Die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus, werfen einige Fragen und auch Unsicherheiten auf. Viele Musiker wissen nicht, welche Ansprüche wo geltend gemacht werden können und wie ihre rechtliche Situation in Bezug auf die freiberufliche Tätigkeit als Instrumentallehrer oder spielender Musiker ist.
Aus diesem Grund haben wir Rechtsanwalt Rainer Rothmund aufgesucht, Rechtsberatung des Bayrischen Tonkünstlerverbandes, um gewisse Kernfragen rund um die momentane Situation zu klären.
Grundlegendes lässt sich schon jetzt sagen, habt jedoch bitte Verständnis dafür, dass noch nicht alles abschließend geregelt ist und auch ständige Updates berücksichtigt werden sollten.
Herr Rothmund, Sie sind die Rechtsberatung des bayrischen Tonkünstlerverbandes. Wie sieht ihre Form der Tätigkeit dort aus und wie läuft es in der Regel ab, wenn ein Musiker eine konkrete Frage bzw. Problem hat?
Die Erstberatung findet für Mitglieder des Tonkünstlerverbandes kostenlos statt. Anfragen sollten per Mail an mich geschickt werden, da der Betroffene sich hierdurch zwingt, sein Problem erst einmal konkret auszuformulieren. Diese Fragen werden in der Regel sofort, meist noch am selben Tag, beantwortet. Falls die Sachlage umfangreicher ist, sollte ein Telefontermin vereinbart werden, und in seltenen Fällen muss derjenige tatsächlich in die Kanzlei kommen, da es sich ja nur um eine Erstberatung handelt. Erst wenn eine größere Problematik daraus erwächst, muss entweder ich oder der Anwalt vor Ort beauftragt werden. Die meisten haben jedoch nur spezielle Fragen, die man schnell beantworten kann, zu Prozessen kommt es eher selten. Urheberrechtliche Fragen können allerdings komplexer sein, und hier reicht es häufig nicht, nur den Gesetzestext zu lesen, sondern man muss auch tiefer in die Kommentare.
Wie sieht es in der momentanen Situation aus, wenn ich als freiberuflicher Musiker aufgrund der Corona-Situation Dienstausfälle beklagen muss? Wer kann hier konkret finanzielle Hilfe bieten? Die GVL bietet einmalig 250 Euro, aber gibt es darüber hinaus weitere Unterstützung?
In Bayern gibt es relativ aktuell ein Sofortprogramm des bayrischen Staates, aufgrund dessen man einen Antrag auf Soforthilfe bei der zuständigen Bezirksregierung stellen kann.
Diese Antragsformulare kann man im Internet abrufen, sie sind relativ einfach und übersichtlich gestaltet und geben sich extrem unbürokratisch. Der Einzelunternehmer, wie z.B. Musiklehrer oder Musiker, kann eine sofortige Unterstützung bis zu 5.000 Euro erhalten. Hierzu muss er versichern, dass er sich in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation befindet und einen Liquiditätsengpass hat. Man muss in der Tat respektvoll anerkennen, dass diese Sofortmaßnahme vom Gesetzgeber blitzschnell aufgelegt wurde und zwar inklusive verständlicher Formulare und einem Mindestmaß an Bürokratie.
Später wird noch vom Bund eine Hilfsmaßnahme kommen, wobei hier jedoch noch nichts Konkretes vorliegt. Darüber hinaus werden auch Institutionen unterstützt, sodass es in Einzelfällen zu Fortzahlungen kommen kann.
Da wir mit der zuständigen Rechtsberatung des bayrischen Tonkünstlerverbandes gesprochen haben, können wir hier noch keine bundesweiten Aussagen treffen. Wie die Situation in anderen Bundesländern ist, sollte beim jeweiligen Bezirk erfragt werden.
Viele Musiker arbeiten auch auf Basis von mündlichen Absprachen. Empfehlen Sie hier eine genaue Dokumentation oder das Nachfordern von Verträgen?
Auf jeden Fall macht es Sinn, seine Ausfälle sehr gut zu dokumentieren. Auch eine mündliche Vereinbarung ist ja ein wirksamer Vertrag, und wenn der praktiziert wird, z.B. im Falle eines Unterrichts, dann dokumentiert sich, dass ein Vertragsverhältnis wirksam besteht. Wenn dann Corona-bedingte Ausfälle entstehen, sollte ich schriftlich etwas vorlegen können.
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Haben Künstler einen Anspruch auf Gage, wenn ein Konzert aufgrund behördlicher Anordnungen abgesagt wird?
Nein, ein Anspruch besteht nicht.
Gibt es für Selbständige, Honorarkräfte, z.B. an privaten Musikschulen ein Recht auf Lohnfortzahlungen?
Nein, leider nicht! Die Lehrer haben auch gegenüber dem Schüler keinen Anspruch auf Vergütung. Andersherum hat der Schüler allerdings auch keinen Anspruch auf die Nachholung des Unterrichts.
Wie sieht es im Angestelltenverhältnis aus?
Der Arbeitgeber muss den Lohn für 6 Wochen weiterzahlen, hat dann aber einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem Land, der bei der jeweils örtlich zuständigen Bezirksregierung geltend zu machen ist.
Trifft hier der Ausdruck “Höhere Gewalt”?
Ja, man spricht hier juristisch von dem Ausdruck der “objektiven Unmöglichkeit”, sprich, ich möchte Musikunterricht geben, kann es jedoch nicht, ohne dies verschuldet zu habe. Der Schüler hingegen würde gerne Unterricht in Anspruch nehmen, kann dies aber auch nicht, weil er daheim bleiben muss. Dadurch entfällt Leistung und Gegenleistung, sodass auch keine Schadensersatzansprüche daraus entstehen.
Der Staat bietet auch die Möglichkeiten von Steuerstundungen. Was muss ich hierfür beachten?
Das ist alles noch brandneu. Den Antrag muss ich jedoch bei meinem zuständigen Finanzamt stellen und dort meine Situation schildern. Auch hier gilt: Die Dokumentation über das Ausmaß des Verlustes ist hilfreich.
Man liest oft, dass es sich empfiehlt, bei der Künstlersozialkasse sein voraussichtliches Jahreseinkommen nach unten zu berichtigen, um seine laufenden Kosten gering zu halten. Kann dies Konsequenzen auf die Unterstützung haben?
Die Korrektur nach unten macht in jedem Fall Sinn und wird sich auch definitiv nicht negativ auf die Unterstützung durch die Sofortprogramme auswirken. Man muss auch nicht in der KSK sein, um Anspruch auf die Unterstützung zu bekommen.
Viele Musiker haben auch berufliche Mischverhältnisse, d.h., sie sind für ein paar Stunden an der Musikschule angestellt und arbeiten aber auch freiberuflich. Freiberufler können sich nicht arbeitslos melden, aber für den Teil des Angestelltenverhältnisses kann man auf Basis des Bruttolohnes Arbeitslosengeld beantragen.
Haben ausländische Musiker mit Gastverträgen auch Anspruch auf Unterstützung?
Wenn die Gastmusiker in Deutschland eine Arbeitserlaubnis haben und hier Umsatz generieren, müssten sie auch berücksichtigt werden, da sie ja auch hier ihre Steuern und Abgaben entrichten.
Dürfte man als Lehrer rein theoretisch aus Selbstschutz den Unterricht einstellen?
Da muss man genauer hinschauen. Der Schüler will Unterricht haben, aber ich weigere mich z.B. aus Angst vor Ansteckung. Hier gälte es erneut zu überprüfen, ob ich Verschulden habe, denn ich verweigere schließlich die Vertragsleistung. Bei Verschulden müsste ich dann eigentlich Schadenersatz leisten, z.B. weil der Schüler nicht zu mir geht, sondern zu einem Kollegen, der evtl. teurer ist – die Differenz wäre dann der Schaden.
Bei der gegenwärtigen Lage mit allen Empfehlungen der Politiker, den Maßnahmen des Gesetzgebers und den generellen Verboten würde ich meinen, dass hier kein Verschulden vorliegt, wenn ich aus eigener Fürsorge für mich den Kontakt verweigere. Irgendwann müsste das ein Gericht entscheiden, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass es in einem solchen Fall Verschulden bejahen würde.
Wie ist die Situation, wenn Instrumentallehrer ihre Privatschüler absagen?
In diesem Fall muss der Lehrer die getätigten Zahlungen für nicht gehaltene Stunden zurückerstatten. Bei Veranstaltern ist das genauso, die bereits bezahlte Eintrittsgelder für abgesagte Konzerte zurückerstatten müssen.
Was ist, wenn ein Privatlehrer, der einen Standardunterrichtsvertrag mit seinen Schülern hat, seinen Unterricht weiter halten will, dies allerdings online z.B. via Skype tun möchte? Darf der Schüler bzw. dürfen dessen Eltern sich weigern?
Ja, das können sie, da dies in der Regel nicht der Vertragsinhalt ist. Natürlich darf der Schüler bei Einverständnis gerne online unterrichtet werden, aber er kann rechtlich nicht dazu gezwungen werden. Der Schüler hat in diesem Fall Anspruch auf Erstattung der Stunden und kann die Erstattung auch anstelle von Nachholterminen einfordern.
Links:
Haftungsausschluss:
Für den Inhalt obiger Aussagen wird eine Haftung nicht übernommen. Es handelt sich um eine völlig neu aufgetretene Situation, wobei die hieraus resultierenden juristischen Einzelfälle erst künftig von der Rechtsprechung geklärt werden müssen.
Jochen sagt:
#1 - 23.03.2020 um 16:06 Uhr
Was ist denn mit dem § 616 BGB? In den Kommentaren zu dem § steht etwas von -Tätigkeitsverbot gemäß dem Infektionsschutzgesetz. Der privat Instrumental-Lehrer erhält sein Honorar ein paar Unterrichtseinheiten weiter. Wie weit kann dann nur der Amtsrichter entscheiden. Oder ist das wieder etwas anderes?
Haiko Heinz sagt:
#1.1 - 23.03.2020 um 17:59 Uhr
Hallo Jochen, diese Antwort kann ich dir, da ich ja kein Jurist bin, leider nicht geben. Für detailliertere Antworten würde ich mich am besten an eine Rechtsberatung wenden, die dir im Einzelfall da sicher helfen kann
Antwort auf #1 von Jochen
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenJochen sagt:
#1.1.1 - 23.03.2020 um 19:30 Uhr
Ja, Rechtsberatung in einer Zeit, die uns privat Lehrer in die Sozialfalle treibt, ist leider sehr teuer. Vielleicht kann ja doch jemand noch Antwort geben. Oben steht ja, dass der Artikel geupdatet wird...
Antwort auf #1.1 von Haiko Heinz
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenHaiko Heinz sagt:
#1.1.1.1 - 24.03.2020 um 06:38 Uhr
Hallo Jochen, ok, wenn Du willst, hake ich da nochmal nach! Ergänzend kann ich aber noch dazu raten, dass die erste Rechtsberatung in einem Tonkünstlerveband noch kostenlos wäre.
Antwort auf #1.1.1 von Jochen
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenJochen sagt:
#1.1.1.1.1 - 24.03.2020 um 08:15 Uhr
Hallo Haiko, das wäre nett. Ich bin nicht beim TKV.
Antwort auf #1.1.1.1 von Haiko Heinz
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenHaiko Heinz sagt:
#1.1.1.1.1.1 - 31.03.2020 um 15:11 Uhr
Die Antwort von Herrn Rothmund:
"Die Regelung des § 616 BGB gilt ausschließlich für Beschäftigungsverhältnisse, also Arbeitsverhältnisse.
Danachbehält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn er „für eine
verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
Der Verhinderungsgrund muss ausschließlich in der Person des Dienstverpflichteten bzw. Arbeitnehmers liegen und sich speziell auf ihn beziehen. Als Grund
in diesem Sinne gilt nicht, wenn er sich auf einen größeren Personenkreis bezieht.
Als Grund in diesem Sinne gilt z. B. die schwere Erkrankung oder Tod eines nahen Angehörigen, die Versorgung eines akut pflegebedürftigen nahen
Angehörigen,eines erkrankten Kindes, die Niederkunft der Ehefrau oder Lebensgefährtin … etc.
Hiervon grundsätzlich zu unterscheiden ist die Verhinderung durch Krankheit;dann gilt unverändert das Entgeltfortzahlungsgesetz."
Antwort auf #1.1.1.1.1 von Jochen
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenJochen sagt:
#1.1.1.1.1.1.1 - 01.04.2020 um 11:49 Uhr
Bin verwirrt. Das habe ich schon anders gelesen: https://uebenundmusizieren....
Wenn schon unter den Rechtsanwälten keine Übereinstimmung herrscht, dann wird es für den Normalen Bürger teuer...
Antwort auf #1.1.1.1.1.1 von Haiko Heinz
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenTobias sagt:
#1.1.1.1.2 - 29.03.2020 um 07:34 Uhr
Ja, das würde mich auch interessieren.
Antwort auf #1.1.1.1 von Haiko Heinz
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