Die in Hamburg ansässige Band Fotos hat sich im Jahr 2005 gegründet und bisher drei Alben veröffentlicht: „Fotos“ (2006 Mute/Labels), „Nach dem Goldrausch“ (2008 Mute/Labels) und „Porzellan“ (2010 Snowhite).
Bonedo: In welche Länder oder Winkel der Welt hat es dich und deine Band „Fotos“ mit dem Goethe-Institut schon verschlagen?
Wir waren mit dem Goethe-Institut direkt in Zentralasien, Usbekistan und Tadschikistan, in Indien, Bangladesh, Sri Lanka, Indonesien und Mexiko. In Kooperation des Goethe-Instituts mit ausländischen Partnern bzw. direkt über die deutschen Botschaften waren wir noch in Armenien, Libyen und China. In China war es so, dass das Goethe-Institut zusammen mit Wirtschaftspartnern eine “deutsch-chinesische Promenade” organisiert hatte. Dort haben dann in mehreren großen Städten deutsche Bands auf Freilichtbühnen gespielt. Das war ein sehr großer Rahmen. Das Goethe-Institut war da für uns der Vermittler zwischen Veranstalter und Künstler.
B: Ging es bei euren Konzerten in all diesen Ländern auch um die deutsche Sprache an sich?
Das war unterschiedlich. Also bei diesen Kooperationen wie in China eigentlich gar nicht, da ging es mehr darum, deutsche Bands zu präsentieren und den Leuten was zu bieten. Auf den längeren Reisen durch Zentralasien, Indien oder Indonesien hingegen war der Gedanke auf jeden Fall präsent. Für die Sprachkurse des Goethe-Instituts in Indien wurden zum Beispiel unsere Texte in Schulheften abgedruckt, also Deutsch lernen mit den CDs “Nach dem Goldrausch” oder “Porzellan” von Fotos. Wie so ein Schulbuch halt ist, wurden da Texte abgedruckt und auf den folgenden Seiten gab es Fragen zu Grammatik oder Interpretation usw. – in dieser Form ist der Gedanke des Deutsch-Lernens in Verbindung mit uns als Band natürlich indirekt ein Thema, bei den Konzerten selbst war das aber total zu vernachlässigen. Und so gut waren die Deutschkenntnisse dort dann meist auch nicht, dass die Leute die Texte live wirklich hätten verstehen können. Selbst wenn man die Sprache spricht, ist es ja oft schwer genug, die Texte von Bands live zu verstehen.
B: Fühlt ihr euch dabei irgendwie auch als Botschafter der deutschen Sprache oder Kultur, als Gesandter des Goethe-Instituts? Schwingt neben der Arbeit als Musiker auch immer etwas von Repräsentieren mit?
Nein, das ist nicht so. Besonders, wenn man auf die Bühne geht, denkt man nicht an so etwas … obwohl es natürlich etwas ganz anderes ist, als hier in Deutschland aufzutreten. Dieses andere Gefühl kommt aber eher daher, dass der Rahmen auf den Goethe-Gastspielreisen einfach anders ist. Dass das Publikum vielleicht ein paar Songs aus dem Netz kennt, total neugierig ist, aber die Zuhörer eigentlich nicht Fans der Band sind. Wenn wir im Gegensatz dazu in Deutschland auf Tour sind, kommen die Leute gezielt zu unseren Konzerten, kennen die Musik, singen mit … was aber nicht heißt, dass das Publikum auf unseren Reisen mit dem Goethe-Institut weniger an den Konzerten teilhatte! Teilweise sind die Leute viel hemmungsloser und begeisterungsfähiger, weil sie einfach nicht so verwöhnt sind. In vielen Ländern oder Gebieten, in denen wir waren, gibt es einfach keine Rockmusik-Szene, so wie hier. Manche sehen so etwas zum ersten Mal und drehen total durch, weil das für sie einfach großartig und neu ist. Aber zurück zur Frage, ob wir dort auf der Bühne stehen und dabei daran denken, die deutsche Leitkultur zu repräsentieren: Nein!
B: Kommt man in Situationen, in den man Stellungnahmen zur deutschen Außenpolitik, Kultur oder Geschichte usw. abgeben soll?
Nein, das gar nicht. Es kann allerdings schon zu Situationen kommen, die in diese Richtung gehen. Finde ich aber völlig legitim. Wir wurden z. B. auf der Zentralasien-Reise zwei Mal gefragt, wie wir zur Politik Hitlers stünden! Da haben sich die Leute anscheinend im Vorfeld Gedanken gemacht, was man eine deutsche Band so alles fragen könnte. Das Dritte Reich ist einfach eine Sache, die nicht nur die Leute in der ehemaligen Sowjetunion mit Deutschland verbinden. Aber so eine Frage wird uns als privat Personen gestellt, die kann man dann auch ganz entspannt beantworten. Und es war auch überhaupt nicht so, dass wir irgendwelche Ansprachen oder Ähnliches halten mussten.
B: Habt ihr viel von den Ländern gesehen, Abenteuer erlebt?
Abenteuer … hm. Also eigentlich war auf den Reisen immer alles sehr organisiert. Aber es kann natürlich passieren, dass man in einer alten Propellermaschine aus russischen Zeiten in Tadschikistan übers Pamir-Gebirge fliegt, weil dies die einzige Möglichkeit ist, von A nach B zu kommen. Unter normalen Unständen würde ich nie in so eine Maschine einsteigen … obwohl das da natürlich ganz normal ist.
B: Wie sieht die Betreuung des Goethe-Instituts vor Ort in den Ländern aus?
Auf der Zentralasien-Reise oder auch in Indonesien hatten wir auf der ganzen Tour einen Betreuer, der immer mitgereist ist. In Indien, Sri Lanka oder Bangladesh traten die regionalen Goethe-Institute als Veranstalter auf und holten uns von den jeweiligen Flughäfen ab oder brachten uns hin. Der größte Teil der Reiseorganisation wurde uns da eigentlich immer abgenommen. Der einzige Part, der gern mal etwas improvisierter war, waren die Konzerte selbst bzw. die Technik vor Ort, weil die Projektmanager vom Goethe-Institut in der Regel natürlich nicht wirklich Ahnung von Veranstaltungstechnik haben. Die reichen mehr oder weniger nur unseren Technical Rider an die Venues weiter und können die Technik nicht immer richtig einschätzen. Das ist jetzt auch gar nicht böse gemeint, das sind einfach Leute, die auf diesem Gebiet fachfremd sind. Man findet da gern mal in einer Konzerthalle, die für 1000 Leute ausgelegt ist, eine Gesangsanlage, die hier in einem Proberaum stehen würde. Und dann heißt es improvisieren oder etwas anderes organisieren. Besonders in Indien war es auffällig, dass man dort einfach generell ans Improvisieren gewöhnt ist, dass Abläufe da einfach anders funktionieren und man auf bestimmte Dinge gern mal stundenlang wartet … Aber bis auf den Punkt Technik war sonst eigentlich immer alles sehr gut organisiert.
B: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut?
Als unser erstes Album herauskam, hat unser Manager Arne Ghosh, der davor auch schon als Musiker einer anderen Band mit dem Goethe-Institut unterwegs war, Kontakt mit dem Referat Popmusik des Goethe-Instituts in der Münchner Zentrale aufgenommen. Die haben ihm gesagt, dass sie uns schon auf dem Schirm hätten, unsere Veröffentlichung interessant fänden und dass sie im kommenden Jahr auf uns zukommen würden. Unsere ersten beiden kürzeren Reisen mit dem Goethe-Institut gingen nach China, anlässlich der deutsch-chinesischen Promenade, von der ich ja vorhin schon sprach. Das war im Jahr 2007. Ein Jahr später sind wir dann als Band auf eine längere Tour nach Zentralasien eingeladen worden. Dem ging voraus, dass Herr Gödel, der das Ganze veranstaltet und organisiert hat, die Reise auf einer Regionalleiterkonferenz in der Münchner Zentrale vorstellte, inklusive dieser sogenannten Didaktierungshefte (= Schulhefte mit den abgedruckten Songtexten). Das war so eine Art Startschuss und es gab daraufhin viele Anfragen, ob man das wieder irgendwo mit uns machen könne. Die folgenden Reisen haben sich dann alle daraus ergeben, denke ich.
B: Habt ihr euch in diesen Ländern Fans oder weiterführende Kontakte erschlossen?
Nein und ja. Also was CD-Verkäufe angeht, ist das in Ländern wie Indien, Bangladesch oder auch in Zentralasien gar nicht möglich, weil die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Menschen dort das nicht zulassen. Ein Beispiel: In Bangladesh kostet eine CD im Laden umgerechnet 60 Cent, was weit weniger ist, als wir für ihre Produktion bezahlen müssen. Aber wir haben dort auch Fans gewonnen, was man in Facebook sehen konnte. Die Freundesanfragen haben sich in der Zeit für die entsprechenden Länder verdoppelt und wir bekommen auch immer noch viele Kommentare von dort. Die Leute verfolgen, was wir tun … Aber zu sagen, man geht in diesen Ländern noch mal auf Tour, macht für uns keinen Sinn, weil es ohne einen Partner wie das Goethe-Institut einfach nicht finanzierbar wäre. Die Leute könnten dort leider nicht die Eintrittspreise zahlen, die erforderlich wären. In Indonesien vielleicht und in Mexiko sicherlich. Aber es haben sich da jetzt auch weiter keine Kontakte mit Veranstaltern ergeben.
B: Gab es sonstige Synergieeffekte?
Da kann man sicherlich das Video zu unserem Song “Angst” nennen, das wir in Kalkutta gedreht haben. Wir waren gerade zur Zeit des Lichterfests dort, das ist vergleichbar mit Weihnachten hier, da gibt es vier Tage lang eigentlich kein normales öffentliches Leben. Wir haben uns gesagt, wenn wir schon da sind in dieser verrückten Stadt, holen wir unseren Videoregisseur her, um ein Video zu drehen. Er hat dann komplett ohne künstliches Licht mit ganz einfachen Mitteln und der einzigartigen Kulisse der Stadt dieses Video gemacht. Ein anderes Projekt, das aus den Reisen entstanden ist, ist das Fotobuch „FOTOS On The Run 2005-2010“. Unser Schlagzeuger Beppo, der ja auch Fotograf ist, hat auf den Reisen viele tolle Fotos gemacht, die es jetzt als Fotobuch an unseren Merchandise Ständen oder im Netz unter http://fotos.cottoncontrol.com/ zu kaufen gibt.
Der erste Bildband der Band FOTOS beschreibt in stimmungsvollen privaten Bildern die ersten fünf Jahre der Bandgeschichte. Von den Anfängen beim Hamburger Popkurs über die ersten Proben, Aufnahmen und Videodrehs zum ersten Album bis hin zu Konzertreisen in Länder wie China, Mexiko, Zentralasien oder Weißrussland. Alle Bilder sind liebevoll analog fotografiert und stammen hauptsächlich von Schlagzeuger Benedikt Schnermann. Die Art Direktion hat der preisgekrönte Grafiker Mario Lombardo übernommen. http://www.mariolombardo.com. Das Buch ist bei Konzerten oder im Onlineshop erhältlich http://fotos.cottoncontrol.com/
B: Wurden euch vernünftige Gagen gezahlt – oder vielleicht sogar mehr als das?
Ja, das kann man schon so sagen. Gerade auf den längeren Reisen hat da jeder von uns schon relevant Geld verdient. Wir haben sogar Teile unserer CD-Produktion damit bezahlt, was dann hieß, dass wir uns weniger ausgezahlt haben … aber insgesamt sind das Gagen, mit denen man gut kalkulieren kann.
B: Habt ihr an Aktionen teilgenommen, die über das Spielen von Konzert hinausgingen?
Ja, wir haben zum Beispiel Workshops gegeben. In Zentralasien gab es regelmäßig “Meet and Greet” mit Schülern der dortigen Institute. Meist konnten die Schüler aber so schlecht deutsch, dass sie unsere Antworten – glaube ich – eigentlich erst in der Übersetzung verstanden haben. Sie haben Fragen abgelesen und hatten oft selbst damit Probleme … und es wurden nicht selten die gleichen Fragen von verschiedenen Leuten hintereinander gestellt, woran man ganz deutlich merken konnte, dass es hier auf jeden Fall eine Sprachbarriere gab, die nicht überwunden wurde (lacht). Was viel besser funktionierte, waren die Musikworkshops, die wir in Mexiko und Indonesien gegeben haben, meist mit Leuten, die dort selber Musik machen, aufgeteilt in Gruppen. Unser Sänger Tom, der auch Gitarre spielt, und unser Gitarrist Deniz haben sich mit Gitarristen getroffen. Unser Schlagzeuger Beppo, unser Live-Percussionist und ich haben uns mit Rhythmusgruppen-Musikern zusammengetan. Wir haben denen vermittelt, was uns musikalisch wichtig ist oder was Rhythmusarbeit bei der Band Fotos ausmacht – was sehr interessant war. Gerade in Indonesien gab es viele junge und sehr gute Musiker, die Fusionmusik machten, also komplizierte, komplexe Musik mit Rhythmuswechseln, Taktwechseln … abgefahrenes Zeug, was geschmacklich aus einer ganz anderen Ecke kommt als unser Sound. “Muckermucke”, sage ich mal ganz wertend (lacht). In diese Richtung konnten wir ihnen auch garnicht weiterhelfen. Aber sie haben gemerkt, dass es gar nicht so einfach für sie ist, eine eher einfache, stoische Rhythmusstruktur zu liefern, wie sie bei der Musik von Fotos gefragt ist. Dass sie in diesem Rock-Kontext überhaupt nicht grooven können, obwohl sie in der Lage sind, in ihrer Musik ganz viele Noten pro Takt zu spielen. Das klang teilweise echt komisch und sie haben auf jeden Fall gemerkt, dass sich groovetechnisch massiv etwas tut, wenn man die Längen der Töne von Schlagzeug und Bass aufeinander abstimmt. Diese Workshops waren für alle Beteiligten eine interessante Sache!
B: Welche musikalischen Eindrücke habt ihr für euch sammeln können?
Beeindruckend waren die Gamelan-Orchester in Indonesien, dort wird mit metallenen Schlaginstrumenten gespielt, die etwas an tibetische Glocken erinnern (obwohl sie natürlich überhaupt nichts mit Tibet zu tun haben!). Man muss sie sich als flachgedrückte Glocken vorstellen. Gamelans sind tonal gestimmt und es gibt sie verschiedenen Größen, von Bässen bis zu ganz kleinen Exemplaren. Die Bässe haben einen Durchmesser von bis zu 1,5m und erzeugen einen unfassbaren Subbass! Ich weiß nicht genau, ob Gamelans immer pentatonisch gestimmt sind, auf jeden Fall haben die dort ein komplett anderes Notensystem. Die Glocken waren nummeriert und die Noten dazu entsprechend Nummernabfolgen. Das heißt, man hat also Nummernschemata geklopft. Wir haben uns auch mal hingesetzt und es probiert, ich muss aber sagen, dass ich kläglich gescheitert bin. Es ist echt komisch – du hast da Zahlenfolgen, die sich wiederholen, so ca. eine Zeile auf einem DIN-A4-Blatt. Und dahinter steht dann so etwas wie “8x wiederholen”. Und es heißt auch nicht, dass alle Instrumentengruppen immer das gleiche Schema wiederholen. Dadurch verschieben sich die einzelnen Pattern oder variieren übereinander. Das erzeugt eine ganz komische, schwebende Stimmung und hat mit unserer Auffassung von Musik, sei es Pop oder Klassik, extrem wenig zu tun. Es ist mehr so was Trance-mäßiges – für uns wohl am ehesten vergleichbar mit elektronischer Musik. Das war auf jeden Fall eine spannende Sache.
B: Waren die Aktionen neben den Konzerten verpflichtend? Wurden sie im Vorfeld vereinbart?
Diese Workshops wurden im Vorfeld vereinbart, ja. Und dann gab es auf den Reisen immer wieder Empfänge, auf denen wir natürlich anwesend sein sollten. Man trifft sich nach den Konzerten mit den Schulleitern der Schulen, die an der Organisation teilgenommen haben, mit Bezirksleitern, Gouverneuren, Offiziellen und sitzt an einer langen Tafel, isst gut, hat sich in den meisten Fällen aber relativ wenig zu erzählen. Besonders mit Zentralasien verbinde ich diese Erfahrung. Die lokalen Machthaber werden dort gern gebauchpinselt, deswegen werden solche Dinners organisiert. In anderen Regionen war das aber sehr viel zwangloser.
B: Kann man das Touren mit dem Goethe-Institut weiterempfehlen?
Prinzipiell würde ich jedem dazu raten. Das sind Erlebnisse und Erfahrungen, die man nicht mehr missen möchte! Es ist aber mitunter auch sehr anstrengend. Zumindest in unserem Fall. Wir haben wahnsinnig große Strecken zurückgelegt, die Reisen von Stadt zu Stadt dauerten oft sehr lange. Du wartest viel, stehst in Staus und musst dich vor Ort dann oft mit technischen Problemen auseinandersetzen. Diese Touren haben kein “Urlaubsflair”, das sollte jedem, der sich bewerben will, bewusst sein. Gerade nach der letzten siebenwöchigen Tour durch Indien und Indonesien waren wir auch froh, als wir wieder zu Hause waren.
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