Das akustische Klavier bietet viele klangliche Facetten. Seit Neoklassik und Minimal Piano hat sich der dunklere intime Sound des Felt Pianos etabliert. Es gibt aber auch durchaus erfolgreiche Tendenzen, das Klavier sehr hell und glockig werden zu lassen. Hier geht die Celesta als eines der wichtigsten Tasteninstrumente hervor.
Für Keyboarder, Pianisten, Arrangeure und Produzenten ist sie immer eine besondere Wahl. Und mit der Celesta lässt sich noch weit mehr spielen als „Hedwig’s Theme“ aus Harry Potter.
Celesta ist ein historisches Glockenklavier.
Die Celesta erfand Victor Mustel 1886 in Paris. Offenbar soll der Name den einzigartigen Klang des Instruments beschreiben. Das französische Wort céleste steht für himmlisch. Mit feinen Glöckchen schien man dem Himmel näher zu sein als mit Kirchenglocken.
Eine spezielle Mechanik erzeugt den subtil hellen Klang: Ein Filzhammer schlägt von oben auf eine Klangplatte aus Stahl, unter der sich ein Resonator aus Holz befindet. Wie beim Klavier wird der Hammer per Tastendruck ausgelöst.
Die klassische Celesta nach Mustels Vorgaben baut bis heute die Firma Schiedmayer mit Sitz in Wendlingen am Neckar. Diese exklusiven Instrumente haben ihren Preis im höheren fünfstelligen Bereich. Gekauft werden sie hauptsächlich für Konzerthäuser, Hochschulen und Orchestern.
Für dich ausgesucht
Die Celesta von Schiedmayer ist auf allen Kontinenten zuhause. Wer sich für das Original interessiert, kommt an Schiedmayer nicht vorbei.
Zu Besuch bei Schiedmayer Celesta GmbH
Die Celesta als Plugin und Library
Mit einer echten Celesta zu musizieren ist ein Privileg. Die allermeisten Musiker müssen nach einer bezahlbaren Alternative schauen. Es lohnt sich: Als Kontakt-Library oder Plugin findet man so einige Imitate und Interpretationen der Celesta.
Fracture Sounds Moonlight Celeste
Wunderschön und budgetfreundlich ist Moonlight Celeste von Fracture Sounds.
Fracture Sounds enthält virtuelle Instrumente für NI Kontakt. Der Fokus liegt auf Sounds für Kino, Neoklassik, Ambient oder Meditation. Ein echter Tipp sind die verschiedenen Pianos – wir haben sie für euch einmal angespielt.
VSL VSO Expansion Pack
Die auf Konzert- und Orchesterinstrumente spezialisierte Firma VSL nimmt sich selbstverständlich der Celesta an und bietet sie als Erweiterung for das VSL Vienna Smart Orchestra.
Toontrack EKX Dream Machine
Die Erweiterung Dream Machine für Toontrack EZKeys liefert dem MIDI-Arrangeur einen Celesta-Sound.
Modartt Pianoteq
Physical Modeling bewährt sich auch zur Simulation des Celesta-Klangs. Für Modartt Pianoteq gibt es optional das Pack Celeste.
Physical Modeling bei Klavier & Co.: Modartt Pianoteq ist seit vielen Jahren die Nummer Eins. Das virtuelle Instrument wirkt in Version 8 ziemlich ausgereift und läuft nun sogar auf vier Plattformen inklusive iOS. Eine kurze, aber kritische Betrachtung der Piano-Software aus Frankreich.
Spectrasonics Keyscape
Eine luxuriöse Pauschale ist Spectrasonics Keyscape. Celesta, Dulcitone und andere Sounds historischer Tasteninstrumente sind hier enthalten.
Die Celesta in digitalen Pianos und Keyboards
Nicht wenige elektronische Tasteninstrumente bieten einen Celesta-Sound. Wir nennen drei Beispiele aus dem Low Budget Bereich. Öfter findet sich der Sound nicht in der Rubrik Piano, sondern bei Mallet und Percussion beziehungsweise bei Chromatic Percussion, so auch bei Yamaha-Keyboards.
Yamaha PSR-E383
Ein Arranger-Keyboard für Einsteiger bietet immer einen Celesta-Sound.
Kawai MP-11 SE
So einige E-Pianos integrieren den glockigen Sound einer Celesta – so etwa auch das Kawai MP-11 SE.
Viscount Cantorum VI Plus
Natürlich fehlt der Celesta-Sound nicht in einem Orgel-Sakral-Keyboard.
Die Celesta schreibt Musikgeschichte: Nussknacker-Suite und Harry Potter Theme
Wer kennt nicht diesen glockigen Klang, der Hedwig’s Theme einleitet? Der Soundtrack von John Williams aus dem Jahr 2001 macht die Celesta vielen jungen Hörern bekannt. Er wird gern auf dem Klavier nachgespielt.
John Williams – Hedwig’s Theme (Harry Potter), WDR Funkhausorchester
Doch schon lange vor John Williams ist die Celesta berühmt geworden: Tschaikowsky lernte im Sommer 1891 die Celesta kennen und verwendete sie sehr bald darauf im „Tanz der Zuckerfee“ aus dem Ballett „Der Nussknacker“.
Tanz der Zuckerfee – Tschaikowsky: Der Nussknacker – Simon Rattle, Berliner Philharmoniker
Ansonsten finden sich im klassischen Repertoire vornehmlich Orchesterstücke, die das himmlische Tasteninstrument einbinden. Es sind einige bekannte Komponisten wie Ravel, Debussy, Mahler oder Bartok vertreten. Sie nutzen die Celesta für Partien, die mystisch oder magisch klingen sollen. Eine Auswahl an Werken mit Orchester und Celesta sowie mit Titeln aus dem weitläufigen Genre Film/Pop/Jazz stellt Schiedmayer zusammen.
Bartók: Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Orozco-Estrada
So vielseitig wie ein Klavier, aber die Celesta klingt anders.
Die Celesta hat ein wesentlich softeres Timbre als ein Toy Piano oder Tastenglockenspiel, das erstmals in Mozarts Zauberflöte für Aufsehen sorgte. Es bietet einen wärmeren und leicht sphärischen Grundklang sowie einen größeren Tonumfang von über fünf Oktaven. Im Grunde spielt sich die Celesta wie ein Klavier. Tatsächlich lassen sich praktisch viele Klavierstücke auf der Celesta umsetzen. Für gewöhnlich sitzt an der Celesta ein Pianist. Virtuosität werden ihnen bei Orchesterstücken abverlangt.
Die ersten drei Klangbeispiele zeigen, wie deutlich sich die Celesta von einem Glockenspielklavier oder Toy Piano unterscheidet. Zum Einsatz kommt das Plugin Modartt Pianoteq mit Physical Modeling.
Spielen wir nun weitere Presets aus drei verschiedenen Plugins an. Wie schon anhand weniger Kostproben zu hören: Eine Celesta lässt sich sehr artikulativ, dynamisch und in verschiedenen Klangnuancen darstellen.
Eine Alternative zur Celesta: Dulcitone
Neben dem bereits im 18. Jahrhundert erfundenen Tastenglockenspiel kommt das Dulcitone klanglich einer Celesta nahe. Konzipiert wurde es im späten 19. Jahrhundert von Thomas Machell aus Glasgow. Bei diesem kompakten Tasteninstrument schlagen Filz-Hämmerchen auf verschiedene Stimmgabeln. Die Stimmstabilität ist also gut, die erzielte Lautstärke aber gering. So hat sich das Dulcitone nicht als Live-Instrument behaupten können. Für Studioprojekte spielt dieser Nachteil aber keine Rolle. Das schottische Keyboard ist heute als VST spielbar. Ein Budget-Tipp ist das „Dulcitone 1884“ von Sound Dust. Es handelt sich um eine Library für NI Kontakt. Wer Spectrasonics Keyscape besitzt, ist schon bestens mit Dulcitone-Presets versorgt.
Dulcitone 1900 | Blessed are the music makers
So natürlich klingt ein Dulcitone mit einem VST-Instrument angespielt. Als Layer mit der Celesta überzeugt sie ebenso.
Fazit
Die Celesta ist ein kleiner Schatz. Ihr markanter Sound gibt’s nicht nur auf dem Computer, sondern er steckt auch in vielen Digitalpianos, Synthesizern und Keyboards. Und weil der Klang so bedeutend ist, findet man ihn auch schon lange als Sound Nr. 8 der insgesamt 128 General MIDI Patches. Letztlich gibt es noch viel zu wenige Originalwerke oder Bearbeitungen für dieses Instrument. Dieser Sound könnte sicherlich das eine oder andere neue Projekt beflügeln. Viel Spaß bei der eigenen Neuentdeckung der Celesta.