Roland TB-303 ist einer dieser Synthesizer, von dem es ständig neue Nachbauten und Plugins gibt. Vermutlich handelt es sich um den am meisten kopierten und geklonten Synthesizer, dessen Sound wahrscheinlich ebenso wenig jemals aus der Mode kommt. Phoscyon 2 heißt die neuste virtuelle Variante und stammt von dem polnischen Entwickler D16 Group. Das Plugin bietet einige sehr interessante Features und ist damit selbst für diejenigen interessant, die bereits eine 303 als Hardware im Studio stehen haben. Wir schauen uns den virtuellen Synthesizer in diesem Angecheckt an.
D16 Group Phoscyon 2
Bereits der Vorgänger klang sehr gut und überraschte mit einigen coolen Funktionen, die Neuauflage legt aber in vielen Bereichen noch einen drauf. Neue Klanglevel will Phoscyon 2 durch präzises Modeling der Hardware erreichen und ein paar Extras anbieten, die den Sound so richtig zur Geltung bringen.
Neben einer recht umfangreichen Distortion-Sektion spendiert der polnische Entwickler zusätzlich fünf Effekte, die sich nach Lust und Laune anordnen lassen und in Submenüs weitere Einstellungen bieten. Der Zugriff auf Trim-Potis ermöglicht genaue Anpassung der Sound-Eigenschaften und eine Art „Individualisierung“.
Das Interface erstrahlt in neuer Optik, den Arpeggiator und Sequencer hat sich D16 ebenfalls vorgenommen. Spezielle Tricks wie Vibratos lassen sich so ganz bequem umsetzen. Außerdem gibt es einen tollen Randomizer, das ist eine richtig gute Zugabe.
Schauen wir uns das Plugin mal genauer an.
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Angecheckt
Der neue Look sieht nicht nur schick aus, sondern lässt die virtuelle 303-Emulation gleichzeitig etwas aufgeräumter aussehen. Obwohl der Funktionsumfang zugelegt hat, wirkt das Interface nun weniger überfrachtet.
Das Plugin öffnet sich in der Default-Einstellung mit ausgeklapptem Sequencer. Aufgrund meiner Bildschirmeinstellungen am Laptop wird das Plugin zu groß dargestellt und der untere Rand des GUI abgeschnitten. Wenn das bei dir auch passiert, empfehle ich als erstes den Play Mode auf External zu wechseln. Dann klappt sich die Ansicht zusammen und du kommst an die Einstellungen am rechten unteren Rand. Wie vom Hersteller gewohnt, findest du hier Optionen für die Soundqualität (für Livebetrieb und Rendering) und die Größe des GUI.
Ab jetzt beginnt direkt der spaßige Teil: Ich drücke in der DAW auf Play und Phoscyon 2 beginnt sofort mit seinem 303-Gezwitscher. Ich kenne den Vorgänger lediglich aus Videos und besitze auch „nur“ zwei verschiedene Klone des Originals – was hier herauskommt, klingt für mich jedenfalls ganz klar nach TB-303.
Bevor ich anfange hier herumzuschrauben, klicke ich mich einfach mal durch die Presets. Davon gibt es reichlich und alle demonstrieren sehr überzeugend, wie vielseitig diese Emulation klingt. Wer den Hersteller kennt, weiß, dass die Preset-Verwaltung immer von einem sehr guten Browser unterstützt wird. So entscheide ich beispielsweise mit einer Auswahl, ob ich nur Presets mit Sawtooth oder Square-Wave hören will. D16 scheint zu wissen, dass sich die 303-Fans teilweise in zwei Lager spalten: Die einen bevorzugen den Sägezahn als Oszillator, andere stehen auf Rechteck.
Die Presets teilen sich in zwei Arten auf. Die sogenannten Scenes beinhalten Sound-Einstellungen, die Auswahl der Abspielart (Extern, Sequencer, Arpeggiator) sowie Inhalte der Sequencer- oder Arp-Patterns. Synthesis speichert ganz wie es der Name suggeriert lediglich die Sound-Parameter.
Üppige Auswahl von Sound-Parametern und Effekten
Die vielen Optionen für Sound-Einstellungen machen Physcyon 2 zu einem Fest für 303-Gläubige und gehen weit über das Original, die verschiedenen Klone und die unterschiedlichen Modifikationen hinaus. So gibt es neben dem Switch für die Auswahl des Oszillators (Sägezahn/Rechteck) insgesamt 13 Regler für Klangmanipulationen. Neben den sechs typischen Parametern für Tuning, Filter-Cutoff, Resonancde, Hüllkurven-Verhalten, Decay und Accent gibt es also sieben zusätzliche Regler! Damit beeinflusst du Slide Time, Sweep Amt, Envelope Attack, Accent Decay, Accent Volume sowie Vibrato Speed und Vibrato Depth. Wow!
Aufgrund der Merkmale einiger Bauteile klangen verschiedene Exemplare des Originals unterschiedlich, das Plugin emuliert dies und bietet dafür einen Zugang zu Trim-Potis und Modifikationen. Neun Parameter stehen hier zur Verfügung und bieten somit genug Spielraum für eine „Individualisierung“, die im Preset gespeichert wird.
Nun schauen wir uns mal die FX-Abteilung an. 303 und Verzerrung ergibt auch aus der Sicht von D16 ein perfektes Paar. Deshalb packt der Hersteller eine reichhaltige Auswahl verschiedener Distortion-Modelle in das Plugin und dazu noch drei zusätzliche Regler zum Verfeinern. Ein One-Knob-Kompressor (Dynamics), der entweder vor oder nach der Verzerrung arbeitet, gehört beispielsweise dazu.
Fünf Insert-Effekte folgen darauf, hier kann ich die Reihenfolge beliebig ändern und einzelne FX aktivieren oder deaktivieren. Neben Reverb gibt es EQ, Delay, Chorus und Limiter. Viele kennen vielleicht D16 als Entwickler von Effekt-Plugins, der Hersteller besitzt hier also durchaus Expertise. Die Effekte klingen zweifellos gut, vier Parameter eignen sich für schnelle Anpassungen, der Edit-Button öffnet ein Fenster das noch mehr Zugriff erlaubt.
Sequencer und Arpeggiator des Phoscyon 2
Drei Abspielmodi bietet Phoscyon 2 an. Bei External reagiert das Plugin auf eingehende MIDI-Informationen, also in der Regel das, was die Clips in der DAW so ansagen. Dazu gesellen sich die Sequencer- und Arpeggiator-Modi.
„Pain in the ass“ ist eine englischsprachige Redewendung, die sehr gut beschreibt, wie sich aus meiner Sicht die Programmierung des Original-Sequencers der TB-303 und vieler Klone anfühlt. Ich hasse diesen Sequencer und bin sehr froh, dass meine Nachbauten MIDI verstehen. Der richtig authentische 303-Sound gelingt aber meist nur über diese kryptische Eingabe, denn Slides oder die nur mit Tricks zu erreichenden Vibratos müssen gezielt programmiert werden.
Der Sequencer dieses Plugins macht es mir dagegen ganz einfach. Noten, Oktaven, Accents, Slides und sogar Vibratos klicke ich in einzelne Steps des Editors mit einer typischen Piano-Rollen-Ansicht. Die Länge eines Patterns kann von einem bis zu 64 Steps betragen, außerdem lässt sich die Step-Länge und die Taktart eines Patterns definieren. Der Parameter Shuffle verpasst dem Pattern einen einstellbaren Groove. Transponieren der Noten ist ebenso möglich wie das Verschieben des Patterns nach links oder rechts. Der dabei entstehende „Overflow“ wird natürlich auf der anderen Seite wieder eingefügt. Wer will, kann übrigens von der Piano-Rolle in eine eher klassisch orientierte Ansicht wechseln.
Richtig cool ist die Randomizer-Funktion. Phoscyon 2 erzeugt auf Knopfdruck neue Patterns, dafür steht eine Reihe von Skalen als Vorauswahl bereit, ich habe allerdings keine zusätzliche Auswahl für einen Grundton entdeckt. Klar, die Transpose-Buttons helfen hier weiter – bei einem zukünftigen Update sollte aber trotzdem eine Vorauswahl für den Grundton integriert werden.
Patterns spielen entweder im Live-Modus in Synchronisation zum Host oder werden über einzelne MIDI-Noten getriggert. Es ist auch kein Problem, Patterns zu exportieren – entweder als MIDI-File oder im Phoscyon-Format. Per drag-and-drop kann ich ein Pattern auch einfach auf eine Spur in die DAW ziehen. Und es ist sogar möglich, mit dem Sequencer andere Plugins oder externes Gear zu steuern. Super!
Die Ansicht des Arpeggiators sieht zunächst ähnlich wie bei dem Sequencer aus, funktioniert aber doch ein bisschen anders. Hier wird nicht mit Noten gearbeitet, sondern einem sogenannten Pitch-Index, der die Abspielweise der gedrückten Noten bestimmt. Deshalb gibt es hier auch keine Zufallsfunktion und das Exportieren ist ebenfalls nicht möglich.
MIDI Mapping
Gerade bei einer 303 sind in Echtzeit durchgeführte Modulationen das Salz in der Suppe. Das weiß auch D16 und so sollte es dich nicht überraschen, dass sich die allermeisten und für eine Live-Performance wichtigen Parameter und Buttons auf einen MIDI-Controller zuweisen lassen. Das funktioniert ganz einfach über einen Klick auf den rechten Maus-Button. Ist die Wunschbelegung zusammengestellt, kann diese als MIDI CC Map gespeichert werden.
Fazit
Phoscyon 2 überrascht mit einem gelungenen Sequencer, sehr durchdachten Möglichkeiten für die Sound-Gestaltung und einem überzeugenden Sound. Im Software-Bereich sind ja Phoscyon und ABL 2/3 die 303-Platzhirsche und Grundlage für endlose Diskussionen über den Sound. Einige empfanden den Sound bisher beim ABL noch einen Tick präziser, mit dieser neuen Emulation dürfte diese Debatte in die nächste Runde gehen. Ich denke, dass diese Vergleiche auch durch die Sound-Demos und den persönlichen Geschmack der Hersteller beeinflusst werden. Während AudioRealism mit seiner Emulation etwas subtiler rüberkommt und eher Plastikman repräsentiert, mag es D16 wohl lieber etwas brachialer wie bei Josh Wink und Konsorten.
Dabei kann Phoscyon 2 durchaus „zaghafter“ und puristischer klingen, wenn die Distortion nicht zu sehr aufgedreht ist und die Effekte sparsam eingesetzt werden. Mir persönlich gefällt diese neue Emulation aufgrund des runden Gesamtpakets und dem wirklich sehr schönen Sequencer besser, speziell die erweiterten Sound-Parameter sind aus meiner Sicht so etwas wie eine Art virtuelle „Super-Modifikation“ dieses alten Synthesizers. Von mir gibt es deshalb für Phoscyon 2 den Daumen hoch.
Spezifikation und Preis
D16 Group Phoscyon 2 läuft als VST2, VST3, AU und AAX auf macOS sowie Windows. Eine kostenlose Demoversion gibt es auf der Website des Herstellers. Der Preis beträgz regulär 119 Euro, zur Einführung bezahlst du 89 Euro.
Weitere Infos über D16 Group Phoscyon 2
Videos und Soundbeispiele
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