Das Internet war im Jahr 1986 noch in weiter Ferne. Dennoch träumten zur damaligen Zeit bereits viele Bassisten von einer Videoplattform wie YouTube, auf der geslappte Bass-Break in Paul Simons Hit „You Can Call Me Al“ erklärt wird. Jeder wollte den Basslauf spielen, aber niemand schaffte es so richtig. In den Credits der Platte war zwar nachzulesen, dass ein gewisser Bakithi Kumalo für die Bassline verantwortlich zeichnete, doch an diesem kurzen Basssolo war irgendetwas faul.
„You Can Call Me Al“ – der weltberühmte Bassbreak
Wer die Geschichte hinter dem Mysterium noch nicht kennt, hier ist die Kurzfassung: Die zweitaktige Pause nach dem Instrumental-Part des Songs sollte noch gefüllt werden. Bakithi hatte am Tag der Aufnahmesession Geburtstag – und Mastermind Paul Simon ließ ihm als Geschenk kurzerhand am Bass freie Hand!
Dies nutzte Bakithi natürlich aus, spielte aber nur den ersten Takt. Der Sound Engineer hatte daraufhin die Idee, den Takt einfach rückwärts abzuspielen, um die zwei Takte komplett aufzufüllen.
Wer die ganze Geschichte hören möchte, es gibt mehrere YouTube-Videos, in denen Bakithi sie ausführlich erzählt. Wir dagegen kümmern uns heute um die Bassline und natürlich das berühmte Solo von „You Can Call Me Al“.
„You Can Call Me Al“ – Video
Ebenso legendär wie die Geschichte hinter dem weltberühmten Bassbreak ist natürlich das Video mit Komiker Chevy Chase. Hier ist es:
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„You Can Call Me Al“ – Rhythmik
Die rhythmische Hook sind die vier Achtelnoten auf den ersten beiden Viertelnoten. Diese würden bereits ausreichen, damit der Song tadellos funktioniert. Bakithi variiert aber natürlich, indem er die erste Achtel immer wieder in zwei Sechzehntel aufteilt. Die Zählzeit 4 dient dann als Überleitung zur nächsten 1. Hier spielt Bakithi entweder erneut zwei Achtel oder eine Kombination aus Achtel und Sechzehntel.
Während des Instrumental-Parts vor dem Solo kommt eine zweite Bassstimme hinzu. Bakithi greift auf einen typischen Rhythmus afrikanischer Musik zurück: Die Phrase ist insgesamt vier Takte lang. Takt 1 und 2 sind relativ straight – abgesehen von der um eine Sechzehntel verzögerten 1 im zweiten Takt. Die Takte 3 und 4 bilden dann eine synkopierte Form der ersten beiden Takte. Dies sorgt gleichermaßen für Kontinuität und Abwechslung.
Der zwei Takte lange Bass-Break ist (zumindest rhythmisch gesehen) relativ überschaubar, da er nur aus fortlaufenden Sechzehnteln besteht.
„You Can Call Me Al“ – Tonmaterial
Einfach gut: Im ganzen Song kommen eigentlich nur drei Akkorde vor, F-Dur mit den Tönen F, A und C, G-Moll mit den Tönen G, Bb und D, sowie C-Dur (C, E, G). Dies deutet ziemlich klar auf die Tonart F-Dur hin. Sie beinhaltet die Töne F, G, A, Bb, C, D und E.
Bakithi nutzt für seine Bassline entweder die Töne der entsprechenden Dreiklänge oder die F-Dur-Pentatonik. Für das kurze Basssolo mischt er die F-Dur- mit der G-Moll-Pentatonik. Dies hat aber offensichtlich spieltechnische Gründe, denn auf diese Weise kann Bakithi das komplette Lick im dritten und fünften Bund über alle Saiten wandern lassen und es wird weder ein Lagenwechsel noch eine Veränderung des Fingersatzes nötig – Bakithi nutzt hier geschickt die Physik des Instrumentes aus!
„You Can Call Me Al“ – Spieltechnik und Basssound
So, jetzt geht es langsam ans Eingemachte! Wie spielt man ein Slapsolo, das rückwärts abgespielt wurde, das jedoch ein ganzes Konzertpublikum hören möchte? Hier gibt uns Bakithi Kumalo zum Glück selbst die Antwort: In mehreren Videos erzählt er, wie er sein eigenes Solo lernen musste, um es auch exakt so live spielen zu können.
Mehrere Versuche, den „Rückwärts-Effekt“ mit Effektpedalen zu erreichen, waren bereits kläglich gescheitert. Daher lernte Bakithi schließlich eine Version, die dem Original sehr ähnlich, aber auch spieltechnisch realisierbar war. Diese findet ihr in der Transkription.
Hier ist die nötige Legende dazu:
- T = Tumb (Daumenschlag)
- P = Pluck (Reißer mit Zeigefinger)
- H = Hammer-On
- PO = Pull-Off
Auf der Platte ist Bakithi Kumalo mit einem Washburn Fretless Bass zu hören, was die Sache gewiss nicht einfacher macht. Die typischen klanglichen Charakteristika eines Fretless-Basses spielen bei „You Can Call Me Al“ jedoch eine untergeordnete Rolle, da wir es immer mit relativ kurzen Tönen zu tun haben. Slides und Vibrati kommen ebenfalls nicht vor.
„You Can Call Me Al“ – Transkription
Hier findet ihr die Transkription und die von mir eingespielten Soundbeispiele:
Viel Spaß mit diesem Welthit und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt