Welche Rolle spielt der eigene Körper beim Klavier spielen? Auf den ersten Blick scheint der eigene Körper nicht besonders wichtig. Man setzt sich eben einfach ans Klavier und spielt drauf los, könnte man denken. So sehen das viele, die noch nie Klavier gespielt haben und selbst Pianisten machen sich darüber keine großen Gedanken mehr, denn sie wissen bereits, dass die richtige Körperhaltung entscheidend für ein entspanntes Spielen ist. Entspannt ist das Gegenteil von verspannt, und eine Verspannung geht mit Schmerzen einher. Gerade beim Klavier spielen sind beide Hände und der rechte Fuß im Einsatz, wofür eine bestimmte Sitzposition eingenommen werden muss, um Tastatur und Pedal bequem zu erreichen. Obendrein muss man auch noch bequem auf die Noten schauen können, egal ob man einfach nur spielt oder auf dem Klavier übt.
Jeder menschliche Körper ist anders, die Größe, die Arm- und Beinlänge, die allgemeine Statur, jeder Körper zeigt sich individuell. So ist es mitunter auch bei den Klavieren: Die Höhe der Klaviatur ist bei den verschiedenen Klaviermarken und den Instrumenten unterschiedlich. Trotzdem gibt es allgemeingültige Regeln, an denen du dich orientieren kannst. Raum für deine Individualität ist aber natürlich immer noch gegeben.
Das klingt schwierig? Ist es aber nicht. Wie man sich richtig setzt und welche Körperhaltung ideal für ein entspanntes Spielerlebnis Klavier spielen ist, das erfährst du in diesem Artikel.
Die richtige Sitzposition finden
Welche ist die optimale Sitzposition vor dem Klavier?
Am besten setzt du dich nach ganz vorne – direkt an die Kante – auf deine Klavierbank, oder deinen Klavierstuhl. Dadurch sitzt es sich leichter aufrecht, was sich positiv und aktivierend auf deine Konzentration auswirkt. Man ist so einfach aufmerksamer und wacher. Hast du schon mal einen total spannenden Film gesehen und bist dabei mit deinem Hinterteil ganz nach vorne auf die Kante deines Sitzes gerutscht, weil du nichts verpassen wolltest? Diesen Effekt können wir uns beim Klavier spielen auch umgekehrt zu Nutze machen.
Weiter geht es mit den Beinen: Auch hier gibt es eine optimale Anordnung: Der rechte Fuß des Pianisten befindet sich immer in Reichweite des Dämpferpedals (rechtes Pedal), und ist leicht nach vorne geschoben. Den linken Fuß ziehst du am besten so weit zurück, bis er sich unter der Klavierbank befindet.
Das gibt zum einen Stabilität, und die brauchen wir auch. Bei fortgeschrittener Klavierliteratur können die Arme schon mal wild hin und her geschleudert werden. Zum anderen führt der zurückgezogene linke Fuß dazu, dass die Hüfte leicht nach vorne gedreht wird. Und auch das unterstützt eine aufrechte Körperhaltung, besonders dann, wenn du länger am Klavier sitzt.
Für dich ausgesucht
Jetzt zum Oberkörper: Insgesamt sollte deine Haltung aufrecht sein. Alle Bewegungen lassen sich so leichter ausführen, du verhinderst Verspannungen und Schmerzen im Rücken, im Nacken und in den Schultern, und so klingt deine Musik auch besser. Eine gute Körperhaltung wirkt sich positiv auf die Konzentration und die daraus resultierende Leistung aus. Darüber hinaus lässt sich nur auf diese Weise eine Lockerheit in den Armen und Händen erreichen sowie im Oberkörper erreichen, was eine wichtige Voraussetzung dafür ist, filigrane Bewegungen der Finger, Hände und Arme zielgerichtet und gut dosiert ausführen zu können.
Von den Zehenspitzen bis zu den Schultern ist der Körper des Pianisten also von einer stabilisierenden Kraft durchzogen. Ab den Schultern bis in die Fingerspitzen sollte alles ganz weich, frei und beweglich sein. Wirst du in deinem Oberkörper steif, veränderst du damit den Klang deines Klavierspiels negativ, du spielst angestrengt und büßt logischerweise Schnelligkeit bei rasanten Passagen ein. Sei also beweglich, frei und locker! Stell dir vor, du bist gerade im Karibikurlaub, sitzt an einem wunderschönen Abend am Strand auf einem kleinen Hocker und schaust dir den Sonnenuntergang an. Wie würdest du in so einer Situation sitzen?
Sicherlich nicht angespannt mit nach oben gezogenen Schultern. Du würdest einfach ganz entspannt da sitzen, locker und frei, genau wie jede deiner Bewegungen. Und genau so solltest du auch am Klavier sitzen. Wir schließen diesen Teil mit der Erwähnung des Kopfes. Viele Pianisten sitzen mit nach vorne geneigtem Kopf, gerade dann, wenn auswendig gespielt und damit ständig auf die Hände geschaut wird. Früher oder später führt das zu Nacken- und Rückenschmerzen. So würdest du auch nicht am Strand sitzen. Wenn du dein Stück wirklich auswendig kannst, oder wenn du improvisierst, müssen die Hände nicht stetig beobachtet werden. Richte deinen Kopf immer wieder auf, um so verspannungsfrei wie möglich am Klavier zu sitzen.
Die richtige Distanz zum Klavier
Wie weit entfernt sollte ich vor dem Klavier sitzen?
Grundsätzlich sollte man so vor dem Klavier sitzen, dass die Hände über der Klaviatur zu liegen kommen, wenn Ober-und Unterarm in einem 90 Grad-Winkel zueinander stehen, und das Haltepedal mit dem rechten Fuß erreicht werden kann. Das macht die Sitzhaltung locker und das Spielen bequem. Wer zu weit weg sitzt, sitzt unbequem und muss sich strecken, um die Tasten berühren zu können.
Die eigentliche Gefahr besteht also aus dem anderen Extrem. Viele junge Anfänger setzen sich anfangs so nah ans Klavier, wie zu Hause an den Esstisch. Sie ziehen die Klavierbank soweit in Richtung Klavier, wie nur möglich. Teilweise sogar so weit, dass sie gar nicht mehr ungehindert aufstehen können. Das blockiert Oberkörper und Arme und die benötigte Bewegungsfreiheit ist nicht mehr gegeben. Was passiert noch, wenn man zu nahe am Klavier sitzt? Die meisten Stücke für Anfänger beginnen beim „C1“, sowohl in der rechten, als auch der linken Hand.
Sitzt man zu nahe am Klavier ist dieser Ton mit beiden Händen gar nicht so leicht zu spielen. Wie du hier siehst geht das nur, wenn man die Handgelenke stark abknickt. Und auf Dauer ist das sehr anstrengend und unbequem.
Dass du zu nah am Klavier sitzt erkennst du auch daran, dass du dich bei hohen Tönen für die linke Hand und bei tiefen Tönen für die rechte Hand zur Seite lehnen musst, da die Hand ihr Ziel sonst gar nicht erreichen kann.
Ist die richtige Distanz zum Klavier gefunden, sind deine Ellbogen fast durchgedrückt. Dadurch befinden sie sich vor deinem Körper und deine Arme können sich dann ungehindert und frei, auch weit nach oben und unten auf der Klaviatur bewegen.
Sitzt man optimal, können sich die Arme sogar vor dem Körper berühren.
Dann können beide Hände auch ohne den anstrengenden Knick im Handgelenk problemlos tiefe und hohe Töne erreichen.
Grundsätzlich darf Klavier spielen nichts mit Kraft oder Anstrengung zu tun haben. Alles muss locker und beweglich sein. Darum ist die Entfernung zu deinem Instrument sehr wichtig.
Die optimale Sitzhöhe
Welche Sitzhöhe vor dem Klavier ist die Richtige?
Die optimale Sitzhöhe ist dann gegeben, wenn deine waagerecht angewinkelten Unterarme eine Linie mit der Höhe der Tastatur erreichen und deine Füße einen sicheren Halt auf dem Boden haben. Aber, es gibt hier durchaus Raum für Individualität, wie man am Beispiel des Pianisten Glenn Gould sehen kann. Man muss sich beim Spielen einfach wohlfühlen.
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Mehr InformationenVladimir Ashkenazy dagegen saß bei einem Klavierkonzert völlig anders. Der nicht gerade hochgewachsene Russe drehte dort die Klavierbank bis zum oberen Anschlag. Das sah irgendwie komisch aus, sein Klavierspiel klang aber trotzdem sehr gut.
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Mehr InformationenErfahrene Musiker vergessen natürlich oft das Schulbuch und machen einfach, was für sie am besten funktioniert. Und das solltest du auch tun. Experimentiere ein bisschen und finde die beste Sitzhöhe für dich heraus. Folgende Überlegungen werden dir dabei helfen.
Sitzt du zu hoch, spielst du immer „von oben“. Dadurch können ungewollte Betonungen entstehen, oder du spielst dann einfach zu laut, weil du immer das Gewicht des ganzen Armes einsetzt. Außerdem kommst du nicht mehr ‚in die Taste‘. Darunter versteht man folgendes: Wenn du gerade nichts auf dem Klavier spielst und die Finger einfach auf die Tasten legst, hältst du deine Hand eigentlich zu hoch.
Spielst du jetzt einen Ton, muss der Finger nach unten stechen und wenn du schließlich im Tastengrund ankommst, befindet er sich in einer leicht unnatürlichen Haltung.
So kann es auch leicht passieren, dass du den gespielten Finger durchdrückst. Und so komisch es aussieht, wenn jemand mit durchgedrückten Knien geht, so merkwürdig klingt es, wenn jemand mit durchgedrückten Fingern Klavier spielt, hölzern und steif. Außerdem entsteht so eine Wölbung der Hand, sie wird dadurch fest. Und vor allem weißt du nie, wann du den Tastengrund erreichen wirst. Was solltest du jetzt tun? Du legst wiederum alle Finger auf die Tasten und spielst sie alle gleichzeitig, dadurch senkst du deine Hand ab. Jetzt lässt du alle Töne los, aber ohne deine Hand wieder anzuheben! Damit ist deine Hand jetzt so tief, als würdest du gerade etwas spielen und da lässt du sie einfach. Das nennt man ‚in der Taste‘ sein.
Nochmal zusammengefasst:
Sitzt du zu hoch, funktioniert das ‚in der Taste‘ sein nicht so gut. Darauf solltest du achten, wenn du deine Klavierbank immer höher drehst. Sitzt du zu tief, besteht die Gefahr, dass du beim Klavier spielen ständig deine Hände und Arme anhebst. Auch das führt dazu, dass du nicht mehr ‚in der Taste‘ bist. Außerdem können so Verspannungen entstehen und deine Bewegungen werden angestrengt, was auch zu Schmerzen führen kann. Am besten suchst du deine Sitzhöhe irgendwo in der Mitte. Probiere verschiedene Höheneinstellungen aus und verlasse dich dabei auf dein Gefühl. Denk immer an das Bild vom Karibikurlaub, dem Strand und dem Sonnenuntergang. So wie in diesem Moment muss sich dein Körper auch beim Klavier spielen anfühlen, dann hast du deine perfekte Sitzhöhe gefunden.
Schlusswort
Körperhaltung und Sitzposition sind kein unwichtiges Thema beim Klavier spielen. Wer gut sitzt, ist konzentrierter und spielt entspannt, was man durchaus auch hören kann. Um deine eigene Sitzposition zu finden, orientiere dich einfach mal an deinen Vorbildern wie z. B. Lang Lang, suche aber auch immer nach deiner eigenen individuellen Sitzposition. Probiere dazu auch alle in diesem Artikel beschrieben Extreme aus und finde heraus, welche Position sich für dich am besten eignet.
Kleiner Tipp: Wenn du länger auf eine bestimmte Art am Klavier gesessen hast, wird sich jeder Wechsel zuerst einmal gewöhnungsbedürftig anfühlen. Das ist ganz normal. Deshalb musst du Änderungen unter Umständen über mehrere Tage ausprobieren. Erst dann legt sich das befremdliche Gefühl und du kannst herausfinden, wie gut die neue Sitzposition wirklich zu dir passt. Das Ziel ist, dass du deinen Körper beim Klavier spielen überhaupt nicht bewusst wahrnimmst. Alles soll sich leicht und locker anfühlen, dann kannst du auch viele Stunden pro Tag Klavier spielen. Denke bei deiner Suche nach der richtigen Sitzposition auch immer an etwas Entspannendes.
Viel Spaß beim Suchen und Finden!