DETAILS
Mein erster Eindruck – der optische wohlgemerkt – ist ernüchternd. Denn ein kleines blaues Kistchen mit 3-Ziffern-Display, ohne Tasten und mit wenigen Knöpfen versetzt mich grundsätzlich nicht in Verzückung. Aber man hört ja viel Gutes vom “Evolver” und der Name Dave Smith hat es schon vor Jahrzehnten zu Recht in die Hall-of-Fame der Synthesizerwelt geschafft. Also setze ich mich neugierig an die Arbeit und werfe zunächst einen Blick ins (leider nur englischsprachige) Manual.
Die zahlreichen werkseitigen Presets teilen sich, sortiert nach Anwendungsbereichen, in 4 Bänke auf. Bank 1 beinhaltet überwiegend Sequence-Presets, Bank 2 Sounds, die mit einem Keyboard anzusteuern sind. Bank 3 bietet Sounddesign-Klänge sowie Presets für die Verarbeitung externer Eingangssignale und Bank 4 eine Mischung aus Sequence-Sounds und spielbaren Klängen. Nach Anschluss eines MIDI-Masterkeyboards wende ich mich zunächst der 1. Bank zu und drücke den Start/Stop Knopf des eingebauten Sequenzers (siehe Audiobeispiele oben rechts im Mediaplayer).
Die Bedienoberfläche des Gerätes wirkt auf den ersten Blick übersichtlich. Sie bietet 8 Endlos-Drehregler und 13 Taster, die in einer aufgedruckten X/Y-Matrix angeordnet sind. Allerdings müssen auf der knappen Fläche von 15 x 27 cm immerhin 64 doppelt belegte Drehknöpfe, Taster und ein Display Platz finden. Das führt dazu, dass die Beschriftungen recht klein und nur bei guter Beleuchtung lesbar sind. Auch die dreistelligen Abkürzungen im Display muss man erst einmal verstehen lernen. Aber wenn man das Gerät verinnerlicht hat, programmiert man ja nach Gehör und muss nicht mehr viel ablesen!
Über den Taster “Shift” wird die Zweitbelegung der Parameter ausgewählt. Die Werte des jeweiligen Parameters zeigt das Display an, sobald man einen Poti kurz berührt; dreht man den Poti weiter, wird der Parameterwert verändert.
Das Gehäuse ist aus Metall, die Verarbeitung wirkt robust. Über den optischen Eindruck lässt es sich sicherlich streiten. Mir gefällt er nicht so, Look und Farben erinnern mich an den “Yamaha CS 1x” Billig-Synth.
Auf der Rückseite findet man die MIDI-Buchsen In/Out/Thru sowie die analogen Audio-Aus- und -Eingänge (stereo, 6,3 mm Klinken Buchsen). Die Stromversorgung erfolgt über ein externes Netzeil.
VCOs und DCOs
Der Evolver ist ein monophoner Klangerzeuger und besitzt zwei VCOs sowie zwei DCOs: Oszillator 1 und 2 sind analog, 3 und 4 digital. Die ungeraden Oszillatoren sind dabei (unveränderbar!) auf den linken- und die geraden auf den rechten Audioausgang geroutet. So kann man ein sehr breites Stereobild erreichen, wenn man für die linke und rechte Seite ähnliche Oszillatoren-Einstellungen vornimmt. Tut man dies nicht, kann der Klang im Panorama aber auch mal zu einer Seite “kippen”.
Für die beiden analogen VCOs stehen die Wellenformen Sägezahn, Dreieck, Sägezahn/Dreieck und Puls mit variabler Breite zur Verfügung. Die digitalen Oszillatoren bieten Frequenz- und Ringmodulation an. Sie können auf 96 verschiedene Wellenformen zurückgreifen, von denen die meisten aus dem legendären Prophet VS stammen. Mit dem Programm “Sound Diver” von Emagic lassen sich für den Evolver übrigens auch eigene Wellenformen kreieren und über MIDI In laden. Insgesamt sind bis zu 128 Wavetables speicherbar.
Weitere Features des Evolvers sind der Noisegenerator und die Möglichkeit, externe Audiosignale zu verarbeiten.
Für dich ausgesucht
Filter
Das wahlweise 2- oder 4-polige analoge Filter sind eigentlich zwei synchronisierte Filter: für jeden Ausgang eines. Echtes Stereo! Es kann als Low- oder Highpass-Filter genutzt werden und klingt warm und kräftig. Seine Cutoff-Frequenz ist über 168 Steps regelbar und verfügt über eine eigene VCF Hüllkurve (ADSR). Im 4-Pole-Modus ist es resonanzfähig und der Bereich vom leichten “Quaken” bis zur Selbstoszillation ist gut gewählt. Die Lautstärkehüllkurve (VCA) verfügt ebenfalls über die ADSR Parameter und bietet darüber hinaus die Möglichkeit, das Feedback der Delays auf die Seiten des Stereobildes zu verteilen. Auf diese Weise kann man, besonders wenn man den Parameter “Output Pan” rhythmisch moduliert, ein sehr breites Stereobild erreichen. Im folgenden Audiobeispiel steuert ein LFO (mit von 0 ansteigender Amount) die Panoramapositionierung der Delay-Feedbacks.
Modulatoren
Env3 ist eine Hüllkurve, die alle denkbaren Ziele modulieren kann. Ebenso verhält sich mit den 4 LFOs, denen die Wellenformen Dreieck, Sägezahn, Puls und Random zur Verfügung stehen. Die LFOs können per MIDI zum Tempo eines Host-Programms gesynct werden.
Effekte
Die Effekte gehören für mich zu den Highlights! Zum einen das dreifache Delay, in Geschwindigkeit, Level und Feedback einstellbar, per MIDI synchronisierbar oder vom internen Sequenzer steuerbar. Daneben die Sektion “Feedback”, in der man ein Signal mit einem kurzen, stimmbaren übersteuerbaren (Grunge-)Delay anreichern kann, sowie den digitalen Verzerrern “Input Hack” und “Output Hack” sowie “Distortion”. Output-Hack ist ein “Zerhackstückler” von Audiosignalen, vom Klang her ähnlich einem Bitcrusher. “Distortion” ist ein gemäßigterer, aber keineswegs sanfter Übersteuerungseffekt, der bei einer bestimmten Einstellung als Noisegate arbeiten kann. Beide Verzerrer sind in ihrem Ansprechverhalten natürlich regelbar, “brüllen” aber ab bestimmten Schwellenwerten gerne auch mal unkontrolliert los. Hier würde ich mir eine feinere Rasterung der Parameterwerte wünschen. “Distortion” steht zweimal (also für jeden Ausgang einzeln) zur Verfügung und kann wahlweise vor oder nach Filter und VCA geroutet werden.
Sequenzer
Ein weiterer wichtiger Teil des Evolvers ist sein eingebauter, vielseitiger 16-Step-Sequenzer, der pro Step vier Parameter gleichzeitig steuern kann. Dadurch lassen sich überraschende und sehr abgefahrene Klänge erzeugen. Es sind nahezu alle denkbaren Verschaltungen von Quellen und Zielen möglich, wie z.B. die Wavetables der DCOs, FM- und Ringmodulation, Panorama-Anordnung oder die Parameter des Delays. Besonders abwechslungsreiche Sequenzer-Klänge erreicht man, wenn man für verschiedene Parameter unterschiedliche Längen der Sequenzen wählt, Steps zwischen 1 und 16 sind möglich. Auf ein praktisches Feature sei hier noch hingewiesen: Man kann Sequenzen kopieren und sie auf andere Sounds übertragen! Natürlich kann der Sequenzer per MIDI-Clock mit einem externen Programm als Master oder Slave synchronisiert werden.
Die Programmierung des Sequenzers bedarf etwas Übung, und selbst nach eingehender Beschäftigung habe ich das Gefühl, noch nicht alle Möglichkeiten ausgereizt zu haben. Wer sonst eher mit Software-Sequenzern arbeitet, tut sich hier eventuell anfänglich etwas schwer.
Als Audiospiel eine einfach gehaltene Etüde, die veranschaulichen soll, wie der Sequenzer arbeitet. Der Loop, der aus vier Steps besteht, beginnt mit einem gleichzeitigen Ton des Osc1 und Osc4. Osc 2 und 3 sind stumm (Level=0). Es werden nun nach und nach Modulations-Sequenzen hinzugeschaltet (Alle Sequenzen haben 4 Steps).
Seq 1: Modulation des Osc1 (Tonhöhe). Es entsteht eine kleine Melodie.
Seq 2: Der bisher stumme Osc2 erklingt bei den Steps “2” und “4”, in Seq ist hier ist ein Level-Befehl programmiert.
Seq 3: Bei “Step 4” wird Distortion aktiviert und auf die Summe aller Sounds angewandt.
Seq 4: Bei “Step 4” wird FM-Modulation angewandt. Der (stumme) Osc3 moduliert den (hörbaren) Osc4.
Speicher
Ist ein Klang letztlich programmiert, kann man ihn in einem, der in vier verschiedenen Bänken organisierten, 384 Speicherplätze ablegen.