Dave Smith Instruments Sequential Prophet X Test

Praxis

Erster Eindruck

Nach dem Einschalten benötigt der Sequential Prophet X ungefähr 26 Sekunden, bis er einsatzbereit ist. Das ist natürlich deutlich länger als bei einem modernen Analogsynth, aber andererseits wesentlich kürzer als bei so mancher aktuellen Workstation. Danach steht beim ersten Kennenlernen natürlich erstmal ein “Preset-Jogging” an. Daher will ich auch keine weiteren Worte verlieren, sondern präsentiere zunächst einige der Werkspresets, zum Teil mit Echtzeit-Modulationen der Samples und anderer Parameter.

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Electric Sheep Preset for Airports Fog Bonnet Found On Tape Nameless Streets Piano Drama TV Drama Strings Warm Arco Strings Action Echo Marcato Strings Chamber Harps Children Guitar Delicato Poly VS Acid Mono Bass Press Play

Das Scrollen durch die voreingestellten Sounds führt mich zu zwei ersten Feststellungen. Erstens: Der Prophet X ist ein mächtiger Synthesizer, der ein sehr breites Klangspektrum mit einer beachtlichen Tiefe erzeugen kann, wenn man ihn lässt. Und zweitens: Er ist ausdrücklich kein Analogsynthesizer, sondern bis auf das Filter durch und durch digital und stolz darauf. Für mich liegen seine Stärken nach den ersten Gehversuchen ganz klar im Bereich dichter, sphärischer Texturen und Pads, die sofort Bilder im Kopf entstehen lassen und an denen Komponisten von Musik für Film oder Games ihre Freude haben dürften. Das liegt sicherlich zu einem guten Teil an den Samples von 8Dio, deren Philosophie des „Deep Sampling“ ihre Librarys bei eben dieser Zielgruppe sehr populär hat werden lassen. Die Charakterstärke und Musikalität, die die Librarys von 8Dio auszeichnet und von den zahlreichen „sauberen“ Librarys am Markt abhebt, finden sich auch im Prophet X wieder, das wird schon beim ersten Antesten deutlich.
Allerdings, und das will ich keinesfalls unerwähnt lassen, sind unter den Presets auch etliche Sounds, die dem Prophet X nicht unbedingt einen Gefallen tun. Vor allem diejenigen Presets, die weniger in die kreative Richtung gehen, sondern eher Rompler-Charakter haben, dürften bei den wenigsten auf Begeisterung stoßen. Wer Piano, E-Piano oder Orgel spielen möchte, der sollte sich lieber eine aktuelle Workstation zulegen und bekommt dann auch die dafür nötige Polyphonie. Manches wirkt leider allzu sehr wie Füllmaterial – hier stellvertretend ein Beispiel. Was ist das? Ein Drumset gelayert mit etwas Steeldrum-artigem? Wofür könnte man das bloß benutzen? 

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Preset “Chill Dude”

Samples

Die mitgelieferte, 150 GB große Library von 8Dio ist in 16 Kategorien gegliedert: Ambience, Bass, Brass, Choir, Cinematic, Drums, Effects, Ethnic, Guitar, Keyboard, Percussion, Perc Tonal, Piano, Strings, Synth und Solo Vox. In jeder Kategorie finden sich unterschiedlich viele Multisamples, die mit dem Encoder INSTRUMENT ausgewählt werden. Hier hört ihr einige Beispielsamples ohne weitere Bearbeitung:

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Beispielsamples unbearbeitet: Vocal Ambience Beispielsamples unbearbeitet: Pianos Beispielsample unbearbeitet: Suitcase Beispielsample unbearbeitet: Vibraphone bowed

Dass der Prophet X keine Alleskönner-Workstation sein möchte, wird in den Begleittexten von DSI sehr deutlich. Der Schwerpunkt liegt hier nicht darauf, jeden erdenklichen Instrumentenklang als Sample anzubieten, sondern darauf, Ausgangsmaterial für die kreative Klanggestaltung bereitzustellen. Diese Philosophie spiegelt sich in den Sounds der Library wieder. So findet man in der Abteilung „Piano“ nicht den x-ten Steinway-Flügel mit lupenreinem Klang, sondern eine Reihe „speziell“ klingende und atmosphärisch dichte Pianos, die sich sehr gut zur Kombination mit anderen Elementen eignen und einem Sound eine schöne Farbe geben können. Um richtig Klavier zu spielen, besitzt der Prophet X ohnehin nicht die nötige Polyphonie – darum geht es hier also ausdrücklich nicht und wer das möchte, investiert lieber in eine Workstation oder ein Stagepiano. Ähnlich verhält es sich in den anderen Naturklang-Kategorien. Nimmt man die Samples jedoch als Ausgangspunkt für kreative Experimente, wofür der Synthesizer einige interessante Möglichkeiten bietet, dann können sehr schöne Klänge entstehen.
Eine Besonderheit der Sampling-Sektion des Prophet X ist die Möglichkeit, die Start- und Endpunkte des Samples sowie die Länge und Position eines Loops in Echtzeit zu verändern und zu modulieren. Auch die Abspielrichtung lässt sich einfach per Tastendruck ändern. Das eignet sich einerseits dazu, aus Natursounds wie Piano oder Bells quasi eine Farbe zu extrahieren und sie mit den Oszillatoren zu mischen, ohne dass es am Ende offensichtlich nach Piano oder Bells klingt. Andererseits kann man mit kurzen, modulierten Loops Effekte erzielen, die an Granularsynthese erinnern.

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“Granular” Piano

Zur Erstellung von Loops bietet der Prophet X die Modi Regular, Pitched und Sync. Im Modus Sync lässt sich die Looplänge im Verhältnis zur Master Clock festlegen, wodurch sich rhythmische Sample Loops erstellen lassen. Im Modus Pitched ist die Looplänge immer ein Vielfaches der Ausgangstonhöhe des Samples, wodurch sich dieser Modus besonders gut dafür eignet, aus einem Sample eine einzelne Single-Cycle-Wellenform zu gewinnen und als Basis für einen Synthesizer-Sound zu verwenden. So kann man beispielsweise aus einem Gitarrensample eine einzelne Schwingung „herausoperieren“ und wie einen Oszillator verwenden wie im folgenden Beispiel:

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Guitar Wave

Die Funktion SAMPLE STRETCH ermöglicht es, ein einzelnes Sample über den gesamten Tastaturumfang zu strecken. Dadurch kann man sich die Effekte, die bei der extremen Transposition von Samples auftreten, musikalisch zu Nutze machen. Sinnvoll ist das auch bei Single-Cycle-Waveforms wie den Prophet VS Waves, die im Prophet X in Form eines „Menüs“ vorliegen, bei dem jeder Taste ein anderes Sample zugewiesen ist. Auch viele Effektsounds aus den Kategorien „Cinematic“ und „Effects“ funktionieren auf diese Weise. Die Bedienung ist denkbar einfach: Taste gedrückt halten, SAMPLE STRETCH drücken und schon erklingt das zuletzt gespielte Sample auf der gesamten Tastatur.
Das alles – und das ist nach meinem Empfinden die größte Stärke der Sample-Sektion – lässt sich ohne tiefes Eintauchen in Menüs im Handumdrehen direkt auf dem Bedienfeld erledigen, weshalb man mit dem Prophet X tatsächlich viel kreativer mit Samples „spielen“ kann als mit einer typischen Workstation oder einem Software-Sampler. Zwar bietet der Prophet X keine bisher unbekannten Möglichkeiten zur Manipulation von Samples und reicht auch bei weitem nicht an die Fähigkeiten von ausgewachsenen Granularsynthesizern oder komplexen Software-Samplern heran, aber die Art und Weise, wie diese Funktionen hier in das Bedienkonzept integriert sind und sich intuitiv nutzen lassen, ist schon bemerkenswert. Schade nur, dass man bisher auf die – wenn auch üppige – Library von 8Dio beschränkt ist. Mit der für Ende 2018 angekündigten Software zum Import eigener Samples wird der Nutzen der Sampling-Sektion für Sounddesigner und Klangtüftler sicherlich noch erheblich steigen.

Die Möglichkeiten zur Echtzeit-Manipulation von Samples sind eine Stärke des Prophet X.
Die Möglichkeiten zur Echtzeit-Manipulation von Samples sind eine Stärke des Prophet X.

Oszillatoren

Bei den beiden digitalen Oszillatoren des Prophet X gibt es keine Überraschungen. Sie bieten jeweils die Schwingungsformen Sinus, Sägezahn, Puls und Super Saw. Mit dem Poti SHAPE MOD lässt sich jede Schwingungsform modulieren, beispielsweise erreicht man hierüber die Pulsbreitenmodulation und die Pitch-Modulation des Super Saw. Mit einem Knopfdruck lässt sich OSC 2 zu 1 synchronisieren. Bei digitalen Oszillatoren besonders willkommen ist der SLOP-Regler, mit dem sich pseudo-analoge Schwebungen erzeugen lassen. Den Klang empfinde ich als angenehm, aber wirklich sehr sauber. Wer VCO-artige Analogwärme sucht, wird vom Prophet X wahrscheinlich enttäuscht. Zur Kombination mit den Samples sind die Oszillatoren aber sehr gut geeignet.

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OSC Sine OSC Saw OSC Pulse OSC Super Saw

Filter

Im Gegensatz zu den Oszillatoren arbeitet das 24dB-Tiefpassfilter des Prophet X analog. Es klingt ausgezeichnet und ist ein passender Begleiter für die digitalen Sample Player und Oszillatoren. Bei voll aufgedrehter Resonanz gerät es mühelos in die Selbstoszillation. Mit DRIVE kann man den Eingang des Filters leicht in die Sättigung fahren, was zusätzliche Wärme erzeugt und eine dezente Verzerrung ermöglicht. Übrigens lassen sich die beiden Sample Player bei Bedarf auch am Filter vorbei routen, wodurch die Samples ungefiltert bleiben, während die Oszillatoren das Filter durchlaufen. Praktisch!

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Filter

Modulationsmatrix

In den 16 Slots der Modulationsmatrix kann man 28 Modulationsquellen mit 88 Zielen verknüpfen, was viele Möglichkeiten zur Klanggestaltung eröffnet. Zu den Modulationszielen gehören neben gängigen Parametern wie OSC Pitch und Cutoff auch die Start- und Endpunkte sowie Looplänge und -position der Sample Player. Ebenso können neben den Oszillatoren auch die Samples als Audio-Modulationsquellen und damit als Ausgangspunkt für vielerlei FM-Experimente dienen. Auch die Attack-, Decay- und Release-Zeiten der Aux-Hüllkurven 3 und 4 lassen sich modulieren, ebenso wie die Effektparameter und alle 16 Slots der Modulationsmatrix selbst. Hier reichen die Möglichkeiten wirklich weit, und dank der übersichtlichen Darstellung im Display ist die Zuweisung schnell erledigt.

Effekte

Die Effektsektion ähnelt in Struktur und Bedienung denen der jüngeren DSI-Synthesizer wie Prophet-6, OB-6 und Prophet REV2, wurde aber überarbeitet. Die augenfälligste Neuerung sind drei statt zwei einstell- und modulierbare Effektparameter. So hat man beispielsweise bei den Delays nun zusätzlich zu Time und Feedback auch Zugriff auf ein Tiefpassfilter. Insgesamt stehen zwölf Effekttypen zur Auswahl: Zwei Delays, Chorus, Flanger, Phaser, Hochpass, Distortion, Rotary Speaker sowie Spring, Hall, Room und ein neuer Plate Reverb. Die Effekte klingen für einen Synthesizer durchweg gut und lassen sich bei der Klanggestaltung kreativ einsetzen. Da sich die Parameter modulieren lassen, kann man sie auch dynamisch in die Synthesizer-Klangerzeugung integrieren. Hier gibt es nichts zu meckern – ach ja, ein Ringmodulator wäre vielleicht noch schön gewesen.

Bedienung

Das Bedienkonzept des Prophet X geht nach meinem Empfinden rundum auf. War der Prophet-12 noch von viel Menüsucherei geplagt, so lässt sich beim Prophet X fast alles direkt einstellen oder mit einem Tastendruck erreichen. Die drei gestochen scharfen und hellen Displays helfen sehr und gehen deutlich über die reine Anzeige von Parametern und Menüs hinaus. So werden beispielsweise Hüllkurven grafisch dargestellt. Bei der Arbeit mit Sample Loops wird zwar nicht die Wellenform des Samples angezeigt, aber es gibt eine grafische Visualisierung der Start- und Endpunkte sowie des Loops. Alles, worauf man bei der Programmierung und beim Spielen ständig zugreifen muss, hat ein eigenes Bedienelement, und wo das nicht der Fall ist, ist die Einstellung im Display nie mehr als zwei Klicks entfernt. Das wirkt sehr gut durchdacht und vor allem praxisnah. Gemessen an der Komplexität des Synthesizers empfinde ich die Bedienung als vorbildlich intuitiv.
Viele praktische Details vereinfachen die Bedienung zusätzlich oder sorgen für eine gute Bühnentauglichkeit. Den SHOW-Button, mit dem man sich Parameter anzeigen lassen kann, ohne sie zu ändern, hatte ich bereits erwähnt. Auch die Funktion PLAY LIST, mit der man sich die für einen Auftritt benötigten Programme sortieren und zurechtlegen kann, ist sehr willkommen. Die Einteilung in zehn „Sets“ zu je vier „Lists“ mit je vier Programmen wirkt zunächst etwas willkürlich gewählt. Aber sie passt sehr gut zu den zur Verfügung stehenden Bedienelementen. So lassen sich im Playlist-Modus die vier Programme einer Liste einfach über die vier Buttons unter dem Display aufrufen. Wenn man sich daran gewöhnt hat und die Programme geschickt organisiert, kann man mit der PLAY LIST sehr gut arbeiten.

Video: Dave Smith Instruments Sequential Prophet X Sound Demo (no talking)

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