Heute möchte ich euch einen Song präsentieren, der für mich in die Kategorie „Hätte verdient, bekannter zu sein!“ gehört. Auch ich kenne ihn eigentlich nur, weil ich aus purer Neugier im Jahr 1984 eines Abends zu einem Club-Gig des Gitarristen Alex Conti ging, der damals sein zweites Soloalbum mit dem Titel „Continued“ bewarb. Dort spielte die Band im Lauf des Gigs einen Song mit dem Titel „Better Things To Do“. Seit diesem Tag habe ich das Stück nicht mehr vergessen! Kürzlich hat mich die Erinnerung daran wieder eingeholt, und ich möchte euch gerne daran teilhaben lassen, denn auch der Basspart – gespielt von Martin Tiefensee – ist absolut faszinierend.
Kurzbio Martin Tiefensee
Martin Tiefensee begann seine Karriere in der Beat-Ära. Im Jahr 1973 gründete er gemeinsam mit (Keyboarder) Detlef Petersen eine umtriebige Rockband in Norddeutschland, die international beachtliche Erfolge erzielen konnte: Lake. Unter diesem Namen tourte man unter anderem durch die USA – gemeinsam mit Rockgrößen wie Lynyrd Skynyrd, Blue Oyster Cult, Neil Young, Hall & Oats und vielen weiteren.
Nachdem der langjährige Gitarrist Alex Conti 1980 die Band verlassen hatte und eine Solokarriere startete, erschien 1984 sein Album „Continued“. Mit von der Partie waren auch einige Kollegen aus der Lake-Ära. Neben Detlef Petersen und Geoffrey Peacey als Produzenten wurde auch Martin Tiefensee abermals für den Bass verpflichtet.
Original-Video
Hier zunächst der Youtube-Link mit dem Original von „Better Things To Do“:
Songform “Better Things To Do”
Die einprägsame und klare Songform ist wie folgt:
- Intro
- Verse 1
- Chorus 1
- Verse 2
- Chorus 2
- Middle 8
- Verse 3
- Chorus 3
- Playout (wie Middle 8)
Rhythmik / Tonmaterial “Better Things To Do”
Rhythmisch betrachtet liegt dem Song ein 16tel-Shufflegroove zugrunde. Das heißt, er wird generell in einem ternären Feeling gespielt. In den Noten stehende gerade 16tel-Figuren werden entsprechend ternär interpretiert. Bei dem Tempo von 98bpm verschwimmt mitunter die Grenze zwischen binärem und ternärem Feeling, weil die Sechzehntel schon recht flott werden. Generell sollte man jedoch ein swingendes Feeling beim Spielen beibehalten.
Die Basslinie von „Better Things To Do“ verwendet in der Strophe größtenteils Tonmaterial aus B-Moll; hier und da mit ein paar mutigen Wendungen. Interessant ist, dass Martin Tiefensee die drei Strophen jedes Mal anders interpretiert. Teilweise orientiert sich die Linie am Gesang, dann wieder eher an den Grundtönen der Akkorde. Auf jeden Fall gestalten sich dadurch die (mit lediglich sieben Takten recht kurzen) Strophen sehr abwechslungsreich.
Im Refrain wechselt der Song in die parallele Dur-Tonart D-Dur, wobei alle wechselnden Akkorde über dem Ton A kreisen. Der Bass spielt hier ein sich ständig wiederholendes Ostinato-Riff, das genau genommen den Gesang doppelt.
Im Mittelteil, der sich zum Ende hin als Jam-Part ausgedehnt wiederholt, wechselt der Bass zweitaktig zwischen E und D hin und her, wobei einige improvisierte Slap-Einwürfe zu hören sind. Hierzu mehr im folgenden Abschnitt.
Spieltechnik
Martin Tiefensee spielt vorrangig mit dem Plektrum, so auch bei diesem Song. Ihr werdet sehr schnell merken, dass die Basslinie bei dem vorgegebenen Tempo mit Plektrum recht kniffelig ist, denn es gibt einige schnelle Saitensprünge und Vorschlag/Auftaktnoten zu bewältigen. Da es sich um ein schnelleres 16tel-Feel handelt, muss das Plektrum zwangsläufig mit „Butterfly-Picking“ gespielt werden, also mit Auf- und Abschlag (Up- und Downstroke). Man kann den Basspart prinzipiell natürlich auch mit den Fingern spielen, erhält dann aber nicht den knackigen Sound, welcher dem Original seinen Charakter verleiht.
Im Mittelteil bzw. dem Jam-Teil/Gitarrensolo verwendet Martin Tiefensee eine Spieltechnik, die Plektrum- und Slaptechnik kombiniert. Bei dieser Pick/Slap-Technik hält man das Plektrum wie gewohnt zwischen Daumen und Zeigefinger, verwendet jedoch zusätzlich den Mittel- oder Ringfinger zum Anreißen der oberen Saiten. Statt also die tiefen Saiten wie bei der normalen Slaptechnik mit dem Daumen anzuschlagen, verwendet ihr hierzu das Plektrum, während die hohen Saiten nicht mit dem Zeigefinger angerissen werden (der muss ja mit dem Daumen gemeinsam das Plektrum halten), sondern mit dem Mittel- oder Ringfinger. Probiert es aus, es ist eine absolut coole Technik!
Basssound “Better Things To Do”
Martin Tiefensee verwendete bei der Aufnahme für „Better Things To Do“ genau das Equipment, welches er auch heute noch benutzt: Einen 1962er Fender Precision mit Rotosound-Stahlsaiten über einen 100 Watt starken Marshall Super Bass Verstärker mit zugehöriger Marshall-Bassbox, bestückt mit 4×12“ Celestion-Lautsprechern. Abgenommen wurde das Speaker-Signal mit einem AKG D12 Mikrofon. Das Amp/Speaker-Signal wurde mit einem trockenen DI-Signal zusammengemischt.
Aufgenommen wurde über ein Trident-Mischpult in eine 2-Zoll-Ampex 16-Spur-Bandmaschine. Engineer war Geoffrey Peacey. Die Aufnahmen entstanden (wie zu jener Zeit noch üblich) live, also zusammen eingespielt mit der ganzen Band. Am Schlagzeug saß Olaf Gustavson. Deutlich ist auf der Aufnahme zu hören, dass für den Bass ein Chorus-Effekt verwendet wurde. Dieser wurde jedoch erst beim Mixing im späteren Verlauf der Produktion hinzugefügt.
Für die Rekonstruktion der Basslinie habe ich einen NYC Sadowsky P/J Bass über einen Olympic III. Tube Preamp der Firma Shift-Line verwendet. Der Chorus stammt aus dem Logic PlugIn-Arsenal. Für die Aufnahme der Strophenmelodie kam ein Lakland Skyline 55-02 Bass zum Einsatz.
„Better Things To Do“ – Transkription
Hier findet ihr die Noten und TABs von „Better Things To Do“:
Viel Spaß mit der coolen Basslinie von “Better Things To Do” und bis zum nächsten Mal, euer Oliver