Cool, Cooler, The Joker! Es gibt wohl nur wenige Songs, die eine so entspanntes und cooles Laid-Back-Feeling haben, als „The Joker“ aus der Feder von Steve Miller. Der Song befindet sich auf Steves achtem Studioalbum und bescherte ihm 1973 einen Nummer-1-Hit in gleich mehreren Ländern. Gerald Johnson steuerte die äußerst prägnante Bassline bei, die den Song beinahe alleine trägt. Auch bei den Aufnahmen scheint es sehr entspannt zugegangen zu sein, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Gerald sich das ein oder andere Mal verspielt oder Einsätze verpasst hat. Das tut dem Gesamtbild jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil, der nicht perfekte „menschliche Faktor“ ist meist eben doch das entscheidende Kriterium für eine gelungene Produktion. Heute hätte man vermutlich vieles ausgebessert und so den unvergleichlich gechillten Charme des Originals zerstört. Vielleicht ist aber auch alles so beabsichtigt und wir haben es mit einem absoluten Geniestreich zu tun? Bei „The Joker“ würde mich jedenfalls nichts wundern. So oder so haben wir hier mehr als genug Gründe, um diese ikonische Bassline mit einem eigenen Bass-Workshop zu würdigen!
„The Joker“ – Video
Zum Einstieg gibt es hier ein witziges Video, in dem Gerald Johnson zum Playback scheinbar (aus Langeweile?) Jaco-Pastorius-Grooves oder ähnliche Fingerbrecher übt:
„The Joker“ – Rhythmik
Der Song besitzt mit ca. 88 bpm ein moderates Tempo. Der Vers wird durch zwei Achtelnoten auf den Zählzeiten 1 und 1+ bzw. der 3 und 3+ dominiert. Dies ist der Basis-Groove – und dieser würde den Song im Grunde schon alleine tragen.
Gerald Johnson nutzt jedoch den Raum dazwischen, um mit einigen Ketten von Sechzehnteln zum nächsten Schwerpunkt zu führen. Dies baut er im Laufe des ersten Verses langsam auf und verdichtet bzw. steigert nach und nach den Song. Nach dem Chorus reduziert er sich wieder – die Prozedur kann erneut beginnen!
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Im Chorus bleiben die 1 und die 3 die Schwerpunkte, jedoch nun mit längeren Noten, was das Feeling komplett verändert. Die staccato interpretierten Achtel und Sechzehntel weichen hier nun legato gespielten Notenwerten. Alles wirkt daher etwas breiter und flächiger.
„The Joker“ – Tonmaterial
„The Joker“ steht eindeutig in der Tonart F-Dur. Gerald Johnson nutzt die F-Dur-Tonleiter (F, G, A, Bb, C, D, E), um seine melodische und prägnante Bassline zu komponieren. Teilweise doppelt er die Gitarre, weicht aber immer wieder davon ab und geht eigene Wege. So kommt zu keiner Zeit Langeweile auf – man weiß einfach nie, was als nächstes vom Bass kommt!
Der skalare Ansatz im Vers macht im Chorus einer Bassline Platz, die hauptsächlich auf der F-Dur-Pentatonik basiert und daher im Vergleich zur Tonleiter des Verses einen offeneren „Happy-Sound“ besitzt. Wie schon beim Thema Rhythmik wird hier durch eine kleine Veränderung ein schöner Kontrast zwischen zwei Songteilen erreicht.
„The Joker“ – Basssound
Dumpf, kurz und trocken – das trifft auf den Basssound von „The Joker“ zu! Ich konnte nicht herausfinden, welchen Bass Gerald Johnson für die Aufnahme verwendet hat, aber der Sound „riecht“ förmlich nach einem Fender Precision Bass. Mit Exemplaren dieser Gattung ist Gerald auch auf zahlreichen Fotos zu sehen. Übrigens spielt der Linkshänder – ähnlich wie z. B. Jimi Hendrix – rechtshändige Instrument, die er einfach herumdreht.
Ich bin mir sicher, dass wegen der wenigen Obertöne Flatwound-Saiten im Spiel sind. Ob der Bass direkt ins Pult gespielt wurde oder ein mikrofonierter Verstärker im Spiel war, vermag ich nicht zu sagen. Ein Ampeg Flip Top mit zugehöriger 1x15er-Bassbox gehört aber ganz sicher zu den üblichen Verdächtigen. Für das heimische Üben dieser Basslinie tut es auf jeden Fall ein passiver Bass (P-Style oder Halstonabnehmer eines J-Style). Einfach die Höhenblende zurückdrehen bzw. Flatwounds aufziehen, dann ist man in jedem Fall schon nahe am Original.
„The Joker“ – Transkription
Hier findet ihr die Noten, TABs und das vom mir eingespielte Klangbeispiel:
Viel Spaß und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt