Er ist das Mastermind hinter Blur und Gorillaz. Er stellte sich gegen Trends und Labels und hatte trotzdem kommerziellen Erfolg. Für manche ist er der größte Musiker, den kaum jemand namentlich kennt. Wir stellen vor: Damon Albarn.

Damon Albarn, 1968 in Whitechapel, London, geboren , ist in einer Künstlerfamilie groß geworden. Sein Vater Keith Albarn hat bei zahlreichen Galerien, Installationen und Festivals mitgewirkt und die Colchester School of Art geleitet. Seine Mutter Hazel war als Bühnenbildnerin für ein Theater tätig und hatte auch privat eine Passion für den Kulturbereich. Gute Vorraussetzungen also, selbst in den Kunstbereich einzusteigen.
Sweet photo DAMON ALBARN with his family – sister Jessica, dad Keith, and mom Hazel – in his childhood home. pic.twitter.com/c3LFgO18cI
— Britpop News (@britpopnews) August 14, 2024
Als Jugendlicher lernte Damon Geige und Klavier spielen, und eine seiner Kompositionen gewann sogar einen Preis beim landesweiten Wettbewerb “Young Composer of the Year”. Nachdem Damon und seine Schwester Jessica Prüfungen in ihrer Schule nicht bestanden hatten, wechselten sie in die Sekundarschule “Stanway Comprehensive School”. Damon empfand sich dort als “wirklich unbeliebt” und “irritierend für viele Leute”, entwickelte jedoch ein Interesse am Theater und spielte in Schulproduktionen mit. In Stanway lernte er dazu Graham Coxon kennen, den späteren Blur-Gitarristen, der ihn beim Schauspielern sah und als “Angeber” bezeichnete. Liebe auf den ersten Blick war es nicht.
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“Deine Brogues sind scheiße, Kumpel. Schau, meine sind die richtige Sorte.”
Albarns erste Worte an Coxon
Blur
Dennoch wurden die beiden gute Freunde, denn sie teilten ihre Leidenschaft für Musik, insbesondere für die Bands ‘The Jam’, ‘The Beatles’, ‘The Human League’, ‘XTC’ und ‘Madness’.
Anfang bis Mitte der 90er wurde die Grunge-Bewegung, bestärkt durch den globalen Erfolg von Nirvana und Pearl Jam, zum Mainstream-Phänomen. Auch Großbritannien war im Grunge-Fieber und Bands wie ‘Bush’, ‘Headswim’ und ‘Silverchair’ profitierten von dem Trend. Das brachte natürlich auch Labels dazu, den Grunge-Sound bei ihren Bands zu fördern. “Sie waren ziemlich erpicht darauf, dass wir den Sound des Augenblicks [Grunge] spielen]”, sagte Albarn über Blurs damaliges Label EMI.
Albarn wollte aber nicht mit der Masse gehen, sondern sein eigenes Ding machen. Albarn wollte auch nicht den Amerikanern nacheifern, sondern seinen Stolz auf seine britische Heimat in seiner Kunst unterbringen. Während Grunge-Musiker einen rebellischen, ungepflegten Stil mit lässigen Flanellhemden, abgewetzten Cordhosen und abgetragenen Converse feierten, ging Blur in die andere Richtung. Die Bandmitglieder kleideten sich wie britische College-Studenten. Damon überlegte sogar, das dritte Blur Album ‘Britain versus America’ zu nennen. Am Ende wurde es ‘Parklife’.
Britpop-Battle: Blur vs Oasis
1995 kam es dann zum Showdown: Oasis vs Blur. Die zu der Zeit erfolgreichsten britischen Bands kämpften um den Thron und einigten sich auf etwas, das sehr unüblich war. An einem Sommertag 1995 veröffentlichten sie am gleichen Tag eine Single: Blur mit ‘Country House’ und Oasis mit ‘Roll With It’. Blurs Song erreichte Platz 1 der Charts mit 274.000 Exemplaren gegenüber 216.000 von Oasis. Fairerweise muss man dazu sagen: Die Oasis CD Single kostete 3.99 Pfund, die von Blur nur 1.99 Pfund.

Das Drama um den Thron des Britpop war ein gefundenes Fressen für die Medien. “British Heavyweight Championship: The Battle of Britpop” oder “Definitely Hazy” (Anspielung auf Oasis’ Album ‘Definitely Maybe’) wurde getitelt. Manche sprachen sogar von der Neuauflage des Duells Beatles vs Stones. Den Bands konnte die kostenlose Berichterstattung recht sein – beide profitierten kommerziell von den Schlagzeilen. Das Single-Duell entschied zwar Blur, den gesamten Kampf letztlich Oasis für sich. Oasis brachte Ende 1995 mit ‘(What’s the Story) Morning Glory?’ das 5. meistverkaufte Album der Geschichte des Vereinigten Königreichs heraus.
“Wenn es einen Song von Blur gäbe, den ich zu meinem eigenen machen könnte, würde ich Beetlebum wählen. Der Song könnte von den Beatles geschrieben worden sein, so gut ist er!”
Noel Gallagher über ‘Beetlebum’
Blur entschied sich wieder einmal zu verändern, und richtete den Blick wieder nach Amerika. Genug Britpop, stattdessen ging es Richtung US-Indie-Rock und Alternative Rock. Bei ihrem erfolgreichsten Werk ‘Song 2’ versuchte man sich mit aggressiven, verzerrte Gitarrenspiel, das an Nirvana erinnert. Der Eröffnungstrack ‘Beetlebum’ ist hingegen ein hypnotischer, melancholischer Alternative-Rock-Song mit Psychedelic-Einflüssen, den sogar Noel Gallagher lobte.
Gorillaz
1998 gründete Albarn mit Gorillaz etwas, was es zu dieser Zeit in dieser Form nicht gegeben hat. Gorillaz sollte mehr als nur eine Band werden. Es entstand hier vielmehr eine multimediale Plattform und ein künstlerisches Konzept, das sich bewusst kritisch mit der Musikindustrie auseinandersetzt. Die Idee auf Comic-Zeichnungen und animierte Charaktere zu setzen kam ihm Mitte der 90er, als er in London gemeinsam mit dem Karikaturisten Jamie Hewlett zusammen lebte.
Obwohl Albarn mit Blur am Zenit seines bisherigen Erfolgs war, konnte er sich dennoch nicht damit abfinden, dass die Musikindustrie Kunst zu einem Produkt verkommen ließ. In Interviews sprach er davon, dass die 90er Jahre eine “selbstzerstörerische” Zeit für Musiker gewesen seien und viele Künstler unter dem Druck der Musikindustrie litten. In Interviews kritisierte er, dass sich die Industrie mehr auf Image als auf musikalische Qualität konzentrierte. Die Labels würden lieber einfache, massenkompatible Hits produzieren, anstatt Künstlern kreative Freiheiten zu lassen.
Mehr als eine Band
Sein Projekt Gorillaz sah er bewusst als Gegenentwurf zur typischen Popstar-Industrie. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (2005) erklärte Albarn dazu: “Musik ist größer als ihr Image. Die Leute werden darauf abgerichtet, Stars anzubeten, anstatt sich mit der Musik zu beschäftigen.” Mit seinem neuen Projekt wollte er zeigen, dass Musik unabhängig von ihrem Schöpfer existieren kann – ein direkter Seitenhieb auf die Star-Kultur, die sich bereits in den späten 90ern stark entwickelte.
Noch schlimmer wurde es dann Anfang der 2000er, als Castingshows zu großen Quotenschlager wurden. 2009 sagte Albarn Rückblickend gegenüber dem Rolling Stone-Magazin: “Diese Shows haben der Popmusik jegliche Tiefe genommen und sie in einen Schutthaufen verwandelt, in dem nur noch Celebrity-Faktor und Voyeurismus zählen.”
“Du bist für mich der interessanteste britische Musiker”
Elton John
Musikalisch mischte Gorillaz Genres in einer Weise zusammen, wie es auf der Weltbühne bisher unüblich war. Elemente aus Rap, elektronischer Musik, Reggae und Pop wurden miteinander verbunden. Ins Studio holte sich Albarn dabei Musiklegenden wie Lou Reed, Snoop Dogg, De La Soul, Elton John, Mavis Staples, Bobby Womack und viele viele weitere. Bei jedem neuen Album stellten Fans sich die Fragen: Was für ein Sound wird es diesmal? Mit welchen Künstlern wird es eine Zusammenarbeit geben?
Der ikonische Song ‘Clint Eastwood’ spielte er mit dem “Rock 1”-Preset auf dem Suzuki Omnichord, wie in der ersten Szene der Studio-Tour mit Apple Music zu sehen ist.
Die Zukunft von Albarn – Oper und neues Gorillaz Album
Sorgen um eine längere Schaffenspause müssen sich Albarn-Fans nicht machen. In einem Interview für die April-Ausgabe des französischen Magazins “Les Inrockuptibles” sagte er: “Leute in meinem Alter sagen: ‘Das soll jetzt jemand anders machen, ich habe hart genug gearbeitet.’ Aber du kennst mich ja… ich habe dieses unbändige Verlangen, ständig zu lernen und mich zu verbessern.” Angesprochen auf die nächsten Projekte, können wir uns auf eine neue Oper des Künstlers freuen. Es ist nach “Monkey: Journey to the West” und “Dr. Dee” sein dritter Ausflug in die Hochkultur.
“The Magic Flute II: La Malédiction” wird am 27. März in Paris uraufgeführt. Nach mehreren Fehlstarts und einem Neubeginn des Werks glaubt er, endlich herausgefunden zu haben, wie man für eine Oper schreibt – so sehr, dass er “The Magic Flute” heute als eines der besten Werke betrachtet, die er je geschaffen hat.
„Es [die Oper] ist komplett elektronisch. Vor allem, weil es im Lido aufgeführt wird, das eine sehr niedrige Decke hat. Daher dachte ich, dass dies der perfekte Ort ist, um eine Club-Atmosphäre zu schaffen (…). Es ist ein sehr modernes, sehr zeitgenössisches Werk. (…) Ich denke, es wird anders sein als alles, was man bisher gehört hat.”
Albarn über seine neue Oper
Auf die Frage nach seinen Plänen für dieses Jahr antwortet er, dass er auch ein neues Gorillaz-Album fertigstellen wird. “Eine Oper und ein neues Gorillaz-Album scheinen für 2025 zu reichen!” Wir sind bereit!