Praxis
Nun habe ich den OB-6 endlich ausführlich testen können und mein erster Eindruck wurde bestätigt. Der Synthesizer klingt ebenso edel wie der Prophet-6, aber auf eine andere, cremigere, eben Oberheim-mäßigere Art. Schon das Durchklicken durch die ersten paar Werks-Presets bringt Schönheiten wie diese hervor, die sofort Lust auf mehr machen (obwohl mir die vorinstallierten Presets insgesamt nicht ganz so gut gefallen wie beim Prophet-6):
Prägend für den Sound ist das wunderbare Filter, das über den gesamten Frequenzbereich präzise kontrollierbar ist und, wie ich finde, einfach hervorragend klingt. Das SEM-Filter zählt zu jener Handvoll klassischer Filterdesigns, die bis heute vielfach kopiert und imitiert werden, und beim Spielen des OB-6 wird man immer wieder daran erinnert, warum das so ist. Es ist von einer Seidigkeit und Transparenz, wie sie nur wenige andere Synthesizer hervorbringen können. Aggressive, kreischende Sounds mit viel Resonanz sind seine Sache nicht und Freunde der Selbstoszillation werden sich anderweitig umschauen müssen – aber wer danach sucht, der greift ohnehin nicht zu einem Oberheim. Dank der stufenlosen und modulierbaren Überblendung von Tiefpass über Notch zum Hochpass ist die Klangpalette reichhaltig und man entdeckt auch nach langer Zeit noch viel Neues.
Mit dem weichen, edlen Filter und der bei Oberheim natürlich obligatorischen Pan Spread Funktion ist der OB-6 prädestiniert für Pads. In einem Internetforum stieß ich auf einen Beitrag eines Benutzers, der die Pads des OB-6 als „pures Cholesterin“ bezeichnete, und dem habe ich nichts hinzuzufügen. Fette, warme, organische Flächensounds und – ebenfalls nicht überraschend – Brass-ähnliche Klänge sind seine größten Stärken.
Natürlich hört die Klangpalette hier aber noch nicht auf. Auch charakterstarke Leads und variantenreiche Arpeggios sind kein Problem für den OB-6, wobei der Unison-Modus, die X-MOD-Sektion und die Effekte voll zur Geltung kommen. Bässe kann er natürlich auch, wenngleich ich in diesem Bereich nicht ganz so restlos überzeugt war und mir gelegentlich ein knackigeres, schärferes 24 dB Filter gewünscht habe. Das soll nicht heißen, dass der OB-6 kein guter Bass Synthesizer wäre – er glänzt nach meinem Empfinden in diesem Bereich lediglich ein kleines bisschen weniger als überall sonst.
Dank X-MOD sind die Modulationsoptionen erfreulich vielseitig und inspirierend. Gerade die Möglichkeit, die Filtercharakteristik zu modulieren, eignet sich für ausgedehnte Experimente mit manchmal ungewissem, aber meistens gut klingendem Ergebnis. Da man VCO 2 als Modulationsquelle einsetzen kann, sind dem OB-6 auch FM-Anklänge nicht fremd. Zur Abrundung steht die umfangreiche, digitale Effektsektion bereit, die sich klanglich keine Blöße gibt und erfreulich live-tauglich in der Bedienung ist.
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Bedienung
Viel gibt es nicht zu sagen zur Bedienung des OB-6, denn mit Ausnahme der Effektsektion und der Preset/Globals-Taster wurde das Prinzip „ein Regler pro Funktion“ konsequent umgesetzt. Dadurch ist die Programmierung eine ausgesprochen erfreuliche und inspirierende Angelegenheit. Kein Shift-Button, keine Menüs, keine „versteckten“ Einstellungen: Man hat zu jeder Zeit direkten Zugriff auf beinahe jedes Detail des Sounds, mit der einzigen Ausnahme des gerade nicht zur Bearbeitung ausgewählten Effektblocks. Wichtig für den Fall, dass die Reglerstellungen nach dem Umschalten des Sounds nicht mit den gespeicherten Werten übereinstimmen: Das Verhalten der Potis lässt sich selbstverständlich umschalten (relative Änderung, Wert abholen oder springen). Praktisch ist auch die Compare-Funktion, mit der man einen bearbeiteten Sound mit der gespeicherten Version vergleichen kann.
Auch die Bearbeitung der globalen Einstellungen (Tuning, MIDI-Settings, Pedalkonfiguration, Poti-Modus etc.) ist gut gelöst. Mit höchstens dreimal drücken ist man bei der gewünschten Einstellung. Für deren Anzeige im Display sind dann aber doch einige kryptische Kürzel nötig, zu deren Entzifferung man anfangs vielleicht einige Male in die gut geschriebene, klar strukturierte Anleitung blicken muss. Leider gibt es keine deutsche Bedienungsanleitung, aber wer des Englischen einigermaßen mächtig ist, sollte mit der Lektüre des knappen, sachlichen Handbuchs kein Problem haben.
Das Einzige, was mich wie beim Prophet-6 etwas nervt, ist das bereits erwähnte System zur Klanganwahl mit Hunderter- und Zehner-Tastern und die Tatsache, dass dafür oft zwei Hände gebraucht werden. Ansonsten leistet sich der OB-6 auch in Sachen Bedienung keine echten Schwächen.
OB-6 oder Prophet-6?
Lange Zeit gab es überhaupt keine neuen, polyphonen Analogsynthesizer, und plötzlich muss man sich mit solchen Fragen herumschlagen! Und dann gibt es darauf noch nicht einmal eine einfache Antwort. Fest steht: Beides sind ganz wunderbare Synthesizer und das mühsam verdiente Geld ist in beide Instrumente sehr gut investiert. Es kommt wirklich auf den persönlichen Geschmack an, denn obwohl die beiden sich sehr ähnlich sehen und die Bedienung praktisch identisch ist, ist der Klangcharakter zum Glück doch deutlich unterschiedlich. Ich persönlich bereue nicht, dass ich mir letztes Jahr den Prophet zugelegt habe, weil mir sein etwas kernigerer, drahtigerer Sound sehr gut gefällt. Bei den traumhaften, weichen Pads des OB-6 könnte ich allerdings schon schwach werden… Wer sich wie die meisten von uns nur einen dieser Synthesizer leisten kann und sich mit der Entscheidung schwer tut, sollte deshalb unbedingt zum Händler des Vertrauens fahren und die beiden direkt miteinander vergleichen – und zwar am besten nicht nur die Presets, sondern auch die Programmierung eigener Sounds. Nur so könnt ihr am Ende sicher sein, dass die Entscheidung auf den Richtigen fällt.
BadTicket sagt:
#1 - 22.08.2016 um 19:18 Uhr
Nicht ganz unwichtig: Im DSI Forum kann man unter OB-6 (wenn man sich angemeldet hat) ein hervorragend übersetztes, deutsches Handbuch herunter laden!
Lasse|bonedo sagt:
#1.1 - 22.08.2016 um 19:24 Uhr
Hallo BadTicket,
vielen Dank für den Hinweis! Das hatte ich tatsächlich übersehen!
Beste Grüße
Lasse (Redaktion bonedo)
Antwort auf #1 von BadTicket
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenBadTicket sagt:
#2 - 10.09.2016 um 14:14 Uhr
So, der OB-6 steht jetzt bei mir im Studio und lässt mich komplett abheben. Ein Klang, wie man ihn sich immer erträumt hat. Da haben Dave und Tom wirklich eine Meisterleitung gemacht!
Thomas sagt:
#3 - 13.01.2017 um 07:40 Uhr
Sind wir alle devot ?
Leute, ich liebe auch Synthesizer aber ich muss hier mal in die Runde fragen, ob mit uns etwas nucht stimmt. Ich habe ubter anderem einen DSI 08 und den Arturia Origin. Beides neu tekauft, also ne Menge Geld bezahlt. Der 08er hatte diese beschissenen Potis, die nie funktionierten, hab dann irgendwann das PE Kit gekauft. Ich frage mich, wieso den Herrn Smith mal jemand (besonders die, die gehört werden, nämlich die Tester) auf den Pott gesetzt hat und eine Stellungnahme gefordert hat ? Wieso kann der Mann massenhaft fehlerhafte Bauteile mitverkaufen, ohne im geringsten dafür zu Verantwortung gezogen zu werden ?
Dann wäre da noch Arturia, die den Mund so voll genommen haben mit den Origin. Was wollten die noch alles liefern. Es gab sogar eine Roadmap für die künftigen Module. Auf Anfragen, die darauf bezug nehmen, antworten die einfach gar nicht. Ich, sicher auch ne Menge anderer Leute haben sich den Origin gekauft wegen genau dieser Versprechen. Meine Frage an die Tester :
Wieso sagt dazu niemand etwas ? Seid ihr doch nicht so frei, wie ihr uns glauben machen wollt oder interessiert es euch nur einfach nicht ?
Beste Grüße
Thomas