„The Voice Of Rock“ ist kein Titel, den man einfach so geschenkt bekommt. Dafür muss man über lange Zeit Außergewöhnliches für dieses Genre leisten – und genau das tut Glenn Hughes seit weit über 50 Jahren. Wenn man in seiner Biographie zwei der ganz großen Schlachtschiffe des Rock, Deep Purple und Black Sabbath, auflisten kann, hat man wohl so einiges richtig gemacht. Ganz zu schweigen von Kooperationen mit Größen wie Joe Bonamassa, Joe Lynn Turner, Chad Smith usw. Glenn Hughes war und ist bekannt als Frontmann, Sänger und Songwriter zahlreicher erfolgreicher Formationen, aber ganz nebenbei ist auch Bassist. Seine Leistung auf diesem Gebiet fällt angesichts seiner überragenden gesanglichen Fähigkeiten mitunter etwas unter den Tisch. Dieses Fauxpas soll uns aber nicht passieren: Neben Glenns Leben und Karriere werfen wir daher auch einen Blick auf seinen Stil und sein Equipment als Bassist.
Glenn Hughes – die Anfänge
Glenn Hughes wurde am 21. August 1951 in Cannock, Staffordshire, England, geboren. Eine Gegend, die im Volksmund aufgrund der einstiegen massiven Luftverschmutzung „Black Country“ genannt wird – ein Begriff, der später in seiner Karriere noch eine Rolle spielen wird. Schon in jungen Jahren entwickelte Glenn eine Leidenschaft für Musik und zeigte großes Talent darin. Zu seinen Einflüssen zählten aber nicht nur Rock, sondern vor allem auch der Soul sowie die aufstrebende Funk-Musik.
Nachdem Glenn Hughes den E-Bass als sein Hauptinstrument erkoren hatte, spielte er zunächst in mehreren lokalen Bands. Erste erwähnenswerte Erfolge stellten sich mit der Formation Trapeze ein, denen er 1969 beitrat. Sogar in den USA machte sich Trapeze mit ihrer Mischung aus Rock, Funk und Soul einen Namen.
Glenn Hughes & Deep Purple
Nach ihrem gigantischen weltweiten Erfolg offenbarten sich bei Deep Purple die Spannungen innerhalb der Band immer mehr. Die Konsequenz war, dass Sänger Ian Gillan im Jahr 1973 die Reißleine zog und die Band verließ. Auf ihn folgte ein junger David Coverdale. Nicht viel später wurde Bassist Roger Glover von Ritchie Blackmore aus Deep Purple gedrängt. Glenn Hughes wurde eingeladen, die frei gewordene Stelle als Bassist zu übernehmen und gleichzeitig David Coverdales sonore, bluesige Stimme zu ergänzen.
Bereits das erste gemeinsame Album „Burn“ zeigte, wie stark Glenn Hughes’ Einfluss auf die Gruppe war: Die Musik Deep Purples wurde durch ihn spürbar mehr mit Blues- und Funk-Elementen angereichert, siehe zum Beispiel Songs wie „Might Just Take Your Life“ oder „Mistreated“. Dies stieß nicht bei allen Fans auf Gegenliebe, die Band erschloss sich auf diese Art aber auch durchaus ein neues Publikum. Auch der Nachfolger „Stormbringer“ verfolgte diesen Weg: Songs wie „Hold On“ oder „The Gypsy“ wären in der alten Besetzung fraglos undenkbar gewesen.
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Ritchie Blackmore hatte so seine Probleme mit der neuen Richtung und verließ Deep Purple schließlich im Jahr 1975 nach der „Stormbringer“-Tournee. Ersetzt wurde er durch Tommy Bolin, der ebenfalls starke Blues-, Funk- und Soul-Wurzeln mitbrachte.
Das leider einzige Album dieses genialen Band-Lineups ist „Come Taste The Band“ von 1975, was definitiv als Deep Purples am meisten unterschätzte Werk gelten darf. Hier kann sehr deutlich hören, wie viel Potenzial in dieser Besetzung aus leidenschaftlichen jungen Männern im Alter von gerade einmal Anfang 20 mit ihren unterschiedlichen musikalischen Hintergründen steckte. Was hätte aus dieser sensationellen Besetzung nur noch alles werden können? Wir werden es leider nie erfahren …
Tommy Bolins Einstieg brachte aber auch eine dunkle Seite mit sich: Glenn Hughes kämpfte bereits mit starken Drogen- und Alkoholproblemen, und mit Tommy fand er einen Bruder im Geiste – beide beschleunigten in der Folgezeit gegenseitig ihre Abwärtsspirale. Das tragische Finale davon war, dass Tommy Bolin im Dezember 1976 im Alter von gerade einmal 25 Jahren an einer Überdosis starb. Kurz darauf löste sich Deep Purple vorerst auf und sollten erst im Jahr 1984 wiedergeboren werden – allerdings ohne die Herren Hughes und Coverdale! 2016 wurde Glenn als Mitglied von Deep Purple wohlverdient in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen.
Glenn Hughes – Solokarriere
Der Schock über Tommy Bolins Tod hatte leider nicht zur Folge, dass Glenn Hughes die Finger von Alkohol und Drogen ließ. Noch bis Anfang der 90er-Jahre war er stark abhängig, unter anderem von Heroin. Dies hatte zur Folge, dass seine musikalische Karriere immer wieder ins Stocken geriet, obwohl es an vielversprechenden Impulsen nicht mangelte.
Ein absolute Perle ist etwa sein 1977 erschienenes Soloalbum „Play Me Out“, auf dem Glenn sein unglaubliches stimmliches Potenzial voll ausschöpft und auch am Bass nicht mit Highlights geizt. Die wilde Mischung aus verschiedenen Genres, die Einbindung von Bläsern und Streichern, sowie zahlreiche weitere Aspekte, hat bis heute nichts an Faszination eingebüßt.
Glenn Hughes veröffentlichte im Laufe der Jahre eine Vielzahl weiterer Soloalben, die immer wieder unterschiedliche Facetten seiner musikalischen Bandbreite zeigen und teilweise komplett unterschiedlich klingen. Wer nach Anspieltipps sucht: Meine persönlichen Favoriten sind „Building The Machine“ (2001), „Soul Mover“ (2005) und die Rockgranate „Resonate“ (2016).
Glenn Hughes – Kollaborationen
Ein Musiker mit den unglaublichen Fähigkeiten eines Glenn Hughes ist natürlich ein enorm gefragter Mann. Daher kam es im Laufe der Jahrzehnte immer wieder zu spannenden Kollaborationen und Formationen – vor allem aufgrund von Glenns Drogenproblemen sollte jedoch nichts davon sehr lange Bestand haben. Einige Highlights waren die Zusammenarbeit mit Gary Moore, Pat Thrall, John Norum (Europe), Joe Lynn Turner (Hughes/Turner Project), Keith Emerson (Emerson, Lake & Palmer), The Dead Daisies, Chad Smith und vielen, vielen mehr.
Eine Sonderstellung nimmt sicherlich das mehr oder weniger offizielle Black-Sabbath-Album „Seventh Star“ aus dem Jahr 1986 ein. Ursprünglich war die Scheibe als Soloalbum von Gitarrist Tony Iommi geplant, wurde aber dann unter dem Namen Black Sabbath veröffentlicht. Sänger dieser legendären Band zu sein, macht sich in der Vita auf jeden Fall sehr gut!
2009 folgte Glenn Hughes einer Einladung von Joe Bonamassa, mit ihn ein Konzert zu geben, bei dem Songs von Trapeze und Deep Purple auf der Setliste standen. Daraufhin wurde die Idee geboren, eine feste Band zu formieren. Hinzu kamen Jason Bonham an den Drums und Keyboarder Derek Sherinian. Voila – fertig war die Supergroup! 2010 veröffentlichte das Quartett ihr Debüttalbum, welches mit „Black Country Communion“ denselben Namen wie die Band trug und das von Fans wie auch von Kritikern äußerst wohlwollend angenommen wurde. Beflügelt von diesem Erfolg, erschien 2011 der Nachfolger mit Namen „II“. Von der anschließenden Tour entstand eine Live-CD bzw. ein Konzertfilm („Live Over Europe“), der als DVD oder Stream erhältlich ist.
„Afterglow“ ist der Titel des dritten Albums, welches im Oktober 2012 in die Läden kam. Während den Aufnahmen gab es aber immer mehr Spannungen zwischen den beiden Protagonisten Bonamassa und Hughes. Letztendlich erklärte der Gitarrist 2013, dass sein Engagement bei Black Country Communion beendet sei.
Doch bereits im Jahr 2016 vertrugen sich die beiden Ausnahmemusiker wieder, und das Resultat war Album Nummer vier mit dem Titel “BCCIV“. Danach wurde es abermals still um die Band, um uns jedoch 2024 mit ihrem fünften Werk, „BCCV“, zu überraschen. Eine Welttournee ist in Planung, aller Erfahrung nach tun Fans jedoch gut daran, zunächst erst einmal abzuwarten.
Glenn Hughes – musikalischer Stil
Aufgrund seiner riesigen Bandbreite ist es eigentlich unmöglich, einen wirklichen „Bass-Stil“ von Glenn Hughes zu definieren. Sein größtes Merkmal ist vermutlich seine Wandelbarkeit. Da viele seiner Alben recht unterschiedlichen Genres zuzuordnen sind, passt er sein Spiel stets entsprechend an. Hughes darf also am Bass als echtes musikalischen Chamäleon gelten.
Ein paar sich wiederholende Auffälligkeiten gibt es aber doch: Die Basslines von Glenn Hughes sind nahezu immer sehr melodisch angelegt – fast so, als würde er auch hier wie ein Sänger denken. Dafür bedient er sich eigentlich des gesamten Spektrums des Instrumentes: Arpeggios, Tonleitern, Chromatiken – aber vor allem natürlich der beliebten Pentatonik!
Gerne wechselt Hughes die Register seines Basses und wandert häufig in die höheren Regionen des Griffbretts. Und dies tut er nicht nur für spektakuläre Fills, sondern teilweise sogar über längere Strecken des Songs – vor allem beim Begleiten eines Solos.
Apropos Solo: Vor allem live kann man Glenns Lust zur Improvisation wunderbar erkennen. Soli begleitet er häufig nicht mit einer Standard-Bassline, sondern reagiert äußerst feinfühlig auf den jeweiligen Solisten und interagiert mit diesem. Ein Element, was er sicherlich aus seinen Erfahrung mit Genres wie dem Jazz in rockige Gefilde übernimmt.
Gleiches gilt für den dynamischen Aufbau seiner Basslines und/oder seiner improvisierten Begleitung. Es gibt nicht immer gleich „auf die Zwölf“ (außer der Song erfordert es!), sondern ihm liegt stets die Dynamik am Herzen. Dies gestaltet sowohl seine Basslines wie auch den gesamten Song sehr spannend.
Glenns Funk- und Soul-Wurzeln spiegeln sich vor allem in der rhythmischen Gestaltung seiner Basslines wieder. Auch in Rocksongs setzt er immer wieder auf Synkopen und luftige Grooves, in denen sich mehrere Dinge zu einem großen Ganzen verzahnen. Zudem hören wir oft rhythmische Überlagerungen wie „3 gegen 4“-Gruppen. Genauso gibt es aber nicht wenige Kompositionen, die auf beinharten Drop-Tuning-Riffs beruhen, welche ebenfalls aus seiner Feder stammen. Aber auch diese offenbaren meist viel Raum zum Atmen und zeigen Glenns vielfältigen Einflüsse.
Glenn Hughes – Equipment
Es ist kein Geheimnis, dass Glenn ein großer Fan der Kreationen von Leo Fender ist. Vor allem der Precision Bass ist sein großer Favorit, aber auch den Jazz Bass nimmt er gerne zur Hand. Von beiden Kandidaten spielte er natürlich im Lauf seiner Karriere unzählige Exemplare. Schon seit vielen Jahren vertraut Glenn den P- und J-Style Bässen von Nash, da diese sehr nahe an alte Pre-CBS Fender Modelle herankommen.
Die Firma Yamaha schneiderte Glenn vor ca. 10 Jahren einen Signature-Bass an den nach wie vor schmächtigen Leib, diese Kooperation war jedoch nur von kurzer Dauer. Heutzutage ist ein „O-Bass Glenn Hughes“ von Orange erhältlich, der im Prinzip ein P-Bass im proprietären Design der britischen Amp-Schmiede ist. Unter den Tisch fallen lassen wollen wir aber keinen Fall den legendären Rickenbacker 4001, mit dem Glenn in der Anfangszeit mit Deep Purple zu sehen war.
Glenn Hughes ist ein bekennender Fan von waschechten Röhrenamps. Zwei Marken stechen hier hervor, beide natürlich – wie der Meister selbst – von britischer Herkunft. Den Anfang machen einer oder mehrere Hiwatt Custom 200 Amps mit passenden Boxen. Mit diesem Stack sah man Glenn zu Zeiten von Deep Purple.
Für den Herbst seiner Karriere setzt Glenn bereits seit Jahren auf den grandiosen Orange AD200-Vollröhrenamp, von dem er meist zwei auf der Bühne hat. Jeden dieser Verstärker kombiniert er in der Regel mit einer 8x10er Orange-Box. Einmal Rock’n’Roll, immer Rock’n’Roll! Je nach Größe der Bühne oder Art der Veranstaltung kommen natürlich auch kleinere oder auch mal größere Orange-Stacks zum Einsatz. Die genannte Kombination ist aber sein Hauptrig.
Höchsten Respekt für diese musikalische Lebensleistung auf hoffentlich noch viele weitere Jahre!
Thomas Meinlschmidt