Gab es jemals einen besseren Grund für einen Workshop als die Tatsache, dass „Sir“ Paul McCartney Bass bei The Rolling Stones spielt? Mit ihrem aktuellen Album „Hackney Diamonds“ haben die Stones noch einmal so richtig einen rausgehauen und alle Kritiker Lügen gestraft, die ihnen schon lange zur Rente geraten haben. Schon seit 1998 fehlt mit Bill Wyman der Bassist der ersten Stunde. Und so kam es, dass die Stones sowohl im Studio wie auch live immer wieder auf die Hilfe von renommierten Tieftönern zurückgriff – allen voran natürlich den selbst längst zur Legende gewordenen Darryl Jones. Für den Song „Bite My Head Off“ aus dem neuen Album kam es zur Kooperation mit Sir Paul McCartney. Der auch unter seinem Spitznamen „Macca“ bekannte Ex-Beatle lieferte zu dem rockigen Song eine stilechte und treibende Basslinie, die zum einen zwar bewusst auf typische Beatles-Merkmale verzichtet, dennoch aber Pauls unverkennbare Handschrift trägt.
„Bite My Head Off“ – Video
Hier das Original-Video zum Song:
„Bite My Head Off“ – Rhythmik
Okay, der Grad an Komplexität des Songs schreit nicht zwingend nach einer Analyse, aber wann werden wir solch eine Kooperation noch einmal erleben dürfen? Solider Achtelrock ist wohl der richtige Begriff für „Bite My Head Off“.
Für den besonderen Drive sorgt im Vers die in jedem Takt um eine Achtelnote antizipierte Zählzeit 1. Diese wird übrigens nur von Gitarre und Bass gespielt, nicht jedoch vom Schlagzeug. Dies sorgt für eine gewisse Luftigkeit.
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Im Pre-Chorus und im Chorus wird es geradliniger, da nun straighte Achtel ohne antizipierte Zählzeiten dominieren. Durch das Spielen sämtlicher Pulsschläge wird es dafür entsprechend druckvoller: Einfaches Mittel, große Wirkung! Mehr braucht der große Meister nicht, um einen Song zu strukturieren und dynamisch zu gestalten.
„Bite My Head Off“ – Tonmaterial
Auch in dieser Abteilung bleibt es überschaubar: „Bite My Head Off“ ist in A-Dur und da bleibt es auch. Ab und zu gibt es ein paar bluesige Färbungen, die aber als Klangfarbe dienen und keinen Wechsel der Tonalität darstellen.
Paul McCartney nutzt für seine Bassline im Vers ein Motiv aus Grundton und Sexte des jeweiligen Akkords (E-Dur und A-Dur). Dies ist ein beliebtes Mittel, um Dur-Akkorde darzustellen. Im Pre-Chorus sowie im Chorus fokussiert sich „Macca“ fast ausschließlich auf den Grundton des jeweiligen Akkordes.
Über B-Dur hat er sich für ein melodisches Motiv aus Grundton, Terz, Quarte und Quinte entschieden. Ein paar zusätzliche chromatische Leittöne runden das Bild ab. In der Summe ist das alles „unspektakulär“ – im positiven Sinne zu verstehen – und man könnte es wohl am besten als „solides Handwerk“ beschreiben.
Die wenigen Variationen reichen aber vollkommen aus, um die Bassline auch melodisch über den kompletten Song interessant zu gestalten, ohne sich in diesem straighten Rocksong in den Vordergrund zu drängen. Ein gutes Pferd springt eben nicht höher, als es muss!
„Bite My Head Off“ – Basssound
Bei Sir Paul McCartney denkt man natürlich sofort an seinen Höfner 500/1, den man auch unter dem Spitznamen „Beatles Bass“ oder „Beatle Bass“ kennt. Dieses Exemplar hat Herr McCartney bei diesem Song jedoch bewusst zu Hause gelassen. Vielmehr tönt es hier nach meiner Wahrnehmung nach seinem Rickenbacker, welchen er bereits in der späteren Phase der Beatles vor allem im Studio häufig einsetzte.
Natürlich spielt McCartney wie gewohnt mit dem Plektrum. Etwas Kompression sowie und ein mildes Overdrive scheinen ebenfalls im Spiel zu sein. Ob diese von einem Verstärker samt Box oder einem hochwertigen Preamp plus Kompressor oder gar von einem Plugin stammt, lässt sich im Mix nicht genau feststellen. Dieser Effekt sollte aber auch mit allen drei Varianten auf ähnlich gute Weise zu erreichen sein.
Und was hören wir nach dem zweiten Chorus? Paul McCartney bekommt ein Bass-Feature, welches er mit einem kranken Fuzz-Sound nutzt. Es klingt fast so, als wolle er selbst sein „Höfner-Sound-Denkmal“ mit dem Bulldozer einreißen. In jedem Fall ist dies eine äußerst erfrischende Abwechslung!
„Bite My Head Off“ – Transkription
Hier findet ihr die Transkription mit Noten und TABs sowie die von mir eingespielten Klangbeispiele.
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt