Herzlich willkommen zur vierten Folge des Profichecks. Hier geben wir euch ein Profifeedback zu eurem Gesang und eurer Darbietung. Unsere Vorschläge sollen euch helfen, eure gesangliche Performance immer weiter zu verbessern.
Hurra, endlich eine Sängerin! Bis jetzt seid ihr Jungs mutiger gewesen als die Mädels. Doch tada: Hier kommt Julia. Julia Ramsauer ist 16 Jahre, singt seit ihrem elften Lebensjahr, nimmt Gesangsunterricht und ihr aktuell großes Ziel ist ihre Teilnahme bei „The Voice of Germany“. Musik bedeutet Julia alles: „Wenn es mir schlecht geht und ich singe, geht es mir sofort besser“, schreibt sie. Das kann ich gut verstehen. Auch ich empfinde es als großes Glück, durch Gesang die eigenen Gefühle ausdrücken zu können. Spezielle gesangliche Vorbilder hat Julia nicht, ihre Vorbilder sind alle, „die es bis zum Durchbruch in der Musik geschafft haben“. Und sie hat „Respekt vor Sängern, die gigantische Lieder schreiben“.
Zum Check hat sie mir eine Cover Version des James Bay Songs „Let it go“ geschickt.
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Stimme
Direkt zu Beginn ein Kompliment an Julias Gesangslehrer. Tolle Arbeit! Julia singt richtig klasse. Ihr Gesangslehrer hat ihr auch empfohlen, sich hier zu melden. Vielen Dank!
Mir gefällt, dass Julia eine super Intonation und einen offenen, warmen Grundsound in der Stimme hat. Sie steht entspannt, der Bauch ist locker und die Atmung läuft. Julia ist dem Song stimmlich gewachsen. Kein Ton klemmt und ist zu hoch oder zu tief.
Julia singt „Let it go“ in der Originaltonart, deren Lage sehr gut zu ihrer Stimme passt. Ihr höchster Ton ist Gis. Das ist gesanglich mega entspannt und hat noch richtig Platz nach oben.
Cover versus Original
Mich interessiert beim Nachsingen eines Covers immer auch der Gesang der Originalfassung, möglichst live gesungen, und die Frage, wie der Originalsänger oder die Originalsängerin mit dem Song umgeht. Deswegen schaue ich mir zum Vergleich mit Julia noch folgenden Clip von James Bay an:
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Mehr InformationenDynamik, extreme Lagen, Stilistik
Julia könnte den Song auch mal in extremen Lagen singen –als Herausforderung, anders als normalerweise mit ihrer Stimme umzugehen und damit die Lage zu meistern. Die besondere Aufgabenstellung ist dabei, unkonventionelle Lösungen zu finden und dadurch noch weitere Facetten ihrer Stimme zu entdecken.
Dynamisch sollte sie üben, den Song extremer auszureizen. Also wirklich mal alle Abstufungen singen – von geflüstert, fast ohne Stimme, bis hin zu voller Lautstärke. Dabei sollte sie sich genaue Gedanken machen, wie der Song dynamisch geführt werden sollte, um den Gesang spannend zu halten.
Vielleicht hilft es auch – Spaß macht es auf alle Fälle – den Song mal im Stil von ganz verschiedenen bekannten Sängerinnen und Sängern zu singen. Wie hätte Lady Gaga „Let it go“ gesungen? Wie Cro? Wie Bob Marley? Wie Ella Fitzgerald?
All diese Elemente sollen Julia helfen, ihre Interpretation von „Let it go“ zu entneutralisieren und den Song ganz zu ihrem eigenen zu machen. Weg vom Gutgelernten, weg vom nur-richtig-Singen und hin zum eigenen Sound.
Persönlichkeit
Julia fehlt gesanglich nichts. Sie hat eine offene, sympathische Persönlichkeit und noch großes Entwicklungspotential. Aber das haben tausende andere Sängerinnen leider auch. Um wirklich aufzufallen und herauszustechen, sind Können, aber auch eine komplett eigene Herangehensweise an die Songs wichtig. Bei berühmten Sängerinnen wisst ihr nach drei Tönen, wer da singt. Und das nicht nur, weil sie richtig singen, sondern weil kein anderer so singt, wie sie.
Mein Tipp für Julia ist, sich zu überlegen, was sie von anderen unterscheidet und was sie durch ihren Gesang, durch ihre Performance ausdrücken möchte.
Für das Casting bedeutet das, Songs zu finden, die ihre Persönlichkeit am besten erscheinen lassen und die (als kleiner Insidertipp) zwar bekannt sind, aber nicht die Megahits sind, die alle singen.
Ist eine Auswahl an Songs getroffen, müssen Freunde und Familie ran, um eine erste Meinung abzugeben, welcher Titel am besten ankommt.
Präsentation
In ihrem Video vermeidet Julia, uns anzusehen. Doch sie sollte sich ruhig trauen, mehr in die Kamera zu schauen und uns direkt anzusprechen. Um mehr Präsenz zu erlangen, ist es wichtig, die Situation auszuhalten, dass alle Blicke auf einen gerichtet sind. Außerdem sollte sie üben, Leute anzusehen.
Weiter gedacht kann sogar mit dem Gegenüber (Publikum oder Kamera) gespielt werden. Blicke können Spannung erzeugen. Wann werden wir angesehen? Wann bewusst nicht?
Kommen wir zu Thema Mikroständer. Zu gerne wird ein Mikroständer als „Versteck“ bei Unsicherheit genutzt. Das darf er aber nicht sein. Er ist ein Gegenstand, der zwischen dem Gesang und dem Publikum steht und Präsenz nimmt. Das ist generell schlecht. Es sei denn, es wird bewusst mit ihm „gearbeitet“. In Julias Video fände ich es schöner, wenn ohne Mikroständer gesungen würde, weil das direkter wirkt. Denn ich möchte die größtmögliche Nähe zu ihr haben. Für ihr bevorstehendes Casting sollte Julia sich ein Mikrostativtraining verordnen, um, im Fall der Fälle, souverän damit umgehen zu können.
Zum Package Präsentation gehören als noch die Ansagen. Um die zu trainieren, könnte Julia sich für jedes Stück, das sie sich für ihre Castingvorbereitung aussucht, eine Ansage schreiben und sie im Gesangsunterricht vortragen bevor sie das Stück singt. Bei mehrmaligem Singen gäbe es dann mehrere Ansagen für das gleiche Stück. Nie mit dem exakt gleichen Text, sondern immer etwas anders. Zur Inspiration schaut euch mal dasFeature zur perfekten Ansage an. Insgesamt sollte Julia sich eine positive Bühnen-Routine durch viel Auftreten aneignen. Wie ich auf YouTube verfolgt habe, tut sie das schon ordentlich.
Eigenes Songwriting
Last but not least möchte ich Julia vorschlagen, damit anzufangen, eigene Songs zu schreiben. Sie sollte unbedingt ausprobieren, ob sie das kann. Denn dadurch wird sie
1) die Songs, die sie nachsingt, besser verstehen lernen,
2) ihr Können für die Zukunft auf eine breite Basis stellen,
3) später die Chance haben, richtig Geld zu verdienen.
Die Komponisten eines Songs verdienen nämlich viel mehr und länger als die ausführenden Sänger.
Fame
Zum Schluss ein Wort zu den Vorbildern. Julia ist der Faktor, „es zu schaffen“ wichtig. Das muss so sein – absolut. Ohne eisernen Willen geht das nicht. Cool wäre es, wenn sie sich aber auch überlegt, wofür genau sie berühmt werden möchte. Nur um des Berühmtseins willen? Oder für etwas, das wirklich Bedeutung hat? Möchte sie die Welt verändern? Mit ihrem Gesang, ihren Songs, aufrütteln? Will sie die besten Songs schreiben, die der Planet je gesehen hat? Neue Musik erschaffen, die auch noch in 200 Jahren gehört wird? Ein ganzes künstlerisches Universum kreieren wie Björk oder David Bowie? Ich finde, große Vorbilder sind wichtig, um von ihnen lernen zu können, indem wir sie imitieren und nachspielen. Indem wir ihre Art zu denken kopieren. Es ist wichtig, eine Zeit lang mit ihnen zu leben, um durch sie auf eigene große Gedanken zu kommen. Jede berühmte Person hatte solche Vorbilder. Auch, wenn der Einfluss nicht immer zu erkennen ist. Sie sind der tolle Motor, um an ihnen zu wachsen und etwas Eigenes erschaffen zu können.
Julia, ich wünsche dir viel Erfolg! Und hoffe, in Zukunft noch mehr von dir zu hören.
Über ein allgemeines Feedback von euch zu meinem Check freue ich mich wie immer. Habt ihr noch weitere Vorschläge für Julia? Schreibt sie in die Kommentare.
Bis zum nächsten Mal,
eure Catharina