Typische Szene aus Western-Filmen: Der Hauptdarsteller betritt den Saloon – urplötzlich stoppen Musik und sämtliche Gespräche! Alle Augen starren den Mann an, der soeben durch die Tür kommt. Ähnlich exponiert fühlen sich viele Bassleute, wenn das Basssolo naht! In den meisten Live-Situationen ‑ sei es Party-Band, Cover-Band, Session, eigene Band etc., bekommt man als Bassist:in nur ein einziges Solo-Spotlight am Abend, um sich dem Publikum in Form eines Bass-Solos vorzustellen. Dementsprechend groß kann der Druck sein, den man in einer derartigen Situation empfindet! Vermasselt man dieses Solo, so hat man in der eigenen Wahrnehmung nicht selten den gesamte Abend verpatzt – egal, wie gut man alles andere gespielt hat! In diesem Workshop wollen wir uns ein paar Strategien zurechtlegen, um der Angst vor dem Bass-Solo wirkungsvoll entgegenzutreten.
- Angst vor dem Bass-Solo: Die Psyche bestimmt alles!
- Die Angst vor dem Bass-Solo und das Problem der mangelnden Routine
- Bass-Solo spielen: Das richtige Mindset finden!
- Simulieren einer Auftritts-Situation
- Visualisierung eines Bass-Idols
- Imagination des Worst Case Szenarios
- Angst vor dem Bass-Solo: Vorbereitung ist (fast) alles!
- Positive Vibrations schaffen
- Guter Tipp für das nächste Bass-Solo: Less is more!
- Einfach mal ausprobieren: 3 Wege für dein Bass-Solo
- Zwei Beispiele für Bass-Soli
- Beispiel 1: Rock-Basssolo (8 Takt Groove – 16 Takte Solo)
- Beispel 2: Pop/Funk-Basssolo (8 Takt Groove – 16 Takte Solo)
Angst vor dem Bass-Solo: Die Psyche bestimmt alles!
Das Thema Lampenfieber ist natürlich – wie die gesamte Psyche – vollkommen individuell, hochkomplex und äußerst sensibel. Daher möchten wir Abstand davon nehmen, hier irgendwelche tiefergehenden psychologischen Ratschläge in dieser Sache zu geben.
Wirklich tiefsitzende Probleme mit Live-Situationen, die übrigens selbst zahlreiche Profis mit sich herumtragen, sollten in Form von Therapien behandelt werden. Die Erfolgschancen durch Methoden wie Klopf-Technik, EMDR, Verhaltenstherapie, Psychoanalyse etc. sind als sehr gut einzustufen.
Wir konzentrieren uns in diesem Workshop jedoch auf weniger schwerwiegende Probleme bzw. Fälle. Darauf, wie wie wir uns als Bassist:innen bestmöglich auf eine musikalische Herausforderung vorbereiten können, bei der uns unsere Nervosität spürbar im Weg steht und bei uns vielleicht sogar die Freude am Musizieren trübt.
- Tipp: Ein äußerst interessantes und spannendes Interview zu diesem Thema findest du hier.
Die Angst vor dem Bass-Solo und das Problem der mangelnden Routine
Ein wichtiger Aspekt ist, dass die wenigsten von uns beim Thema Solo eine Routine entwickelt haben. In der Regel ist unsere „erste Basserpflicht“, für ein felsenfestes Fundament innerhalb der Band zu sorgen, auf dem dann andere glänzen dürfen. Andere Instrumente, wie Gitarre, Piano, Bläser, etc. werden zumeist von „Tag 1“ an auf das Solieren vorbereitet.
Für dich ausgesucht
Im Bassunterricht beschäftigen wir uns hingegen mehr mit Grundtönen, Rhythmik, Groove, Zusammenspiel mit den Drums etc. Nicht wenige von uns spielen auch nicht jedes Wochenende drei Auftritte, sondern vielleicht gerade mal 3-10 im Jahr. Wie soll hierbei ein entspannter, souveräner und routinierter Umgang mit der ungewohnten Exposition bei einem Basssolo entstehen?
Die gute Nachricht: Mit ein paar einfachen Methoden können wir auf diesem Gebiet bereits viel erreichen!
Bass-Solo spielen: Das richtige Mindset finden!
Ich selbst war lange Zeit auf der Bühne eher unsicher, habe mich stark unter Druck gesetzt und mich nach (vermeintlichen) Misserfolgen ewig über meine Fehler geärgert. Dies ging so weit, dass mir die Lust am Musikmachen verging und ich sogar körperliche Folgen wie zum Beispiel einen Hörsturz erlitt!
Zum Glück bin ich mittlerweile bereits seit vielen Jahren in einem komfortablen „I don’t give a F…“-Mindset angekommen. Heutzutage kann ich mich eher herzlich über meine Fehler amüsieren, als dass sie mich belasten.
Ein paar Punkte, die mir dabei geholfen haben, möchte ich euch hier gerne vorstellen:
Simulieren einer Auftritts-Situation
Daheim hat man natürlich kein Publikum, aber ein ähnliches Gefühl kann das Spielen vor einem Fenster vermitteln. Ok, das klingt im ersten Moment komisch, erfüllt aber zwei wichtige Aspekte: Zum einen fühlt es sich so an, als würde man in einen großen Raum oder “in die Weite” spielen (ähnlich einer Bühne). Zum anderen exponiert man sich in gewisser Weise, da man theoretisch von außen gesehen werden kann.
Die ersten Male fühlt sich das wirklich seltsam an, aber das ist auch Sinn der Übung. Also einfach mal breitbeinig und selbstbewusst vor einem Fenster stehen und in die Welt hinaus spielen! (Ganz nebenbei kann man hierbei vortrefflich neue Menschen kennenlernen.)
Die abgeschwächte Version dieser „Übung“ wäre, das Fenster beim Üben zu öffnen, aber sich nicht sichtbar zu machen. Passanten, Nachbarn etc. HÖREN also nur die eigenen Basslines, ohne dass man selbst sichtbar wird.
Visualisierung eines Bass-Idols
Im Laufe der Beschäftigung mit meinen früheren eigenen Unsicherheiten las ich irgendwann einmal in einem Buch einen – wie sich herausstellen sollte – wirklich hilfreichen Tipp: Bei diesem Ansatz prägt man sich das Bild eines Bass-Idols ein und stellt sich in der Live-Situation vor, man wäre eben dieses Idol während eines Auftritts.
Ich studierte in der damaligen Zeit gerade Kontrabass, und der amerikanische Kontrabassist Ray Brown war mein absoluter Held. Auf seinem Lehrbuch, welches ich besaß, ist ein Bild von ihm zu sehen, auf dem er zum einen offensichtlich großen Spaß am Musizieren hat, aber zum anderen auch absolut souverän wirkt.
Eben dieses Bild habe ich mir während meiner Gigs immer wieder visualisiert und mir vorgestellt, ich sei der Typ auf dem Foto. Erstaunlich, aber wahr: Dieser kleine Trick hat tatsächlich enorm viel bewirkt. Danke, Ray Brown!
Imagination des Worst Case Szenarios
Wenn ich mir bewusst mache, was das Schlimmste ist, was mir nur passieren kann, so verleiht mir das Sicherheit für die Herausforderung. Seien wir ehrlich: Publikum und Mitmusiker sind für gewöhnlich relativ unsensibel gegenüber unserem Basssolo!
Selbst wenn wir es verbocken, kommt doch niemand ernsthaft zu Schaden. Keiner der Gäste nimmt diese 16 Takte als den prägendsten Moment des Abends mit nach Hause. Der Worst Case ist also, dass wir uns über uns selbst ärgern!
Angst vor dem Bass-Solo: Vorbereitung ist (fast) alles!
Das Wissen, dass man sich bestmöglich auf die Situation vorbereitet hat, verleiht einem natürlich Sicherheit und Selbstvertrauen. Dies war bei Klassenarbeiten in der Schule schon so und gilt genauso für Gigs.
Das Gefühl von „Ich habe alles getan, was mir möglich ist. Der Rest liegt nicht in meiner Hand.“ kann enorm zur eigenen Entspannung beitragen. Wie das aussehen kann, zeige ich euch anhand der beiden späteren Praxis-Beispiele.
Positive Vibrations schaffen
Ebenso selbsterklärend wie effektiv ist es, sich bereits Tage vor dem Auftritt bzw. Solo positiv einzustimmen. Je früher man damit beginnt, desto besser!
Ich habe meistens bereits am Mittwoch angefangen, Selbstvertrauen zu tanken und mir immer wieder vorzustellen, wie toll der Auftritt und natürlich auch mein Solo am Samstag werden wird. Und tatsächlich: Nervosität und Angst vor dem Versagen haben sich damit nach und nach in eine positive Vorfreude gewandelt.
Guter Tipp für das nächste Bass-Solo: Less is more!
Die größte Falle, in die man tappen kann, ist zu glauben, man muss bei seinem Solo wirklich alles zeigen, was man kann! Der immense Druck, den man sich übrigens AUSSCHLIESSLICH selbst macht, verleitet einen dazu, in diesen kurzen acht oder 16 Takten viel zu viel unterbringen zu wollen.
Damit überfordert man in der Regel sowohl sich selbst, als auch das Publikum! In diesem speziellen Fall hat ein „Mehr“ an Noten, Licks und Tricks ein „Weniger“ an Wirkung zur Folge.
Ein zweiter ebenso wichtiger wie auch typischer Aspekt bei einem Basssolo ist, dass plötzlich niemand mehr „Bass spielt“. Folglich fehlt für das Publikum ein entscheidender Teil des zuvor noch vorhandenen Frequenzspektrums und des zuvor gewohnten Grooves.
Ein guter Ansatz ist daher, den „Groove plus X“ als Feature-Solo zu spielen. Diese hat den weiteren Vorteil, dass wir den Groove ja ohnehin spielen können und stets als Anker behalten, auf denen wir zu jeder Zeit zurückkehren können. Dieser Ansatz verleiht uns mehr Sicherheit und erhält gleichzeitig für das Publikum den „Wohlfühlfaktor“, da sich die Zuschauer:innen weiterhin im Takt bewegen können.
Einfach mal ausprobieren: 3 Wege für dein Bass-Solo
Je nach Selbstvertrauen und Spielroutine können wir uns bei einem Basssolo für drei Wege entscheiden. Die folgenden drei Punkte stellen auch eine Entwicklung dar, die wir durchlaufen, je häufiger wir Soli spielen:
- Solo zu Hause auskomponieren, auswendig lernen und bei Bedarf nur abrufen
- Einige Schlüsselstellen vorbereiten, aber auch Raum für spontane Improvisation lassen
- Komplett frei spielen
Probiere diese drei Wege einfach nach einander einmal aus – natürlich beginnend mit dem vorbereiteten Solo, von dem du dich immer mehr emanzipierst.
Zwei Beispiele für Bass-Soli
Zum Abschluss präsentiere ich euch an dieser Stelle noch zwei Beispiele für vorbereitete Basssoli in unterschiedlichen Genres.
Diese erhalten den Groove, rücken den Bass aber doch dank melodischer Motive klar ind en musikalischen Vordergrund. Die Beispiel-Basssoli können somit wunderbar als Anregung für eure eigenen Experimente dienen.
Um den Rahmen des Themas „Angst vorm Bass-Solo“ hier nicht vollkommen zu sprengen, müssen musikalische Aspekte (Harmonielehre, Tonmaterial etc.) heute leider außen vor bleiben.
Beispiel 1: Rock-Basssolo (8 Takt Groove – 16 Takte Solo)
Beispel 2: Pop/Funk-Basssolo (8 Takt Groove – 16 Takte Solo)
Ich wünsche euch viel Spaß und viele gelungene Bass-Soli – ohne Angst, dafür mit viel Freude und ungezwungener Kreativität!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
Alex sagt:
#1 - 14.04.2023 um 12:52 Uhr
Sehr gute Beschreibung der Situation, trifft auf mich zumindest voll zu und auch wenn ich tatsächlich kein Lampenfieber habe und es liebe, aufzutreten, dieser eine kleine Part macht mir immer wieder Probleme. Alles exakt auskomponiert, sitzt im Schlaf und ist zig mal sauber und gut gespielt worden, doch beim Auftritt ist dann immer was nicht in Ordnung. Merke wahrscheinlich nur ich selbst, aber das nervt dann doch a bisserl. Danke für den Beitrag und die Tipps
Thomas sagt:
#1.1 - 14.04.2023 um 13:08 Uhr
Hi Alex, freut mich, dass dir der Artikel gefällt. War mir tatsächlich ein Anliegen, da wir trotz großer Erfahrung mit Auftritten meist beim Solo dann im Hohen Bogen aus unserer Komfortzone fliegen. Viel Erfolg weiterhin beim "Solieren"! LG Thomas
Antwort auf #1 von Alex
Melden Empfehlen Empfehlung entfernen