Einen virtuellen Drum-Track zu erzeugen, ist mit den heutigen technischen Mitteln ein Kinderspiel.
Mit nur wenigen Mausklicks lassen sich einer DAW solide Grooves entlocken, die sich hervorragend als Grundlage für ein Arrangement eignen. Vor allem bei der Arbeit mit Samples von „echten“ akustischen Drums wirken die ersten Ergebnisse aber oft etwas unbefriedigend.
Eine gewisse „Loophaftigkeit“ kann bei Electro-Beats durchaus erwünscht sein. In der Welt des akustischen Schlagzeugs entsteht dagegen leicht der Eindruck, dass die Drums wie ein Fremdkörper mit Scheuklappen durch den Song marschieren, ohne sich sonderlich am musikalischen Geschehen zu beteiligen. Glücklicherweise gibt es Mittel und Wege, daran etwas zu ändern. Wie du Drums programmierst, die vor Lebendigkeit nur so strotzen, erfährst du in diesem Workshop.
Big is beautiful – Die richtige Software zur Drum-Programmierung
Wenn es darum geht, möglichst authentische Drums zu erzeugen, darf man sich guten Mutes von ökonomischen Grundsätzen wie dem vielzitierten „weniger ist mehr“ verabschieden – zumindest in Hinsicht auf die Software. Der mögliche Realismus steht und fällt mit dem Umfang der verwendeten Sample-Library, und dabei gibt es abgesehen vom Grundklang zwei wichtige Kriterien: Die Anzahl der Artikulationen und die Anzahl der Alternativ-Samples.
Eine hohe Anzahl von Artikulationen (also von verschiedenen Spielweisen) ist bei Snaredrum, Toms und Becken oft hilfreich, vor allem aber bei den Hi-Hats wichtig. Ein echter Drummer unterscheidet ganz bewusst zwischen Schlägen auf der Beckenkante und der Beckenfläche und kombiniert diese in vielen Fällen. Zusätzlich hat auch der Grad des Drucks auf das zugehörige Pedal erheblichen Einfluss auf den Klang. Schon ein leichtes Lockern des Fußes macht im richtigen Leben einen großen Unterschied, um dies im Rechner simulieren zu können, sind natürlich entsprechende Samples nötig. In diesem Bereich sind die meisten aktuellen Librarys glücklicherweise gut ausgestattet. Wichtig ist vor allem eine Abgrenzung zu einfacheren Sample-Playern, die sich nicht konkret auf die Nachbildung natürlicher Drums spezialisieren. Plug-ins wie Native Instruments Battery oder FXpansion Geist setzen andere Schwerpunkte und eignen sich vorrangig zum Programmieren von Electro-Beats.
Bei der Anzahl der Alternativ-Samples wird es kritischer, denn in dieser Disziplin sind die Unterschiede auch unter den Librarys, die sich auf natürliche Drums spezialisieren, zum Teil recht groß. Kein Schlagzeuger der Welt kann eine Snaredrum zweimal so anschlagen, dass sie beide Male genau gleich klingt, und wenn eine Software diesem Punkt einigermaßen gerecht wird, dann merkt man das. Im schlimmsten Fall würde durch das Abspielen der immer gleichen Samples in schnellen Schlagfolgen der berüchtigte Machinegun-Effekt entstehen, der extrem unnatürlich wirkt und Sample-Drums eindeutig als solche enttarnt. Dies ist bei der Arbeit mit besagten Spezialisten für akustisches Schlagzeug zwar weitgehend ausgeschlossen, aber auch wenn der Effekt in abgeschwächter Form auftritt, lässt er sich vom Hörer erkennen oder zumindest erfühlen. Es gilt also prinzipiell: Je mehr eigene Samples für feine Lautstärke-Abstufungen (Velocity-Layer) und alternative Sounds (Round-Robin-Samples) vorhanden sind, desto lebendiger und glaubwürdiger sind die Ergebnisse.
Bei den folgenden Audiobeispielen bemerkt man zunächst, dass sich die unterschiedlichen Librarys in ihrem Grundklang zum Teil sehr deutlich voneinander unterscheiden. Während einige Tracks auch ohne weiteren Effekt-Einsatz schon wie fertig gemischt und fast gemastert wirken, präsentieren sich andere eher roh und unbehandelt. Dieser Punkt wird im weiteren Verlauf des Workshops noch ein Thema sein. Für den Moment geht es um die Frage, welche Librarys die glaubhaftesten Ergebnisse liefern.
Die klaren Gewinner in dieser Gegenüberstellung sind meiner Meinung nach FXpansion BFD 3 und der Toontrack Superior Drummer 2. Bei beiden Librarys hat man wirklich den Eindruck, dass kein Schlag wie ein anderer klingt. Die anerkannten Platzhirsche haben sich ihren guten Ruf also redlich verdient. Aber auch das von Sennheiser als kostenloser Download bereitgestellte DrumMicA und der Studio Drummer von Native Instruments liefern noch recht überzeugende Ergebnisse. Den restlichen Librarys merkt man die Tatsache, dass es sich um Samples handelt, dagegen schon etwas deutlicher an. Natürlich disqualifizieren sie sich dadurch nicht vollständig. Im Wettbewerb um den realistischsten Klang können sie mit den weit umfangreicheren Konkurrenten aber nicht ganz mithalten.
Natürlich gibt es noch weitere Kategorien, die eine solche Software auszeichnen können. Der grundsätzliche Workflow, die Anzahl und das Verhalten von Mixer-Channels, die Qualität der enthaltenen MIDI-Grooves, und und und… Meinungen dazu, welche virtuellen Drums denn nun die besten sind, lese ich gerne in den Kommentaren zu diesem Workshop!
Schritt 1: Die Suche nach dem richtigen Groove beim Schlagzeug programmieren
Für einen echten Musiker aus Fleisch und Blut geht es meist nicht nur darum, was er spielt, sondern vor allem auch darum, wie er es spielt – und das gilt auch für Schlagzeuger. Am Drumset kann alleine schon der klassische „eiserne Gustav“ (sprich rhythmisch: „Gus-Tav-Gus-Tav…“) ganz unterschiedlich grooven. Faktoren dafür sind vor allem die Schwerpunkte in der Anschlagstärke, die Positionierung der Schläge im Mikrotiming und nicht zuletzt die Wahl von Instrumenten und Artikulationen. Zur Abgrenzung habe ich als letzten Track in den Audiobeispielen eine hart quantisierte und entsprechend technisch klingende Variante hinzugefügt. Wiedergegeben wird das Ganze in diesem Fall von BFD 3.
In den zwei Screenshots vom Schlagzeug-Editor in Cubase werden die jeweils ersten Takte des ersten und letzten Audiobeispiels gegenübergestellt. Die Abweichungen in der Anschlagstärke, der Position im Mikrotiming und die Wahl der Artikulationen sind hier sichtbar.
Mit ein wenig Know-How und genügend Freizeit ist es natürlich möglich, solche Grooves vollständig mit der Maus zu programmieren. Da die meisten virtuellen Drum-Studios aber eine satte Auswahl an MIDI-Grooves an Bord haben, die oft von echten Drummern eingespielt wurden, empfiehlt es sich, diese als Grundlage zu verwenden. Ganz nebenbei übernimmt man damit eine sehr wünschenswerte menschliche Komponente, wobei diese oft unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Wenn man sich also auf die Suche nach dem richtigen Groove begibt, konzentriert mach sich dabei am besten auf das passende Feeling für den Song. Vom „idealen Pattern“, das einen Basslauf oder ein Gitarren-Riff perfekt unterstützen würde, sollte man sich vorerst nicht zu sehr ablenken lassen.
Im folgenden Audiobeispiel habe ich einen bestehenden Basslauf mit einem vier Takte langen MIDI-Groove unterlegt, der ohne weitere Bearbeitung von der Progressive Foundry SDX für den Toontrack Superior Drummer 2 wiedergegeben wird. Mit längeren Loops zu arbeiten, macht natürlich vieles einfacher, da in diesem Fall schon mehr Variationen vorhanden sind. Gerade bei Toontrack findet man in der Regel ein breites Angebot von solchen „Vieltaktern“.
Zusammen mit dem vorgegebenen Material groovt der „gute Start“ schon recht gut. Wenn man ein Arrangement mit dem Programmieren der Drums beginnt, hat man in Bezug auf das Feeling natürlich weit mehr Freiraum, da sich die weiteren Elemente daran anpassen können. Wie es klingt, wenn zwar das grobe Pattern halbwegs stimmt, aber das Feeling einfach nicht passen will, zeigt der zweite Track.
Schritt 2: Das Basis-Pattern des virtuellen Drummers ausarbeiten
Wenn das Feeling passt, wird man in den meisten Fällen hauptsächlich die Bassdrum-Figur bearbeiten, um den Drums mehr Zugehörigkeit zum Song zu verpassen. Vorhandene MIDI-Noten zu löschen, ist natürlich kein Problem. Beim Verschieben bestehender Schläge oder beim Hinzufügen von neuen Schlägen sollte man dagegen ein wenig auf den Kontext des vorhandenen Materials achten. Ist die Kick beispielsweise auf leichten Zählzeiten leiser als auf den schweren Zählzeiten? Wird sie im ausgewählten Groove generell etwas früher gespielt als die anderen Instrumente? Lassen sich Tendenzen erkennen, dass nur bestimmte Zählzeiten früher und manche dafür später gespielt werden? Solche Details sind für authentisches Programming wichtig und im Grunde leicht zu berücksichtigen.
In manchen Fällen kann es hilfreich sein, weitere Feinheiten anzupassen und kleinere Ungereimtheiten im Groove, die möglicherweise durch das Umstellen der Bassdrum-Figur entstanden sind, anzupassen. Auch das hängt natürlich vom Kontext ab. Im folgenden Beispiel ist das ausgearbeitete Basis-Pattern mit angepasster Bassdrum und einigen weiteren kleinen Änderungen in der Anschlagstärke einzelner Schläge zu hören. Es handelt sich dabei nach wie vor um ein vier Takte langes Loop, und damit wollen wir uns für den Moment zufrieden geben.
Schritt 3: Kontraste zu anderen Drum-Parts schaffen
Schlagzeug spielen ist wie Ferrari fahren! Man hat den Fuß am Gaspedal der Band und kann mit kleinen Veränderungen große Wirkung erzeugen. Dieses Potenzial lässt sich beim Drum-Programming (wenn gewollt) gezielt nutzen, um den unterschiedlichen Song-Parts einen eigenen Anstrich zu geben und damit dem gesamten Arrangement mehr Profil zu verleihen. Dazu kann es völlig ausreichen, in einem intensiveren Part (z.B. im Refrain) die Hi-Hats etwas weiter zu öffnen, den Drummer auf das Ride-Becken wechseln zu lassen und/oder die Anschlagstärke des gesamten Grooves zu erhöhen. Um das Konzept der Kontraste zu veranschaulichen, folgen jetzt einige Beispiele, die mit dem Native Instruments Studio Drummer erzeugt wurden.
Wenn nicht nur die Anschlagstärke angepasst wird, ist natürlich ein wenig Orientierung im Mapping der jeweiligen Library hilfreich, denn die unterschiedlichen Instrumente und Artikulationen sind meist mehr oder weniger sinnvoll den verschiedenen Tonhöhen von MIDI-Noten zugeordnet. Die meisten Benutzeroberflächen bieten dazu entsprechende Ansichten, und wenn dem nicht so sein sollte, findet man zumindest einen Überblick in der Dokumentation.
Wenn der Kontrast größer sein soll, kann natürlich auch ein komplett neuer Groove verwendet werden. Ein Wechsel des grundlegenden Feelings kann je nach Bedarf für gehörigen Schub oder Entspannung sorgen. Im Beispiel-Track verschiebt sich der Fokus von bewegten Sechzehnteln auf „heavier“ gespielte Achtelnoten. Der gleichzeitige Wechsel von den Toms auf die dauerhaft gespielten Crash-Becken erweitert zusätzlich das Frequenzspektrum nach oben.
Schritt 4: Der Feinschliff beim Drum-Programming
Wenn der grobe Ablauf einmal steht, geht es daran, die Kanten der aneinandergepappten Loops zu glätten und das komplette Drum-Arrangement organischer und „wie aus einem Guss“ zu gestalten. Vor allem bei den Übergängen in andere Song-Parts bietet es sich an, ein weiteres Mal die Groove-Library zu durchforsten und passende Fills zu suchen. Oft fasst eine Software zueinander passende Grooves und Fills zusammen, was die Suche erheblich erleichtert. Als Daumenregel kann man davon ausgehen, dass größere Veränderungen im Feeling auch längere und gewichtigere Variationen rechtfertigen.
An Stellen, die dagegen keine größere Veränderung nach sich ziehen, zum Beispiel nach dem abgeschlossenen Durchgang einer Akkordprogression im Refrain, können kleinere Variationen für Auflockerung sorgen. Hier kann es völlig ausreichen, für einzelne Schläge andere Instrumente oder Artikulationen zu verwenden oder über Mausklicks neue MIDI-Noten hinzuzufügen. Dabei empfiehlt es sich, darauf zu achten, dass nicht drei Becken und fünf Toms gleichzeitig gespielt werden. So interessant es auch wäre, die mit zehn Armen gesegnete Hindu-Gottheit Kali am Drumset zu hören, für eine glaubhaft menschlich wirkende Performance macht es Sinn, die physischen Beschränkungen zumindest halbwegs einzuhalten.
Wer die Sache mit dem Realismus wirklich ernst meint, der kann als abschließenden Schritt das komplette Drum-Arrangement dequantisieren und somit einen zusätzlichen Zufallsfaktor in das Material einbauen. Wie Dequantisierung in Cubase funktioniert, seht ihr im Screenshot.
Schritt 5: Mixing des virtuellen Schlagzeugs
Für das Abmischen von Sample-Drums (und nicht nur von Sample-Drums) kann man nur schwer allgemeingültige Regeln aussprechen. Wie bereits angedeutet, bieten manche Librarys einen Klang, der von vornherein vollständig fertig wirkt, und in einem solchen Fall ist es wohl vor allem wichtig, dies zu erkennen und nicht aus gutem Vorsatz oder bloßem Aktionismus Bässe und Höhen noch weiter zu boosten oder Kick und Snare noch stärker zu komprimieren.
Aber auch für die weniger stark vorbearbeiteten Samples gilt in der Regel, dass man sich nicht mit tiefgreifenden technischen Problemen auseinandersetzen muss. Dramatische Phasenprobleme sind kein Thema, und auch mit dem Herausfiltern störender Raumresonanzen muss man sich nicht herumschlagen. Zudem bietet ein virtuelles Drumstudio in der Regel eine Auswahl von Mixer-Presets, und wenn man als Audio-Engineer nicht gerade auf jahrelange Erfahrung zurückblickt, bietet es sich an, diese zu nutzen. Trotzdem gibt es jetzt noch einige grundlegende Tipps, die sich konkret auf die Arbeit mit Drums aus der Dose beziehen.
Die Macht der Raumkanäle
Fast alle virtuellen Drum-Studios bieten neben den Overheads einen oder mehrere Raumkanäle. Auch wenn man von einem bestehenden Mixer-Preset ausgeht, kann man durch das Schrauben am Pegel dieser Kanäle den Charakter der Drums grundlegend verändern. Soll der Klang groß und rockig wirken? Dann hoch mit den Raumkanälen. Oder doch lieber trocken und „In-Your-Face“? Dann ist Absenken angesagt.
Für Ordnung im Bassbereich sorgen
Vor allem wenn nicht nur die Drums programmiert sind, sondern auch der Bass aus der Konserve kommt, sind Rangeleien um den Bereich unterhalb von 100 Hz vorprogrammiert. In vielen Fällen wird die Entscheidung darüber, wer am unteren Ende des Spektrums noch etwas zu sagen hat, zu Gunsten der Bassdrum gefällt. In diesem Fall muss der Bass Platz machen, und das tut er, wenn man ihn mit einem EQ um einige Pfunde erleichtert. Manche Toms können in diesem Bereich ebenfalls recht viel Platz in Anspruch nehmen.
Letztendlich sollte natürlich das Gehör entscheiden, und dieser Punkt wird oft durch eingeschränkte Abhörmöglichkeiten und akustisch unbehandelte Räume erschwert. Im Player gibt es ein Negativ-Beispiel – so sollte es definitiv NICHT klingen!
Parallelkompression rockt
Kompression, bei der störend große Pegelunterschiede verringert werden, ist bei der Arbeit mit Sample-Drums kaum nötig, da die Performance des virtuellen Drummers in den meisten Fällen ohnehin sehr stabil ist. Wenn man Kompression verwendet, dann meist aus klangästhetischen Gründen – und dazu eignet sich Parallelkompression hervorragend.
Für alle, die Mixer-Presets im Plug-In verwenden und die einzelnen Kanäle nicht separat in den DAW-Mischer leiten, bietet sich die vereinfachte Variante an: Einfach vom Master-Ausgang des Plug-Ins einen Send-Effekt beschicken und diesen mit einem Kompressor bestücken, der gerne heftig zugreifen darf. Wenn alles eingerichtet ist, kann man das komprimierte Signal dem unkomprimierten Signal hinzumischen. Da der Gesamtpegel der Drums dadurch deutlich zunimmt, sollte man allerdings auch den nächsten Punkt berücksichtigen! Wenn man dagegen wie im Screenshot einen Kompressor mit Mix-Regler verwendet, ist das kein größeres Thema.
Auf den Gesamtpegel achten
Die meisten virtuellen Drummer sind ähnlich wie ihre Vorbilder aus Fleisch und Blut meist sehr laut. FXpansion BFD 3 bringt beispielsweise schon beim Laden des Default-Presets auch innerhalb des Plug-Ins so manches rote Lämpchen zum Leuchten. Ein zu hoher Gesamtpegel der Drums nimmt einem Mix den Headroom, und wenn man das Level nicht von vornherein in einen konservativeren Bereich zurückfährt, besteht die Gefahr, die mühevoll erarbeitete Dynamik eines Songs durch übermäßigen Limiter-Einsatz auf dem Mix-Bus vollständig dem Erdboden gleich zu machen. Wenn der Spitzenpegel der Drums an den lauten Stellen unterhalb von -6 dB sitzt, ist man halbwegs auf der sicheren Seite.