DJ-CD-Player gibt es vor allem im mittleren Preissegment von 300 bis 700 Euro wie Sand am Meer. Schon seltener trifft man auf Konstruktionen, die sich um und jenseits der 1000- Euro-Schallmauer positionieren und große Begehrlichkeiten wecken. Ad hoc fallen mir zwei Hersteller ein, die hier seit Jahren umtriebig agieren, und das sind Denon und Pioneer. Erst im Mai diesen Jahres kam ich in den Genuss, eines der Denonschen Sahnestücke zu testen, nämlich den SC3900. Der Multimedia-Turntable mit dem Alleinstellungsmerkmal eines direktangetriebenen High-Torque Plattentellers brachte authentisches Vinylfeeling `rüber und sahnte unterstützt von der iPad-App „Engine“ fast die volle Punktzahl ab. Schnell kam in mir die Frage auf, wann die Japaner denn ein Modell aus der Taufe heben würden, das auf den Direktantrieb zugunsten eines klassischen Jogwheels verzichtet. Die Antwort lautet: jetzt!
Der Neuankömmling hört auf den Namen SC2900 und gleicht seinem Vorgänger in vielen Punkten wie ein Ei dem anderen. Er spielt Medien von CDs, USB-Datenträgern und via Netzwerk ab, integriert einen USB-Port für Wechselspeicher sowie ein USB-Audio-Interface und lässt sich obendrein als MIDI-Controller für eine DJ-Software verwenden. Markantestes Merkmal und zeitgleich der Hauptunterschied ist das imposante, im Widerstand regulierbare 7-Zoll-Jogwheel. Zu den weiteren Ausstattungsmerkmalen zählen Loops, Hotcues, eine mehrstufige Pitch-Kontrolle mit Tonhöhenanpassung oder auch variable Start- und Stoppzeiten. Die Kommunikation mit dem Laptop und maximal vier Geschwistermodellen übernimmt Denons Engine-Software, die im Verbund mit der iPad-App ein Set-Monitoring via Tablet erlaubt und die Musikbibliothek am PC oder Stick drahtlos verfügbar macht. Soviel Luxus gibt’s natürlich nicht zum Taschengeldpreis und daher verwundert es nicht, dass unser Testkandidat mit einer Preisempfehlung von 999 Euro im Handel aufschlägt. Wer nun gerade schlucken muss, sollte bedenken, dass dies nur knapp die Hälfte von dem ist, was Pioneer, ebenfalls mit der Nexus-Revision des CDJ2000 in den Startlöchern stehend, für sein Flaggschiff aufruft. In die Reihen der Mitbewerber reiht sich auch Gemini ein, die gerade ihren mit MIDI, Interface, und Touchdisplay ausgestatteten Mediaplayer CDJ700 für vergleichsweise schlappe 679 Euro (Liste) ins Rennen um die Gunst der Deejays und Clubbesitzer geschickt haben. Auf Netzwerkeln oder iPad-Integration muss dieser allerdings verzichten. Und auch Numark und American Audio besitzen ein nicht zu unterschätzendes Produktportfolio. Ja, auf dem steinigen Pfad zum CD-Player-Olymp wird mit harten Bandagen gekämpft und manch einer verzichtet vielleicht gern auf das eine oder andere Feature, wenn er ein paar hundert Euro einsparen kann. Und was bedeutet das für den SC2900? – Wir werden sehen…
Details
Bevor es ans Eingemachte geht, heißt es den Kandidaten aus seiner Verpackung zu befreien und nachzusehen, ob er die Reise aus Nettetal, wo der deutsche Vertrieb ansässig ist, schadlos überstanden hat. Aus dem Karton schäle ich ein durch Styropor-Formteile gut gegen Transportmissgeschicke geschütztes Abspielgerät sowie Netz- und Audiokabel, Faltblätter und ein gedrucktes englisch-japanisches Handbuch. Wer keine Lust hat, sich durch dieses Manual zu ackern, findet deutsche Anleitungen als PDF auf der beigefügten CD, die auch ASIO und Core-Treiber sowie die Software „Engine“ enthält. Letztgenannte trägt die Versionsnummer 1.02 aus Februar 2012 wohingegen auf der Website bereits die aktualisierte Fassung 1.03 als Download erhältlich ist. Zum handelsüblichen Lieferumfang gehört laut Support auch eine Traktor LE, die im Pressesample nicht zugegen war, weshalb wir den Test unter „Pro“ fahren. Der erste große Unterschied zum SC3900 macht sich direkt beim Auspacken bemerkbar: Wo zuvor der manuelle Aufbau des Plattentellers erfolgen musste, kann ich mir diesen Schritt beim fest installierten neuen Kunststoff-Wheel sparen. Was ebenfalls auffällt: Denons jüngster Spross ist zwar ein CD/USB-Player, doch mit seinen 36 x 32 Zentimetern in der Tiefe und Breite kommt der Prüfling fast auf Turntable-Maße und nimmt die gleiche beträchtliche Stellfläche auf dem DJ-Tisch ein wie sein Geschwistermodell. Obwohl er also offensichtlich keine Schlankheitskur absolvieren musste, ist das Gewicht doch um etwa ein Viertel auf nun rund 4,4 Kilogramm gesunken.
Laufwerk und Platinen residieren in einem robust wirkenden, abgerundeten Chassis schwarz gesprenkelter Lackierung, das mit seinen Zierelementen und den seitlich angebrachten Schriftzügen irgendwas raumschiffartiges an sich hat. Ein Eindruck, der sich in Anbetracht des rotblau aufleuchtenden Jogwheel-Kranzes verstärkt, als ich den Boliden durch Betätigen des Einschaltknopfes das erste Mal auf „Warp“-Geschwindigkeit bringe. Der horizontale und vertikale 360 Grad Schnellcheck zeigt eine ordentliche Fertigung ohne Grate und Stoßkanten, eine teilverstärkte Bodenplatte sowie vier dicke, gummierte Standfüße für impulsive Tellerakrobaten. Fest sitzende Anschlussbuchsen und Bedienelemente von typischer Denon-Qualität untermauern solides Ingenieurswerk: Ich sehe hinterleuchtete, milchtrübe und schwarze Tasten aus Gummi- und Hartplastik, Encoder und Drehregler, die in dieser Art der Auslegung im Hersteller-Produktsortiment schon so manches raue Club-Jahr ohne Fehl und Tadel gemeistert haben. Die Grundbeleuchtung wichtiger Elemente kommt positiv zum Tragen, sodass der DJ, selbst wenn der Mann an der Nebelmaschine mal wieder den ganzen Club zu räuchert und kein Stagelight am Start ist, einigermaßen vor Fehlbedienung geschützt sein sollte. In diesem Zusammenhang fällt ferner auf, dass die Bedienelemente mit praxisdienlichen Abstand zueinander arrangiert sind.
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Backpanel
Empfängt mich an der Vorderseite lediglich der ausgezeichnet sanfte Slot-in Einzug für optische Datenträger – standesgemäß und vorteilhaft mit einer halbtransparenten, bei Einzug erlöschenden Blende beleuchtet – tummeln sich alle anderen Schnittstellen zum Kontakt mit der Außenwelt an der Hinterseite. Ich fang mal links an, wo eine Ausfräsung für ein Kensington-Schloss übel gesonnenen Langfingern das Berufsleben schwer macht. Daneben haben es sich ein schutzumrandeter Einschaltknopf und die Netzteilbuchse gemütlich gemacht. Ihnen gegenüber wartet das klassisch in rotweiß gehaltene Stereo-Cinch-Paar auf die Verbindung mit dem Mischpult. Weiter westlich residieren eine digitale S/PDIF- und die USB-Buchse (PC/MIDI). Dann folgt ein RJ-45-Netzwerkanschluss, über den bis zu vier kompatible Denon-Geräte per Hub im Verbund zusammenarbeiten können. Komplettiert wird das Backpanel von einer Faderstart-Buchse. Sie dient zum Starten und Stoppen des Abspielgerätes über die Position des Crossfaders am Mixer, sofern dieser kompatibel ist.
Jogwheel
In Gang gesetzt werden die Titel über zwei große beleuchtete Play-Cue-Tasten auf rechts außen. Im Zentrum des Boliden beeindruckt das imposante Jogwheel. Mit seiner Vinyl-artigen Kunststoffauflage und einem Durchmesser von 16,5 Zentimetern könnte es sogar Turntablisten ansprechen, denn es ist schön groß geraten und liegt gut an der Hand. Obendrein kann es fünfstufig in seinem entgegengebrachten Laufwiderstand reguliert werden und die Übersetzung ist sehr akkurat. Prima. Ein optisches Schauspiel der besonderen Art umgibt den Teller. Er ist von einem milchtrüben Kranz eingefasst, der blau (optional rot, lila, sowie invertiert) aufleuchtet, sofern ein Musikstück geladen ist, wobei eine rote, ebenfalls farblich variable LED in 48 Schritten (optional 96) in Laufrichtung mitwandert. Beim Reverse-Mode natürlich entgegengesetzt und beim Scratchen der Laufrichtung nach. Das ist mindestens genauso übersichtlich, wie ein Tellerdisplay. Ein weiteres Lämpchen visualisiert Touch-Aktivität im eingeschalteten Vinyl-Modus. Was die Sensibilität angeht, so ist diese in fünf Schritten justierbar. In der Praxis stellt sich heraus, dass der Sensor bei Stufen oberhalb von „minimal“ bereits reagiert, ohne dass die Hand aufliegt.
Demzufolge kann das Rad bei Oberflächenandruck zum Scratchen, an der mit fingerführenden Zierelementen besetzten Seite angeschoben zum Nudging verwendet werden. Im Pausenmodus ist eine Feinsuche mit 1/75 Sekunden zur akkuraten Positionierung von Cue-Punkten und Loops möglich. Zwei Regler dirigieren Start- (0-8 Sekunden) und Stoppzeit (0-15 Sekunden) der Musikstücke, so wie man es von einem Plattenteller mit den üblichen Anlauf- und Bremszeiten kennt. Ich finde, dass der SC2900 dem Plattenspieler-Feeling tatsächlich noch einigermaßen nahekommt. Was mir in Anbetracht der Präsenz seiner direktangetriebener Brüder indes viel wichtiger erscheint – man verzeihe mir den Vergleich – ist der Schritt in Richtung CDJ2000-Feeling. Vor allem, wenn ich an die zwar kompakteren, aber bei Weitem nicht so gut zu handhabenden Teller des Denon DN-S1200 denke, ist diese Entwicklung meiner Meinung nach logisch und auch überfällig.
Um die eigene Performance am SC2900 noch persönlicher zu gestalten, bietet das Einstellungsmenü weitere Tuning-Optionen, die via USB auf jeden anderen 2900er übertragen werden können- im Club aber bitte nur bis zum nächsten Ausschalten, sprich temporär. Darunter finden sich zum Beispiel Netzwerk-IDs, Panel- und Jogwheel-Kontrast, die Farbcodes für den Kranz und Indikator, Relay-Play, Faderstart, Autocue-Verhalten, Auto-Loop-Länge und eine Formatierungsfunktion für USB-Wechselspeicher. Praktisch, um zum Beispiel einen Stick für Benutzereinstellungen vorzubereiten. Eigentlich sehr schade, dass der Hersteller keinen SD-Karten-Slot verbaut hat.
Navigation
Die Kombination aus Push-Encoder und Zurück-Button entpuppt sich als sehr gute Lösung, um sich durch das Datendickicht (Stammordner, Unterverzeichnisse, Tracks …) einer Festplatte, eines Sticks oder einer CD zu hangeln. Erlaubte Verzeichnistiefe: Neun! Besonders interessant: Im USB-Modus mit analysiertem Datenbestand kann ich mich für Artist, Title, einzelne BPM-Bereiche und Genres entscheiden. Via Shift lässt sich die auch Suche nach Crates und Listen realisieren. Die Next-Track-Funktion sorgt dafür, dass die aktuelle Wiedergabe während der Suche eines Nachfolgetitels nicht unterbrochen wird. „Playlock“ schützt gegen versehentliches Laden. „Hotlist“ parkt einzelne Titel in einer temporären Abspielreihenfolge, die im Netzwerk-Konglomerat geteilt werden kann. Im Musikstück selbst wird mittels Plattenteller oder Fast-Search-Buttons gespult, wobei letztgenannte durch kurzes Antippen während der Wiedergabe einen Zeitsprung von drei Sekunden absolvieren und bei dauerhaftem Gedrückthalten deutlich schneller spulen. Im Pausenmodus wandern diese nur einen Frame weiter, was auch zur Hotcue-Zielerfassung eine willkommene Funktion darstellt, nicht jedoch zum Definieren von Wiederholschleifen gedacht ist (wieso eigentlich nicht?) und sich naturgemäß zum Feintuning von Running-Loops ausschließt.
Display
Nicht viel Neues gibt es vom Display zu berichten. Es steht leicht angewinkelt zum Betrachter und lässt sich gut ablesen. Es versorgt den DJ während seiner Darbietung mit wichtigen Informationen wie Laufzeiten (Elapsed, Remain, Total Elapsed/Remain), BPM- oder Pitch-Werten. Der Screen kann CD-Texte, MP3-Tags und Ordnerbezeichnungen auf einer dreizeiligen Punkt-Matrix mit maximal sechzehn Zeichen nebst Scrolling darstellen, wobei die obere Leiste dem Ordner vorbehalten ist und die nachfolgenden den Titeln selbst gewidmet sind. Mittels der Taste „Display“ lassen sich MP3-Tags umschalten, sofern ein Titel geladen ist. Darüber informiert die Peak-Anzeige wo Signalspitzen, Breaks, Cuepoints und Loops anliegen. Jedoch kann sie in Ermangelung eines grafischen Vollfarb-Displays aufgrund der mageren Dotmatrix-Auflösung nicht zum Aufspüren einzelner Beats herhalten. Die Live-Vorschau wird mit voranschreiten des Titels progressiv aufgebaut, weshalb sich eine vorherige Berechnung durch Engine empfiehlt. Weitere Ausführungen zu der Software folgen später.
Kreativabteilungen
Manuelle Loops fange ich in bewährter Manier über In/Out ein. Sollte ich bei einer handgemachten Wiederholschleife mal übers Ziel hinaus schießen, kann ich den Endpunkt, genau wie den Startpunkt über die „Trim“-Taste per Jogwheel in 1-Frame-Schritten verschieben. Von Punkt A ausgehend beträgt das Feintuning-Intervall 15 Frames zum Startpunkt des Titels und 30 Frames auf Punkt B zu. Von Punkt B aus kann ich bis auf einen Frame nach Punkt A und bis zum Ende des Titels wandern. Über die Autoloop-Funktion definiere ich Schleifen zwischen 1/32 Beat und 512 Beats plus Full-Title, deren Größe ich mit den seitengelagerten Tasten „Plus“ und „Minus“ einstelle. Diese fungieren auch als Loopcutter und können somit die Audiozyklen im laufenden Betrieb verdoppeln oder halbieren. An der Hardware stechen ferner vier separate Hotcue-Tasten angemessener Größe nebst „Delete“ ins Auge. Das sollte in der Regel ausreichen, um Main Part, Breaks oder Scratch-Punkte zu markieren. Im MIDI-Modus ermöglicht der „Bankswitch“ auf weitere vier Marker zuzugreifen.
Die integrierten Effekte beschränken sich auf eine Reverse-Funktion und Slip. Mit aktiviertem Slip puffert der Player bei einem Rückwärtslauf (maximal vier Sekunden) die Echtzeitposition unhörbar im Hintergrund und spielt den Titel später an eben dieser Position wieder ab. Besonders praktisch ist dieses Feature, wenn zwei Titel im Mix synchron laufen, denn sie marschieren nach einem Slip-Reverse im Gleichschritt weiter, was auch in Kombination mit Scratch-Einlagen und Loops funktioniert. So lassen sich zudem beatsynchrone Reverse-FX bauen oder unliebsame Textpassagen ausblenden.
Was an dieser Stelle noch Erwähnung finden sollte, ist die „Memo“-Funktion, denn sie speichert für bis zu 100.000 Titel Loops, (Hot-) Cues, Wiedergabegeschwindigkeit, BPM-Wert und die Tonart ab. Dieses Feature ist in der Praxis gut anzuwenden, da sich Memos mit wenigen Handgriffen speichern, aufrufen, überschreiben und löschen lassen, jedoch gelingt dies nur auf FAT-formatierten USB-Sticks und Festplatten, da HFS-Datenträger nur gelesen werden können und nicht beschreibbar sind.
Pitch
Mit einem Regelweg von 100 Millimetern ist der Pitchfader schön groß geraten und erlaubt je nach Auflösung (6, 10, 16, 100 %) auf der kleinsten Stufe Geschwindigkeitsanpassungen im Hundertstel-Bereich, auf der höchsten von einem halben Prozent. Wer adhoc auf einen anderen Arbeitsbereich umschaltet, wird mit einem Tempo-Sprung konfrontiert. Wer den Pitch nicht benötigt, kann ihn auch deaktivieren. An den beiden Enden des Regelweges konnte ich einen Bereich von zwei Skalen-Einteilungen ausmachen, in denen ein Verschieben des Reglers keine Auswirkungen auf die Geschwindigkeit hat.
Die interne Master-Tempo-Funktion startet einen Timestretch-/Compression-Algorithmus, der die Tonhöhe eines laufenden Musikstückes beim Originaltempo einfriert, und zwar unabhängig von der aktuellen Pitch-Position, respektive dem tatsächlichen Tempo! Je größer der Pitch-Wert, umso wahrscheinlicher ist das Auftreten von Artefakten. Die nachstehenden Audiofiles verdeutlichen diesen Sachverhalt.