In diesem Workshop möchte ich Geddy Lees Basslinie zum Song “Tom Sawyer” von Rush behandeln. Obwohl die Auflösung der Progrock-Supergroup eigentlich bereits seit 2018 offiziell ist, wurde dieses Kapitel mit dem überraschenden Tod von Drummer Neil Peart am 7.1.2020 auf tragische Weise endgültig geschlossen.
Rush mit ihrem Frontmann Geddy Lee am Bass und an den Vocals gelten zu Recht als eine der einflussreichsten Prog-Rockbands aller Zeiten. Dies liegt zum einen an ihrer mehr als vier Jahrzehnte umspannenden Karriere, aber vor allem an ihrer unglaublichen Kreativität, den musikalischen Fähigkeiten jedes einzelnen Protagonisten, sowie der Tatsache, dass sie stets ihr eigenes Ding durchgezogen haben.
Die Verdienste von Rush bzw. der einzelnen Mitglieder aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels ohne Frage sprengen. Ebenso die Aufzählung aller Preise, welche den drei Kanadiern im Laufe ihrer Karriere einheimsen durften. Stattdessen möchte ich mit einer Transkription von Rushs größtem Hit “Tom Saywer” meinen Hut vor der Lebensleistung dieses Trios ziehen und mich vor allem – obwohl dies ja ein Bass-Workshop ist – noch einmal vor Drummer Neil Peart verneigen!
“Tom Sawyer” findet sich auf dem Kultalbum “Moving Pictures”, welches als Meilenstein gilt und auch eine Art Wendepunkt im Songwriting von Rush darstellte. Die ganz langen epischen Werke wichen einer eher kompakteren Form, ohne aber auf Prog-typische Merkmale zu verzichten ‑ “Tom Sawyer” ist dafür eine Art Blaupause!
“Tom Sawyer” – Originalvideo
Zu Beginn schauen und hören wir noch einmal – wie immer – in das Originalvideo des behandelten Songs hinein – bitteschön:
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Mehr Informationen“Tom Sawyer” – Odd Meters / Rhythmik
Der Song startet im A-Teil mit einer simplen Rockbassline, die das tiefe E als Pedalton nutzt. Dies mündet im B-Teil in einem Unisonoriff mit der Gitarre, welches eine Art Erkennungsmelodie von “Tom Sawyer” ist. Bis hierher ist alles rhythmisch überschaubar – schon fast Mainstream!
Aber zu früh gefreut, denn in der Mitte des Songs packen Rush richtig den Dampfhammer aus. Zunächst wechselt Bassist Geddy Lee zum Synthesizer und stellt ein melodisches Riff im 7/8-Takt vor (Teil D), über das nach zehn Takten das Gitarrensolo folgt. Dafür wechselt Geddy dann wieder zurück zum E-Bass und übernimmt die Synthie-Stimme. Die viertaktige Phrase endet jeweils mit einem 13/16-Takt.
Ich wiederhole: 13/16-Takt! Aber was haben wir auch anderes von Rush erwartet? Keine Sorge, das Ganze ist einfacher als gedacht. Wie meistens bei ungeraden Takten (den sogenannten “Odd Meters”) geht es hier mehr um die Melodie des Riffs, als um die Mathematik dahinter. Ich bin überzeugt, dass dies auch bei den drei Kanadiern so gehandhabt wurde und jemand einfach die Idee für dieses coole Riff hatte – am Ende war es dann eben 13 Sechzehntel lang!
So sollte man es auch betrachten, denn mit Zählen kommt man beim 7/8-Takt in der Regel noch ganz gut hin, aber bei einen 13/16-Takt würde diese Angelegenheit wohl eher mechanisch und verkopft werden. Deshalb sollte man die Sache eher von der melodischen Seite aus betrachten. Gleiches gilt übrigens auch für den 15/6-Takt, der vom Gitarren- ins Drumsolo führt.
“Tom Sawyer” – Basssound
Im oben verlinkten Video zu “Tom Sawyer” kann man Geddy mit seinem schwarzen Rickenbacker-Bass sehen, tatsächlich kam bei der Aufnahme aber sein “Number One” zum Einsatz. Dies ist der berühmte schwarze Fender Jazz Bass aus dem Jahr 1972, den er für nur 200,- Dollar in einem Pfandhaus kaufte und der dann auch als Vorlage für das “Geddy Lee Signature Model” diente. So erzählt es der Meister persönlich in einem Interview.
Bzgl. der Verstärkung “röhrt” es ordentlich – mein Tipp wäre ein mikrofonierter Röhrenverstärker, welcher zum einen fett klingt und zum anderen wunderschöne durchsetzungsstarke Mitten besitzt, aber eben auch leicht verzerrt, um für den nötigen Biss im Soundkontext zu sorgen. Die angesprochene Verzerrung klingt für meine Ohren jedenfalls mehr nach einem Amp als nach einem Overdrive-, Distortion- oder Fuzz-Pedal.
Ein weiterer Bestandteil von Geddys Sound entsteht dadurch, dass er meist in der Nähe des Halses anschlägt. Hier besitzen die Saiten weniger Spannung und es kommt zu einer größeren Schwingungsamplitude. Das klingt zum einen bauchiger und voluminöser, zum anderen führt es auch zu mehr metallischen Geräuschen, da die Saite häufiger auf die Bundstäbe aufschlägt. Für einen aggressiven Rocksound ist diese “Unsauberkeit” durchaus ein toller und gewünschter Effekt!
„Tom Sawyer“ – Bass TAB / Noten / Playback
Hier findet ihr die kompletten Noten, TABs sowie die Bass-Audiospuren, die ich für diesen Workshop aufgenommen habe.
Noch einmal Hut ab vor dem musikalischen Werk von Neil Peart, Geddy Lee und Alex Lifeson, die mit Rush ein einzigartiges Vermächtnis hinterlassen haben, welches sicher noch viele Generationen an Musiker/innen inspirieren wird!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt