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Die Geschichte des Tape Loops

Die Geschichte des Tape Loops reicht noch vor die Zeit der Verwendung von Synthesizern in der Musik. Wir beleuchten die Hintergründe.

Die Geschichte des Tape Loops
Workshop-Serie: Die Geschichte des Tape Loops (Quelle: Sascha Bachmann)

Noch bevor der Synthesizer in der Musikwelt Einzug hielt, war der Tape Loop elementarer Bestandteil der Arbeiten progressiver Musiker. Eine interessante These besagt: Innovationen entstehen aus dem Experimentieren heraus. Die Evolution des Tape Loops ist ein lebendiger Beweis dafür.

Dieser Artikel befasst sich mit einer einzigartigen Form des Musikmachens, deren Geschichte bereits eine Weile zurückliegt. Dem Arbeiten mit Tonband, das zum Produzieren von schleifenartiger Musik oder Geräuschen (Loops) in einer besonderen Form vorbereitet wird. Abgespielt mit Tonbandgeräten entwickeln sogenannte Tape Loops einen ganz speziellen Sound, der schon vor vielen Jahrzehnten namhafte Musiker begeisterte. Wir blicken zurück zu den Wurzeln des magnetischen Loops und verfolgen seine Evolution bis zum Revival.

Inhalte
  1. Was versteht man unter einem Tape Loop?
  2. Der Tape Loop in der Musikhistorie
  3. Wie entsteht ein Tape Loop?
  4. Tonbandgerät als Musikinstrument
  5. Wire Recorder – Vorfahre des Tape Loop
  6. Pierre Schaeffer – der Godfather of Sampling
  7. Die Welt öffnet sich dem Tape Loop
  8. Das Mellotron – der Tape Loop-Sampler
  9. Die Grandes Dames des Tape Loops
  10. Die Ernsthaften
  11. Der Tape Loop im Mainstream und sein Niedergang
  12. Das Tape Loop Revival
  13. Zum Schluss

Was versteht man unter einem Tape Loop?

Bei einem Tape Loop handelt sich physisch um einen geschlossenen Kreislauf aus magnetischem Band. Auf diesem werden mittels elektromagnetischer Wandlung Schallsignale gespeichert. In diesem Zusammenhang unterscheidet man verschiedene Spurbreiten. Die kleinste Variante in 1/8“, das Format der Musikkassette, gefolgt von 1/4“, der Standardgröße für Tonbänder. 1/2“, das Format für studiotaugliche Geräte bis hin zum 1“- und 2“-Format, das in professionellen Bandmaschinen Verwendung findet. Manche Loops können mithilfe von 1/8“ Kassetten für eine simultane Mehrspuraufnahme von bis zu acht Spuren verwendet werden. Andere Geräte, wie die berühmte Nagra 3, werden als Vollformat bezeichnet, da sie auf der gesamten Spurbreite in Mono aufnehmen. Auch der Typ der Bandbeschichtung spielt in Hinsicht auf die Qualität der Aufnahme eine Rolle. So wird Ferric eher für laute, Chrome Type II für medium bis dynamische und Metal Type IV für detaillierte Wiedergabequalitäten verwendet.

Der Tape Loop in der Musikhistorie

In der Geschichte der elektronischen Musik wurden Tape Loops dazu verwendet, um sich wiederholende rhythmische Musikmuster oder dichte Klangschichten zu erzeugen.

Entstanden sind sie in den 1940er Jahren und insbesondere mit der Arbeit von Pierre Schaeffer und der Phase der Music Concrete. In dieser Zeit entdeckte man das Tonbandgerät als ideales Medium im Bereich der experimentellen Musik. Digitaltechnik und die Verlagerung von klanggestalterischen Arbeiten auf den Computer verdrängten die Verwendung von Tape Loops. Diese liegen jedoch mit Aufkommen des Retro-Trends und analoger Klangerzeugungsverfahren wieder voll im Trend.

Nagra 3 Bandmaschine
Blick auf einen Tape Loop in einer Nagra 3 Bandmaschine (Quelle: Sascha Bachmann)

Wie entsteht ein Tape Loop?

Entnimmt man der Bandspule ein Stück Band und klebt es zusammen, entsteht der Tape Loop. Der Loop kann verschiedene Längen haben, je nachdem, welcher Stil erzeugt werden soll. Kurze Loops kreieren vorwiegend den Effekt der Wiederholung. Ein Merkmal, welches meditativ wirken kann und oft im Genre der Ambient-Musik zum Einsatz kommt. In der Musique Concrète wird der Loop mit Alltags-üblichen Sounds zu interessanten Soundscapes zusammengesetzt. Nicht selten wurden im Studio Loops mit Beats verwendet, um eine Rhythmusmaschine oder einen Schlagzeuger zu ersetzen.

Kassetten Tape Loop
Kassetten Tape Loop und zwei Ersatzloops. (Quelle: Sascha Bachmann)

Tonbandgerät als Musikinstrument

Das Tonbandgerät wurde ursprünglich nur zum Mitschneiden von akustischen Ereignissen verwendet. So waren es eher die Experimentierfreudigen, die das Bandgerät zum Instrument machten. Tonbandmaschinen boten eine gute Qualität und waren günstiger als andere Aufnahmemedien. Zudem bot das Tonbandgerät kreative Möglichkeiten, um Klänge zu manipulieren. Tempovariationen, Verzögerungen (Delays) und das zerschneiden und neu zusammenfügen des Magnetbandes, wurden damit erst möglich. Auch war es neu, Musik aufzunehmen und sie an einem anderen Ort wiederzugeben. Eine Tätigkeit, die heutzutage völlig normal scheint. Es wurden Techniken geboren, die das Fundament des modernen Produktionsprozesses gelegt haben und es bis heute erhalten.

Zwei Tonabndmaschinen
Technik des von Robert Fripp entwickelten Frippertronics-Verfahren: Zwei Bandmachinen spielen ein Tonband. (Quelle: YouTube)

Wire Recorder – Vorfahre des Tape Loop

Die Geschichte des Tape Loops ist unweigerlich mit der Erfindung des Magnetbandes verbunden. Doch es gab einen Vorläufer des Tonbandgerätes, den Wire Recorder – zu Deutsch – Drahttongerät. Mittels der Magnetisierung eines sehr dünnen Stahldrahtes konnten Audiosignale gespeichert werden. Ähnlich wie beim Tonbandgerät verfügt auch das Drahttongerät einen Aufnahme- und einen Abspielkopf. Halim El-Dabh, der hier als Vorfahre genannt wird, verwendete 1944 einen Wire Recorder für die erste elektronische Komposition. Nachdem er eine Heilungszeremonie aufgenommen hatte, verfremdete er diese mit Echo – und Hallkammern. Damit manipulierte er die Klangfarbe der Aufnahme. Leider hat nur ein zweiminütiger Ausschnitt daraus überlebt. Diesen kann man hier hören. Halim El-Dabh ebnete damit den Weg für moderne Klangbearbeitung. Er arbeitete später für Igor Strawinsky und mit Leuten wie John Cage und Otto Lünning zusammen.

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Pierre Schaeffer – der Godfather of Sampling

Die von Pierre Schaeffer entwickelten Techniken zum Editieren von Klängen legten den Grundstein für das Sampling. Schon bevor er mit Magnetbändern experimentierte, loopte er Sounds auf einem Phonographen. Doch diese Arbeit wurde mit der Erfindung des Magnetbandes viel einfacher. Zudem konnte er die Tape Loop-Sounds nun manipulieren, verfremden und neue Klänge hinzufügen.

Pierre Schaeffer vor dem Coupigny-Synthesizer
Pierre Schaeffer vor dem Coupigny-Synthesizer und dem Mischpult. Die Hand an einem Moog-Synthesizer (Quelle: Ruska, Copyright GRM).

GRM – Group de Recherche Musicales

Zusammen mit Pierre Henry und Jacques Poullin gründete Pierre Schaeffer die GRMGroup de Recherche Musicales. In diesem speziellen Institut entwickelten sie die Musique Concrète. Hier wurden aufgenommene Klänge als Ausgangsmaterial für kompositorische Zwecke verwendet. Diese Theorie führt somit die von Halim El-Dabh etablierte Technik fort. Musique Concrète gehörte zu den ersten Sätzen, die dem Instrumentarium des Komponisten aufgenommene und elektronische Klänge hinzufügten. Sie war ein Vorläufer des elektronisch erzeugten Klangs und die Techniken schwingen noch heute in der elektronischen Musikproduktion mit. Hier eine kleine Hörprobe.

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Die Welt öffnet sich dem Tape Loop

Ähnlich wie die „GRM“ gab es zur gleichen Zeit Ende der 1950er Jahre das „Tape Music Center“ aus San Francisco und später den „BBC Radiophonic Workshop“ in London. Auch in Deutschland taten sich experimentierfreudige Musiker wie Karlheinz Stockhausen und Gottfried Michael König in dem „Studio für Elektronische Musik“ in Köln zusammen.

Das Mellotron – der Tape Loop-Sampler

Die Ursprungsidee zu diesem Instrument aus den 1950er Jahren wäre ohne Tape Loops nicht umsetzbar gewesen. Der Erfinder Harry Chamberlin konstruierte mit dem Mellotron ein per Tastatur spielbares Tonbandgerät. Ein sehr aufwendiges, denn unter jeder Taste befand sich ein Mechanismus zum Abspielen einer Bandschleife. Wurde auf der Tastatur ein Ton angeschlagen, drückte der jeweilige Tonkopf aufs Band. Dieser spielte somit den aufgenommenen Klang. Das Keyboard verfügte über 35 Tasten und damit über 35 Bandschleifen (Tape Loops). Von Hause standen vier verschiedene Sounds zur Verfügung: Violine, Flöte, Bläser und Chöre. Diese Sounds wurden nebeneinander auf jedem der 35 Loops gespeichert. Durch einen Mechanismus, der den Tonkopf verschob, konnte man zwischen den verschiedenen Klängen wechseln. Dieses einzigartige Instrument wäre ohne Tape Loops nicht entstanden.

Tastatur und Tonbänder: ein offenes Mellotron mit Tastatur von oben fotografiert. (Quelle: Nora van Rijn)

Musik, die unter Verwendung des Mellotrons entstand

Zwei bekannte Musikstücke, die man mit dem Mellotron verbindet, sind „Strawberry Fields Forever“ von den Beatles und David Bowies „Space Oddity“. Ähnlich wie der Tape Loop wurde das Mellotron in den 1980er Jahren von Samplern und Synthesizern abgelöst. Die aktuelle Version des legendären Mellotron basiert heute auf digitaler Ebene.

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Die Grandes Dames des Tape Loops

Pauline Olivieros

Die Mitbegründerin des Tape Music Centers, Pauline Olivieros war auf der Suche nach einer Echtzeit- Improvisationstechnik für ihre Live Konzerte. Sie erzeugte dazu mittels verschiedener Oszillatoren deren Differenztöne und nahm sie mit dem Tonband auf. Diese Aufnahme lief dann zum nächsten Tonband und speiste die Aufnahme dann zurück in das erste Gerät.

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Eliane Radigue

Eliane Radigue studierte elektroakustische Komposition bei Pierre Schaeffer. Ende der 1960er Jahre löste sie sich von der Musique Concrète. Sie komponierte hauptsächlich Musik mit dem ARP Modularsystem und Bandmaschinen. Ihre Musik fokussierte sich auf minimalistische Veränderungen von Klangflächen. Hier eine Hörempfehlung.

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Daphne Oram

Ganz in der Tradition der Musique Concrète, produzierte Daphne Oram Anfang der 1950er Jahre Tape Musik. Neben ihrer Erfindung der gezeichneten Tonerzeugung ist sie eine Mitbegründerin des BBC Radiophonic Workshops.

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Delia Derbyshire

Auch aus dem Hause des BBC Radiophonic Workshops, stammt diese eventuell bekannteste Vertreterin der experimentellen Musik: Delia Derbyshire. Mit ihrer auf Tape Loops basierenden Version des Titelthemas der Serie Dr. Who (1963), schaffte sie es eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Auch hier wurden Tape Loops mit Tempoveränderung und Rückwärtslauf manipuliert und neu zusammengesetzt. Das Ergebnis klingt wie folgt:

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Die Ernsthaften

Karlheinz Stockhausen und Gottfried Michael König

Er zählte zu einem der bekanntesten deutschen Komponisten, der Tape Loops einsetzte: Karlheinz Stockhausen. Als eines der bedeutendsten Stücke der elektronischen Musik gilt Stockhausens „Gesang der Jünglinge“ aus dem Jahr 1965. Hier arbeitete er u. a. mit Klang manipulierten Tape Loops. Aber auch Gottfried Michael König muss hier erwähnt werden. Er ist bekannt für die Verwendung der „Sound on Sound Technik“. König entfernte den Löschkopf seines Tonbandgerätes. Somit konnte er einen Tape Loop immer wieder bespielen, ohne das vorhergehende Material zu löschen. Es entstand eine Klangkollage.

Karlheinz Stockhausen
Karlheinz Stockhausen im Studio für Elektronische Musik des WDR im Oktober 1994. (Quelle: Kathinka Pasveer)

Der Tape Loop im Mainstream und sein Niedergang

Robert Fripp und Brian Eno

Zwei sehr wegweisende Tape Looper sind Brian Eno und der Gitarrist Robert Fripp. Als Eno mehrere Tape Loop-Alben veröffentlichte, feilte Fripp an einer ganz eigenen Nutzung von Tape, Loop und Feedback. Er nannte es Frippertronics. Auch wenn diese Technik schon von Terry Riley in den 1950er Jahren verwendet wurde, so hat Fripp sie bekannt gemacht. Hierfür verwendete Fripp zwei Bandmaschinen. Auf dem ersten Gerät nahm er seine Gitarre auf, dann wird das Band auf dem nächsten Gerät wiedergegeben. Beide Signale landen im Mixer auf zwei verschieden Spuren. Eine deutliche Verzögerung (Delay) ist zu hören. Zudem wird mittels eines Aux/ Send Kanals, ein zusätzliches Feedback dazu gemischt. Es entstand ein dichter Delay Sound mit langem Fade Out. Sehr gut auf Fripp & Eno’s – „No pussyfooting“ nachzuhören.

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Das Tape Loop Revival

Mitte der 1990er Jahre jedoch erschöpfte sich das Ohr an der digitalen Genauigkeit. So entstand scheinbar eine Sehnsucht nach Imperfektion. Diese kam in der Lofi-Musik zum Ausdruck. Mitbegründer wie Sonic Youth und Daniel Johnston kreierten nun mit simplen Retro-Instrumenten ihre Alben. Mit William Basinkis – Disintegration Loops (2002-2003) wurde das Revival des Tape Loops manifestiert. Einige Wegbereiter dieser Welle sind u. a. Alessandro Cortini, der mit einem 4-Spur-Gerät in der Band Nine Inch Nails zu deren Sounddesign beiträgt. Des Weiteren Wouter van Veldhoven, Amulets, Hainbach, Gemini Horror, Marcus Fisher, Tape Loop Orchestra und Blank For.ms. Alte, in Vergessenheit geratene Produktionstechniken wie z. B. die Sound on Sound Technik oder Frippertronics werden von neuen Künstlern adaptiert und weiterentwickelt.

Zum Schluss

Innovationen entstehen oft mit einem Fuß in der Vergangenheit und einem in der Zukunft. Genau das ist in der Geschichte des Tape Loops zu erkennen. Produktionstechniken wie Tempomanipulation, Sampling, Delay und überhaupt einen Klang zu nehmen und ihn später zu bearbeiten, sind Tätigkeiten, die bis heute Einzug in die Musikproduktion halten. Das Tape Loop Revival kann man auch als Gegenbewegung zur immer smarteren Umgebung der modernen Musikproduktion sehen. Es ist eine Rückbesinnung auf den Ursprung. Vielleicht auch eine Antithese auf den Perfektionismus der digitalen Revolution. Der Fakt, dass der Tape Loop wieder zurück ist, bedeutet, dass sein Potenzial noch nicht erschöpft ist. Es bleibt spannend, wohin neue aufstrebende Künstler dieses Medium noch vorantreiben werden.

Die weiteren Folgen dieser Workshop-Reihe befassen sich mit allem, was das Thema Tape Loops zu bieten hat. Angefangen bei der Herstellung eigener Tape Loops, über das Aufnehmen mit Tape Loops, die Musikproduktion, andere Formate … und noch viel mehr.

Weitere Folgen dieser Serie:
Tape Loop Recording Workshop Artikelbild
Tape Loop Recording Workshop

Unser Tape Loop Recording Workshop erklärt, mit welchen Aufnahmetechniken man einen Tape Loop bespielt und was dabei zu beachten ist.

22.01.2022
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