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Clavia Nord Electro 3 – Sixty One Test

Erster Eindruck
Rot sind sie alle, und auf den ersten Blick sind die optischen Veränderungen des Electro 3, im Vergleich zu seinem Vorgänger, gering. Durch die nicht mehr abgerundeten, sondern flachen und rechtwinkligen Flanken wirkt die neuste Version kantiger und kompakter. Das Ganze hat aber auch einen praktischen Effekt. Die abgerundeten Flanken waren für meinen Geschmack zwar optisch ansprechender, vereiteteln jedoch den sicheren aufrechten Stand des Instruments beim Anlehnen z.B. an einer (Studio) Wand – was z.B. im Testalltag bei mir im Studio des öfteren der Fall ist,  wird es mal kurzfristig nicht benutzt. Hinzu kommt, dass das Instrument nun sicherer im Case liegt.
Die Bedienelemente wurden ebenfalls überarbeitet und die Anordnung der Regler und Schalter machen beim Electro 3 auf den ersten Blick einen aufgeräumteren Eindruck als bei den Vorgängern.

Die Verarbeitungsqualität stimmt nach wie vor. Mit den lackierten Seitenteilen und dem Metallgehäuse wirkt das Instrument edel und solide verarbeitet. Die Potis sind angenehm schwergängig, allerdings könnten sie sich etwas wertiger anfühlen. Das gleiche gilt auch für die auf sehr geringen Druck reagierenden grauen und schwarzen Tipp-Taster. Unterm Strich erledigen die Bedienelemente ihren Job aber absolut souverän, und so attestiere ich dem Electro 3 einen durchaus wertigen Eindruck und eine gute Bedienbarkeit. Wie in der Electro-Reihe üblich, verzichtet Clavia auch beim Electro 3 auf ein Display und Spielhilfen wie Pitch und Modulation sowie leider auch auf einen Delay-Effekt, was, soviel sei schon einmal verraten, im Verlauf des Test doch zu der ein oder anderen Irritation geführt hat.

Tastatur
Die Wahl der richtigen Tastatur ist für ein Instrument, welches so unterschiedliche Instrumente miteinander verbindet, immer eine heikle Sache, da es keine Tastatur gibt, die allen Spielarten gerecht werden kann. So kommt entweder eine Kompromisslösung in Frage oder eben eine spezifische Tastatur, wie im Fall des Electro 3. Die verwendete Waterfall-Tastatur ist für ein Instrument dieser Klasse eine gute Wahl. Die fünf Oktaven wurden eindeutig auf das Spiel der Orgelsounds abgestimmt. Der Druckpunkt der Tasten und ihre Verarbeitung sind für das Orgelspiel vorbildlich, wenn auch der Widerstand im Vergleich zu einer Hammond-Tastatur eine Nuance schwerer ist. Das Spiel macht Spaß und dank der Güte und Haltbarkeit, die die Tasten vermitteln, wird dies sicher über lange Zeit so bleiben.

Für die edlen Flügelklänge des Instruments würde ich natürlich lieber auf eine externe Tastatur zurückgreifen, die den Ansprüchen eines Pianisten in Sachen Tastenumfang und Gewichtung besser gerecht wird. Das gilt auch für die E-Piano und Clavinet-Sounds. Der Triggerpunkt einer Waterfall-Tastatur ist einfach zu weit oben, um sich bei dem Spiel dieser Sounds so richtig wohl zu fühlen. Letztlich ist das aber auch eine Frage der Gewöhnung, denn nennt man ein Nord Electro 3 sein Eigen, findet man auf dieser wirklich guten Tastatur ganz sicher auch einen Weg, die verschiedenen Klänge zu interpretieren.

Anschlüsse
Wie man sehen kann, bleiben in Sachen Anschlüsse beim Nord Electro 3 keine Wünsche offen!

Rückseite, Anschlüsse
Tabelle: Anschlüsse

Die Buchsen bestehen aus Metall und sind vorbildlich verarbeitet und verschraubt. Bei einem Gesamtgewicht von 7,65 kg ein Beweis dafür, das es nicht immer billige Plastikbuchsen sein müssen, um etwa Kosten und Gewicht einzusparen. Die Kopfhörerbuchse ist leider, wie bei so vielen Keyboards, auch hier wieder an der Rückseite untergebracht. Allerdings braucht man im Falle des Electro 3 kein Entwickler zu sein, um zu bemerken, dass der Kopfhöreranschluss an der Front nicht möglich ist. Der Tiefgang der Tasten verhindert den Einbau einer Buchse. Man müsste also das gesamte Instrument verbreitern. Und das ist natürlich wirklich eine Frage von Kosten und Nutzen.

Ich habe mir mal einen kleinen Spaß erlaubt: Wie wäre es eigentlich, wenn die Kopfhörerbuchse auf der Oberfläche angebracht wäre? …und hier fände sich sicherlich auch noch ein Plätzchen für die Miniklinkenbuchse des „Monitor-Out“!

Fotomontage: wie wär’s mal mit Anschlüssen auf dem Panel?!

Die Oberfläche des Electro 3 ist in vier Einheiten unterteilt. In der Mitte befindet sich die PROGRAM SEKTION

Hier werden die insgesamt 128 Programme verwaltet und durch ein kleines LED-Display numerisch angezeigt. Mittels UP- und DOWN-Taster wählt man einen Sound aus.
Die darunter liegenden Schalter bieten die Möglichkeit, zwischen den beiden Bänken
A und B zu wählen (jeweils 64 Programme).
Der schwarze Taster daneben trägt die Bezeichnung „Live“. Ist er aktiviert, werden alle Soundveränderungen, die ich auf der Suche nach einem geeigneten Sound tätige, in den „Live Buffer“ geschrieben. Ich erspare mir damit also einen Speichervorgang, der im Eifer des Gefechts bei der Soundsuche erschwerend wäre. Der Buffer bleibt auch nach dem Aus- und wieder Einschalten des Gerätes erhalten und ist besonders bei Bandproben ein willkommenes Feature.

Program Sektion

Darunter liegen die Wahltaster für die gewünschte Instrumenten-Sektion (Organ, Piano)
Der „Oktave Shift“-Taster erlaubt die Transponierung der gewählten Klänge in Oktavschritten. Im System-Menü lässt sich der Nord Electro auch in +/- 6 Halbtonschritten transponieren – auch Finetuning von +/- 50 Cent ist möglich.

Ich möchte an dieser Stelle noch auf ein weiteres Feature aufmerksam machen, das sich ebenfalls im System-Menü aufrufen lässt: unter dem Menüpunkt „Output Routing“ hat man mit den Einstellungen „SO“ und „SP“ die Möglichkeit, bestimmte Instrumenten- gruppen jeweils einem der beiden Mono-Ausgänge zuzuordnen.

SO – Separated Output: Alle Orgeln werden am linken, alle Pianos und Samples am rechten Ausgang ausgegeben.

SP – Split Output: Nur die Tonewheel-Organ liegt am linken Ausgang an, alle anderen Klänge werden auf den rechten Ausgang geroutet.

Range St – Stereo Output: Dies ist die Standardeinstellung. Alle Sounds werden auf beiden Ausgängen (ggf. stereo) ausgegeben.

Wenn man mit externen Amps arbeitet, kann das sehr nützlich sein, und auch der Live-Mischer könnte dankbar für eine solche Signaltrennung sein!

Mit „Shift“ aktiviert man die Doppelfunktionen einiger Taster, die auf der Oberfläche in hellgrau angegeben sind. Auf diese Weise gelangt man in das oben genannte System-Menü, aber auch zu den Einstellungen für MIDI und zum Sound-Menü. Um die Editierung dieser Menüs zu erleichtern und sich von dem Handbuch unabhängig zu machen, wurde rechts auf die Oberfläche des Keyboards eine Legende mit den Bedeutungen der recht kryptischen und spärlichen Informationen des dreistelligen LED-Displays gedruckt.

Legende

Diese Legende ist bei der Arbeit mit den internen Menüs wirklich hilfreich – und auch nötig.
Ich frage mich allerdings, ob ein Einbau der sehr kleinen, aber informativen Displays aus der Clavia Stage-Reihe das Entwicklungs- bzw- Fertigungsbudget des Electro 3 tatsächlich gesprengt hätte…? Sei’s drum, ich habe mich schnell an diese etwas archaische Vorgehensweise gewöhnt und gelange problemlos in die gewünschten Menus. Zumal die Legende ja mehr bietet, als das größte Display es jemals zu zeigen vermag.

Rechts neben der Programm Sektion befindet sich die EFFECTS SEKTION

Diese Sektion ist unterteilt in:

• EQ
• Effektsektion 1
• Effektsektion 2
• Speakersimulation mit vier Typen oder Compressor
• Reverbsektion mit fünf Typen

Effects Sektion

Alle fünf Effekteinheiten können gleichzeitig aktiviert werden und bieten so einen großen Pool an Effekten, die besonders für die Verfeinerung der Orgel- und E-Piano-Sounds gedacht sind. Ein Delay sucht man jedoch leider vergeblich. Das fehlt mir nicht nur bei der Interpretation bestimmter musikalischer Stilrichtungen, wie z.B. Reggae. Besonders schmerzlich empfinde ich die Abwesenheit bei der Nutzung der Sample Library Sounds. In diesem Zusammenhang sei das geniale Delay eines Nord Stage hervorgehoben, mit Tempo Tap-Funktion, etc. Aber irgendwo muss natürlich gespart werden, sonst bestünde am Ende kein großer Unterschied mehr zum Nord Stage Compact, der die gleichen Disziplinen beherrscht wie das Electro, jedoch mit einer zusätzlichen Synthesizer-Sektion noch üppiger ausgestattet ist.

Links von der Program Sektion findet der User die unterteilte INSTRUMENTS SEKTION

Instruments Sektion

Die Beschriftung deutet bereits darauf hin, wo die Schwerpunkte beim Electro 3 gesetzt sind, nämlich auf Orgel- und Piano-Sounds. Die Orgeleinheit ist komplett und übersichtlich gestaltet. Die neun multifunktionalen „Zugriegel“ des Electro sind individuell und spezifisch für die Produkte der Firma Clavia. Multifunktional deshalb, weil sie nicht nur die Zugriegelfunktion einer B3 simulieren müssen, sondern auch die speziellen Registrationen der Farfisa oder Vox Continental. Die einheitliche Oberflächengestaltung für alle Orgeltypen ist Clavia für meinen Geschmack hervorragend gelungen!
Die Kombination aus Doppelbeschriftungen der Zugriegel und unterschiedlichen LED-Anzeigen simulieren die unterschiedlichen Systematiken der Registrierung der Originalinstrumente sehr gut.
Die Zugriegel der B3 und Vox Continental sowie die Kippschalter-Register einer Farfisa werden über die Tipptaster unter den LED-Bändern nachgeahmt. Dieses Prinzip steht oft bei denjenigen, die eine typische Zugriegel-Registrierung erwarten, in der Kritik. Nach eingehender Einarbeitungsphase mit dem Electro oder auch dem Stage von Clavia lernt man die multifunktionale Handhabung jedoch sehr zu schätzen. Soll heißen: Ich komme damit sehr gut zurecht! Im Übrigen ist die Bedienung über die zwei Taster je Drawbar (UP und DOWN) bei meinem Testgerät viel präziser geworden. Ist in meinem Testbericht über das Nord Stage 88 noch zu lesen, dass bei der Regelung über die UP- und DOWN-Taster oftmals Ungenauigkeiten wie das Überspringen von ein, zwei Schritten auftreten, ist die Zugriegeleinstellung beim Electro 3 nun genau Schritt für Schritt einstellbar. Und dies insbesondere bei schnellen, intuitiven Eingriffen während des Live-Betriebs.
In Verbindung mit der Shifttaste dienen die UP- und DOWN-Taster darüber hinaus dazu, die Orgel-Presets 1-18 auszuwählen.

Das Drawbarprinzip von Clavia
Audio Samples
0:00
Rotary Slow-Fast-Slow

Über der Registratur findet man die Einstellungen für das Vibrato, die Percussion und eine Preset-Splitfunktion, die das Spiel zweier unterschiedlicher Orgel-Sounds ermöglicht. Der obligatorische Mastervolume-Regler ist ganz links positioniert, darunter finde ich die Auswahltaste für die verschiedenen Orgel-Modelle (B3, Farfisa und Vox Continental). Komplettiert wird die Orgelsektion durch die Taster für die Rotary-Speed. Zu erwähnen ist hier der neuartige Stop-Modus, der der Rotation wie üblich kein abruptes Ende setzt, sondern langsam beendet. Das klingt besonders beim Spiel wesentlich musikalischer.

Piano / Program

Die Piano-Sektion nimmt zwar recht wenig Platz auf der Oberfläche des Nord Electro 3 ein, sie hat es aber in sich. Zwischen sechs verschiedenen Typen kann der Kunde wählen:

• E-Piano (Rhodes MK I, -MK II, -MK V und -Suitcase)
• Upright Piano
• Grand Piano (Acoustic + Electric Grands)
• Wurlizer
• Clavinet/Hapsichord
• Sample Library

Innerhalb des gewünschten Typs erlaubt das Instrument mittels Mode-Schalter, verschiedene Unter-Modelle auszuwählen. Diese werden numerisch im darüber liegenden LED-Fenster angezeigt.

Auch hinter dem Sample Envelope/Clavinet EQ Segment verbirgt sich viel mehr als vermutet, denn hier kann man feste EQ- und Release-Einstellungen auswählen.
Vier gut und sinnvoll ausgesuchte Release-Zeiten und EQ´s verleihen so dem gewählten Clavinet- oder String-Sound die gewünschte Würze.

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