nord Stage 88 aus einem Fender Twin und einer zusätzlichen MIDI-Tastatur. Der Nord Stage besitzt zwar eine mehrfache Splitfunktion der Tastatur, diese geht aber auf Kosten des Tonumfangs der einzelnen Sounds. Mit der so genannten Panel-Funktion lassen sich einfach Sound-Setups über einen vorher definierten MIDI-Kanal auf die verschiedenen Tastaturen routen. So behalte ich z.B. auf der Haupttastatur des Nord Stage den vollen Umfang der Tastatur und habe aber dennoch die Möglichkeit, einen Solo-Sound über die Zusatztastatur zu spielen. Ein solider Gitarren Marshall-Footswitch kam zum Einsatz, um die Rotoremulation ein- bzw. auszuschalten. Als Organ-Swell konnte ich ein solides Ernie Ball Volume-Pedal verwenden, da man im System-Menu des Stage 88 einige gängige Pedaltypen definieren kann. Durch die “Preset II”-Funktionstaste konnte ich in der Organ-Sektion darüber hinaus zwischen zwei Organ-Sounds switchen. In der Praxis habe ich beispielsweise einen Solo-Sound auf die MIDI-Tastatur gelegt und hatte für die Akkordbegleitung noch zwei unterschiedliche Organ-Sounds zur Verfügung.

Neben der normalen Programm-Funktion, welche die Sound-Settings für beide Panels, also insgesamt bis zu sechs Instrumenten-Sounds und den dazu gehörigen Effekten, Splittings etc. speichert, stehen beim Nord Stage zusätzlich noch zwei grau eingefärbte “Live”-Programmtaster zur Verfügung. Aktiviert man einen dieser Buttons, werden sämtliche Veränderungen an dem momentanen Sound automatisch und ohne weiteren Eingriff gespeichert. Das ist nicht nur im Live-Betrieb nützlich, wenn es darum geht, mal schnell einen anderen Sound abzurufen, sondern eignet sich besonders für das Arbeiten bei Band-Proben oder beim Erstellen der gewünschten Sounds zu Hause. Gespeichert wird immer der letzte aktuelle Stand des Programmier-Prozesses. Dieser bleibt auch im Geräte-Buffer, sollte das Instrument ausgeschaltet werden. Ist man schließlich mit einem Setting zufrieden, kann es dann sehr einfach auf einen “normalen” Programmspeicher übertragen werden.

Kommentieren
Profilbild von Frida

Frida sagt:

#1 - 10.04.2013 um 18:58 Uhr

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Vielen Dank für den Bericht!
Ich habe nun die Möglichkeit ein gebrauchtes Nord Stage zu kaufen. Wie ist es nun mit den Tasten? Halten die über eine längere Zeit?Vielen DankFrida

Profilbild von Lasse Eilers (bonedo)

Lasse Eilers (bonedo) sagt:

#2 - 11.04.2013 um 20:05 Uhr

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Liebe Frida, das Nord Stage zeichnet sich durch eine rundum hochwertige Verarbeitung aus - besser als bei den meisten anderen aktuellen Instrumenten. Wenn beim Antesten alles geht, ist also auch nicht damit zu rechnen, dass es in der nächsten Zeit kaputt geht. Viel Spaß damit! Viele Grüße, Lasse

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