„It’s astounding, time is fleeting!“ – auf gut Deutsch: „Erstaunlich, wie doch die Zeit vergeht!“ Dieser Satz aus dem Song „Time Warp“ trifft auch auf das Kultmusical „The Rocky Horror Show“ zu, welche im Jahre 1973 – also vor sage und schreibe 50 Jahren – in London uraufgeführt wurde. Trotz (oder wegen) seines für die damalige Zeit provokativen Inhalts mit viel Freizügigkeit auf der Bühne wurde die „Rocky Horror Show“ nach anfänglichen Startschwierigkeiten zu einem immensen Erfolg! 1975 folgte mit „The Rocky Horror Picture Show“ die entsprechende Verfilmung des Rock-Musicals. Auch der Film brauchte zunächst beim Publikum eine gewisse Anlaufzeit, zündete dafür etwas später so richtig durch. Bis heute gibt es Programmkinos, die ihn mit zum Teil täglichen Vorstellungen ehren. Einen großen Anteil am Erfolg hat sicherlich die fantastische und zeitlose Musik von Richard O’Brien. Einer der vielen Ohrwürmer ist der Track „Time Warp“, durch den die Protagonisten Brad und Janet gleich ihren ersten Schock im Schloss des außerirdischen Transvestiten Dr. Frank N. Furter bekommen. Die lebensbejahende Rock’n’Roll-Nummer wurde schnell Teil der internationalen Popkultur. Bassist Dave Wintour steuerte dazu eine äußerst fantasievolle Bassline bei, die weit über die üblichen Rock’n’Roll-Klischees hinausgeht.
„Time Warp“ – Video
Hier wie immer zunächst das Original-Video zum Song:
„Time Warp“ – Rhythmik
Dave Wintour erteilt uns hier eine Lehrstunde, wie man einen „einfachen“ Rock’n’Roll-Song mit wenigen rhythmischen Kniffen höchst abwechslungsreich gestalten kann. Zunächst einmal haben wir es mit einer klassischen Walking-Bass-Begleitung zu tun. Diese wird ab und zu durch ein paar Achtelnoten aufgelockert, die vorwiegend auf der Zählzeit 1 stattfinden.
Im Laufe des Songs schleicht sich immer wieder eine antizipierte (vorgezogene) 1 ein, wodurch ein zusätzlicher Vorwärtsdrive erzeugt wird. Während des Duetts der Charaktere Riff Raff und Magenta im letzten Drittel von „Time Warp“ (ca. ab Minute 1:40) überrascht uns Dave Wintour sogar mit dem Weglassen der 1 und einer rhythmischen Überlagerung einer Gruppe aus drei Achtelnoten.
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Das darauf folgende Solo von Columbia beginnt Dave dann die ersten Takte mit solidem Achtelrock. Mit diesen kleinen, aber sehr wirkungsvollen Variationen gestaltet Bassist Dave Wintour „Time Warp“ enorm abwechslungsreich und vor allem höchst dynamisch – einfach klasse!
„Time Warp“ – Tonmaterial
Wie bei so vielen Musical-Songs passiert hier so einiges: Zunächst einmal ist „Time Warp“ im Großen und Ganzen ein Rock’n’Roll in der Tonart A-Dur. Schon im Vers werden wir jedoch überrascht: Der zweite Akkord ist nicht wie so häufig die vierte, sondern die zweite Stufe als Dominant-Septakkord (B7). Nanu, hier stünde der Akkord doch eigentlich in Moll, müsste also B-Moll heißen?! Erlaubt ist eben, was Spaß macht – oder gut klingt!
Darauf folgt gleich ein G-Dur, welcher ein so genannter „Leihakkord“ aus A-Moll ist. Dabei wird die siebte Stufe von A-Dur (G#) durch die siebte Stufe von A-Moll ersetzt. Im Chorus wird dieses Prinzip auch noch auf die sechste und dritte Stufe erweitert: Statt F#-Moll hören wir F-Dur und statt C#-Moll dann C-Dur. In der Bridge kommt dann tatsächlich noch die typische Form aus erster (A7), vierter (D7) und fünfter Stufe (E7) zum Zug.
„Time Warp“ – Basssound
„Nix gwiss woas ma ned“ – so heißt es bei uns in Bayern. Über die Aufnahmen zum Soundtrack der „Rocky Horror Picture Show“ ist leider herzlich wenig bekannt. Aus den drei Faktoren Genre, Zeit und Sound würde ich aber auf einen Fender Precision Bass mit Flatwound-Saiten tippen. Und der beliebte Spielgefährte Ampeg B15 dürfte auch nicht weit gewesen sein. Zumindest klingt es verdächtig nach diesem legendären Basstopteil bzw. einem vergleichbaren anderen Vollröhrenamp.
Gleichzeitig war es in den 70er-Jahren auch schon Usus, den Bass direkt per D.I. oder nur mithilfe eines Preamps aufzunehmen. Wie gesagt, hier ist leider nichts Genaues bekannt – sollte jemand von euch weitere Infos haben, so teilt sie uns bitte mit!
Ein Schwamm oder Ähnliches unter den Saiten in der Nähe der Bassbrücke ist ebenfalls einen Versuch wert. Allerdings sollte man darauf achten, dass die Saiten noch ein gewisses Sustain behalten. Allzu kurz und trocken ist der Sound dann doch nicht.
„Time Warp“ – Transkription
Na, dann mal ran an den Rock’n’Roll-Speck: Hier findet ihr mein Audiofile sowie die Noten und TABs zum Downloaden. (Beim Soundbeispiel steige ich direkt in den ersten Vers ein.)
Viel Spaß mit „Time Warp“ und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
Sergio sagt:
#1 - 17.01.2024 um 19:26 Uhr
Cooler Workshop, danke. Mit welcher Software transkribiert ihr die Noten und Tabs?
Thomas sagt:
#1.1 - 17.01.2024 um 20:04 Uhr
Hi Sergio, Vielen Dank für dein Lob, ich nutzte entweder Sibelius Artist oder Musescore. LG Thomas
Antwort auf #1 von Sergio
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