1984 erschien ein rebellischer Teenage-Tanzfilm mit dem Titel “Footloose”, dessen Title-Track musikalische Aufmerksamkeit erregte und sogar Platz 1 der amerikanischen Billboard-Charts erklimmen konnte. Der tanzbare Uptempo-Popsong von Kenny Loggins erhält seinen Reiz unter anderem von einem sehr lebendigen Basspart, eingespielt von keinem Geringeren als Nathan East!
East ist ohne Zweifel einer der erfolgreichsten Bassisten der letzten 35 Jahre. 1984 – zur Zeit also, als “Footloose” erschien – hatte der damals 29jährige Nathan East bereits eine erfolgreiche Studiokarriere in Los Angeles gestartet. Vorrangig war East für den etablierten Komponisten/Arrangeur Gene Page tätig, der ihn auch in die erlauchten Kreise der dortigen Studioszene einführte.
Da East Anfang der 80er erstmalig eine lange Tournee mit Kenny Loggins zugesagt hatte, musste er übrigens ein nahezu zeitgleiches Angebot von Quincy Jones für die Arbeit an Michael Jacksons “Thriller” Album absagen. Ungeachtet dessen nahm Nathans Karriere aber schnell weiter immense Fahrt auf. Vor allem seine Zusammenarbeit mit Phillip Bailey und Phil Collins bewirkte einen internationalen Katapult-Effekt!
In dieser Zeit tourte Nathan East aber auch immer wieder länger mit Kenny Loggins. Während den sechs Monaten einer solchen Tournee begann Loggins mit der Arbeit an dem Song “Footloose”. Wann immer Zeit war, wurde der Song mit der Tourband gejammt, entwickelt, ausgebaut und geprobt. Nathan begann irgendwann, etwas genervt und gelangweilt von diesem Prozess zu sein und fügte immer neue Details in den Basspart ein – einfach nur, um ihn für sich selbst ein wenig interessanter zu gestalten und den Spaß an der Sache zu behalten.
Als es dann endlich ins Studio ging, war er derart gut auf den Song eingespielt, dass sein Part in ein bis zwei Takes im Kasten war. Der Basspart ist für einen Popsong außergewöhnlich lebendig. Aus heutiger Sicht würden ihn viele Produzenten sicher als “overplayed” bezeichnen. Nichtsdestotrotz bietet der Basspart einen hörenswert konstruierten Musikgenuss!
Die Notation
Die Notation des Grooves erfolgt im sogenannten Alla Breve bzw. Cut-Time (2/2-Takt). Während der 4/4-Takt als Common Time bezeichnet wird (das “4/4” am Songanfang wird häufig durch ein “C” ersetzt), wird der 2/2-Takt als “Cut Time” bezeichnet. Das Time-Signature-Zeichen “C” am Songanfang wird in diesem Fall senkrecht durchgestrichen. Die Cut-Time-Schreibweise wird häufig bei Songs in schnellen Tempi verwendet. Der Grund: Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, ist das Lesen einfacher. An Stelle der Zählweise in Vierteln, wird im Alla Breve nur in Halben Noten gezählt. Das heißt, wir zählen in einem Tag nicht mehr “1-2-3-4”, sondern nur noch “1-2”, wobei die “2” im 2/2-Takt eigentlich der “3” im 4/4-Takt entspricht, also:
4/4-Takt: 1-2-3-4
2/2-Takt: 1— 2—
Das Tempo im Alla Breve verdoppelt sich entsprechend im Verhältnis zum 4/4-Takt, also muss man die Notenwerte (und auch die Pausen!) bei der Alla-Breve-Darstellung verdoppeln. Aus einer Viertel wird somit eine Halbe, aus einer Achtel eine Viertel, aus einer Sechzehntel eine Achtel etc. Diese Notationsweise findet man oft bei lateinamerikanischer Musik, wie zum Beispiel Samba, aber auch bei Country-Musik und weiteren Stilarten. Natürlich kann man auch alles “normal” im 4/4-Takt notieren – es ist nur eben mitunter etwas schwieriger zu lesen.
Hier seht ihr ein kurzes Beispiel, wie die gleiche Figur in den zwei unterschiedlichen Notationsweisen aussieht:
Intro
Intro und Strophe des Songs “Footloose” basieren auf einem temporeduzierten Bo-Diddley-Groove. (Dieser Rhythmus wurde von dem R&B-Sänger und -Gitarristen Bo Diddley berühmt gemacht.) Angeblich hatte Kenny Loggins für den Filmtrack die Vorgabe, einen Song mit einem solchen oder ähnlichen Groove zu komponieren. Die Originalvorlage könnt ihr hier in einer wirklich sehenswerten Fassung abrufen:
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Weitere InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenDie Bassfigur in Footloose spielt Groove auf A. Das Riff wird sehr konsequent ausgeführt – nur gelegentlich spielt Nathan East mal eine Verzierung. Im Takt 4 ist das ein Hammer-On von der Septime zur Oktave. Im Takt 12 spielt er einen klassischen “Double Stop”, bei dem ein Zweiklang durch einen Slide nach oben verschoben wird. In diesem Fall gleitet er vom den Tönen F# und C zu G und C#.
Abgesehen davon bleibt das Intro stoisch auf A. Man kann den Groove sowohl auf der E-Saite auf dem 5. Bund spielen, als auch auf der leeren A-Saite. Ich habe es auf den Soundbeispielen immer mit der leeren A-Saite gespielt.
Strophe/Bridge
Sobald die Strophe einsetzt, verändert Nathan East den Bassgroove. Zwar ist er noch an den Bo-Diddley-Groove angelehnt, verbindet die Schwerpunkte jedoch mit auffüllenden Achteln. Sobald die Linie auf D wechselt, wird sie lockerer und kehrt auf dem A wieder zum Intro-Groove zurück, um schließlich in die Bridge überzuleiten, die mit einer schönen chromatischen Akkordfolge von E über F#, G zu einem Stop auf G# hinleitet, welcher den Refrain einläutet.
Refrain
Der Refrain hat es nun wirklich in sich. Für mich ist das ein echtes Rock’n’Roll-Bass-Masterpiece, denn das Bassriff enthält einen sprudelnden Reigen an lebendigen Läufen, die sich geschickt und munter sämtlicher Phrasierungstechniken bedienen und alles andere als leicht in diesem Tempo zu bewältigen sind.
Hören wir uns das Riff am besten erst einmal an:
Nathan East bewegt sich bei dieser Linie wie ein Wiesel auf- und abwärts und verwendet bei den Aufgängen meistens den für viele Rock’n’Roll-Basslinien typischen Halbtonschritt von der Moll- zur Dur-Terz. Zudem bezieht er sehr geschickt die Chromatik in seine Linie mit ein, so wie etwa in Takt 11 vom D abwärts in Achtel-Zweiergruppen oder in Takt 12, wo er von F# nach A aufwärts gehend stets noch die leere E-Saite zwischen jeden chromatischen Ton einschiebt.
Nahezu “wie aus dem Lehrbuch” ist im Refrain der Umgang mit den Leersaiten, insbesondere der A-Saite. Gerade das wiederkehrende zweitaktige Kernriff in den Takten 1-2, 5-6 und 9-10, das die leere A-Saite als durchgehendes Ostinato klingen lässt, während sich auf der D-Saite die große Sexte (F#, Bund 4), kleine Septime (G, Bund 5) und Oktave (A, Bund 7) abwechseln, ist bereits eine wunderbare Fingerübung. Es lohnt sich, diese zwei Takte separat zu üben, bis sie wirklich rund laufen. Damit das Riff wirklich “pumpt”, sollten die Noten jeweils voneinander abgesetzt und isoliert klingen, also einander nicht überlappen.
Wer den Refrain zunächst kontrolliert langsamer angehen möchte, findet ihn hier in zwei langsameren Tempi:
Strophe/Bridge in der Live-Fassung
“Footloose” entpuppte sich trotz der bis dahin steil nach oben verlaufenden Karriere Nathan Easts als echter “Gamechanger”, denn im Jahr 1985, ein Jahr nach dem Release des Songs, kam es zum Auftritt mit Kenny Loggins beim legendären “Live Aid”-Konzert, das live auf der ganzen Welt übertragen wurde. Auch wenn sie sich vorher schon kannten, so holte Eric Clapton den agilen Bassisten nach exakt diesem Konzert in seine Band. Wer sich den Auftritt bei “Live Aid” ansieht, kann gut nachvollziehen, warum:
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Mehr InformationenBei dem Auftritt ist die Strophe etwas lockerer gespielt. wie z.B. in Takt 8 mit einem Slide in die A-Oktave oder in den Takten 10 und 12 in die große Dezime über D (Dur-Terz). Besonders bemerkenswert ist jedoch die Bridge in der zweiten Strophe, die im Gegensatz zur Studioproduktion einen sehr schönen diatonischen Abgang präsentiert (Takt 17/18). Vorsicht ist in der zweiten Strophe geboten, an der Stelle in Takt 13/14, die im Gegensatz zur ersten Strophe zwei Takte kürzer ausfällt.
Sound
Auch wenn das Bassriff speziell im Intro und der Strophe des Songs klingt, als wäre es mit einem Plektrum gespielt, so bin ich mir ziemlich sicher, dass Nathan East es mit den Fingern eingespielt hat. Eines seiner Markenzeichen ist, so wie er es mir auch einmal bei einer persönlichen Begegnung gezeigt hat, dass er bewusst für seinen Sound die Fingernägel einsetzt, die von der Länge her so geschnitten sind, dass er durch die Position der Fingerkuppe kontrollieren kann, wann sie die Saite berühren und wann nicht. Ich kenne sonst niemanden, der diese Technik auf ein derart geschickte Weise einsetzt wie Nathan East. Sie ist zwar subtil, aber enorm effektiv!
Beim “Live Aid”-Konzert verwendete Nathan East einen Yamaha BX-1 Bass, ein seltenes Instrument, das dem Steinberger Headless Trend- und Design entsprang. Es besaß einen durchgehenden Ahorn Hals mit Mahagoni-Body und war mit zwei splitbaren passiven Humbuckern und passiver Elektronik bestückt. Viele Exemplare wurden seinerzeit nicht davon verkauft. Welcher Bass für die Aufnahmen im Studio verwendet wurde, ist mir leider nicht bekannt.
Etwas am Basssound wirkt jedoch ungewöhnlich bei der Studioaufnahme. Es klingt in etwa so, als wenn man ein DI-Signal mit einem Mikrophon-/Lautsprechersignal mischt, aber die Phasen gegenläufig oder zumindest verschoben sind, wodurch es zu Auslöschungen bestimmter Frequenzbereiche kommt. Während das bei Gitarren ein durchaus willkommener Effekt sein kann (“Out of Phase”-Schaltungen), ist es für gewöhnlich bei Bässen eher unerwünscht.
Tatsächlich kam ich dem “Footloose”-Sound jedoch näher, nachdem ich zwei Parallelsignale aufnahm und bei einem davon die Phase umkehrte. Eigentlich ist es ja etwas, das man vermeiden sollte, aber man kann den Effekt eben auch gezielt einsetzen. Es ist lediglich eine Vermutung, aber der Toningenieur seinerzeit dürfte schon gewusst haben, was er tat.
Das Original ist übrigens bzgl. des Tunings ca. 25 Cent höher als 440 Herz – vermutlich weil das Tonband für die Mischung schneller abgespielt wurde, was bei Tanzfilmen nicht unüblich ist.
Hier hört ihr die ersten Takte des Intros, gespielt auf einem Fodera Monarch Standard Bass, passiv, mit beiden Tonabnehmern, aber minimal lauterem Halstonabnehmer.
Zuletzt für euch die komplette Fassung bis zum Ende des zweiten Refrains. Der Song geht im Original dann in einen Rhythmus-Break-Teil über, um dann mit dem Refrain bis zum Schluss weiterzulaufen. In den Schlussrefrains wird der Bassteil stets leicht variiert, aber natürlich passt auch die hier notierte Basslinie weiterhin darüber.
Volle Versionen zum Anhören und Mitspielen:
Und hier für diejenigen, die es interessiert, der Songs bis zum Ende des ersten Refrains mit Plektrum gespielt:
Viel Spaß und bis zum nächsten Mal, euer Oliver