Praxis
Das knapp gefasste, aber informative Manual weist bereits darauf hin, dass der Syren mit Klangfärbung im Blick konzipiert wurde. Man sollte sich hier also nicht zu sehr an technischen Werten entlanghangeln (welche bei einem Hersteller wie Crane Song einen gewissen Standard zu erfüllen haben und dies auch in diesem Fall tun), sondern mehr mit der rechten Gehirnhälfte zu Werke gehen. Klar ist, dass auch dieser Preamp gewisse Standards erfüllen sollte, wie beispielsweise eine Aufnahme so sauber durchzuführen, dass im wesentlichen der Charakter des Vokalisten und des Mikrofons transportiert und auf Line-Pegel angehoben werden. Aber jenseits davon scheint hier das Tor zu einer wahren Spielwiese geöffnet zu werden, und die sollte man intuitiv erforschen.
Doch trotz all der Optionen zu Klangfärbung ist die interessante Frage zunächst, wie der Syren in seiner cleansten Einstellung klingt, beziehungsweise ob sich schon in dieser ein gewisser Charakter ausmachen lässt. In der Praxis bedeutet dies: den Color-Schalter in die Neutralposition bringen, das Gain-Poti der zweiten Preamp-Stufe voll aufdrehen und dann das Gain-Poti der ersten Preamp-Stufe so justieren, dass der gewünschte Ausgangspegel erzielt wird. Das alles geht sehr einfach und bequem übe die Bühne. Obwohl nicht weniger als sechs Schalter, zwei Potis und eine Klinkenbuchse auf der Frontplatte liegen, bleibt die Bedienung übersichtlich. Dank des cleveren Layouts dürfte die Nutzung des Syren auch für Grobmotoriker keine Schwierigkeit darstellen. Zudem fühlen sich die Bedienelemente ganz einfach wertig an – die Hardwarequalität lässt sich also auch haptisch erspüren.
Der Grundklang des Syren, welcher sich in Reinform mit den eben genannten Einstellungen abrufen lässt, präsentiert sich mit einem sehr körperlichen, natürlichen aber dichten Signal. Der Klang hat Substanz und einiges Gewicht, bleibt aber stets akkurat und offen. Auf diese Weise hat der Sound der Quelle Vorrang, derPreamp lässt den Charakter des angeschlossenen Mikrofons in all seinen feinen Nuancen unangetastet. Das ist toll, wenn man ein gutes Mikro verwendet (im Falle unseres Klangbeispieles kam ein Neumann U67 zum Einsatz), aber wenn die Signalquelle Schwächen aufweist, dann gibt’s hier nichts geschenkt. Das ist kein Nachteil und spricht höchstens für die Ehrlichkeit und Sauberkeit des Preamps. Ein wenig kann man dessen Charakter aber doch auch bereits in der Neutralstellung erahnen, denn ein klanglich völlig „unsichtbarer“ Preamp müsste erst noch erfunden werden. Der Syren ist beileibe kein warmer Preamp im Sinne von dumpfem Klang, aber es fällt schon in der transparenten Einstellung auf, dass Transienten schön eingebunden, kleine Signalspitzen sanft verrundet werden – genau das macht den körperlichen und dichten Klang aus. Hier steht am Ende ein sehr solides Signal zur Verfügung, dass in der Weiterverarbeitung niemals für Schwierigkeiten sorgt welche dem Preamp angelastet werden könnten.
Auch das Trittschallfilter reiht sich nahtlos in den bislang guten Eindruck ein. Es arbeitet aufgrund der hohen Flankensteilheit extrem effektiv, macht sich klanglich aber zum Glück kaum bemerkbar. Die Ansatzfrequenz ist mit 90 Hz allerdings so hoch gewählt, dass sie in manchen Fällen bereits dem Nutzsignal in die Quere kommt. Eine zusätzliche Option von 40 oder 50 Hz wäre schön gewesen.
Soweit die Pflicht – nun zur Kür. Wie bereits erläutert, bietet der Syren vielfältige Möglichkeiten zur Signalverbiegung über die neutral-smoothe Vorverstärkung hinaus. Hier sind Experimente erforderlich, da gerade der Open/Color-Schalter nicht immer exakt vorhersagbar reagiert. Generell kann man sagen, dass die Abschaltung der Gegenkopplung um so deutlicher wird, je heißer man die zweite Preampstufe fährt. Tendenziell sorgt die Color-Option für einen noch dichteren, etwas mittig-wärmeren Klang, dem in den Höhen die bissigen Komponenten der Sättigungsprodukte etwas gezogen werden. Man könnte diesen Ton auch als „sweeter“ bezeichnen. Hier wird dann ein stärkerer Eigensound deutlich, der sich wie ein Bilderrahmen um das Eingangssignal herum legt. Um in diesem Bild zu bleiben: Er ist eher golden als silbern lackiert…
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Es ist durchaus überraschend, was für Sättigungsreserven der Syren anbietet. Man muss durchaus ein bisschen aufpassen, dass man eine Vocal-Aufnahme nicht durch satt angezerrte Pegelspitzen unwiderbringlich ruiniert. Hier ist Fingerspitzengefühl gefordert, was aber abermals kein Nachteil des Gerätes st, sondern einfach in der Natur der Sache liegt. Auf der anderen Seite öffnet dies dem Syren Tür und Tor für veritable Ensätze als Distortion-Box, wobei dem Sound das „singende“ Zerrspektrum der Triodenröhre mit großen Anteilen der zweiten Harmonischen sehr gut zu Gesicht steht.