Im heutigen Artikel widmen wir uns dem wohl geschichtsträchtigsten Beckenhersteller, der seit über 400 Jahren im Familienbesitz ist: Zildjian Cymbals. Doch woher stammen Becken eigentlich? Becken sind asiatischen Ursprungs und bereits auf assyrischen Denkmälern (2. Jahrtausend v. Chr.) dargestellt. Abendländische Miniaturen zeigen sie bis ins 15. Jh. hinein, dann scheinen sie in Vergessenheit geraten zu sein, vermutlich, weil die Kunst, sie herzustellen, verloren ging.

Die moderne Geschichte begann etwa 200 Jahre später, im Jahr 1623 in der heutigen Türkei, als ein Alchemist aus Konstantinopel namens Avedis ein Verfahren zur Behandlung von Legierungen entdeckte und dieses Wissen auf die Herstellung von Becken anwendete, deren Klang dadurch außerordentlich rein und kraftvoll war. Infolgedessen gaben ihm Mäzene und Gildenmitglieder den Namen „Zildjian“, was „Beckenschmied“ bedeutet. Spätestens ab 1680 kamen Becken in mehreren Opern vor, wenn auch nicht immer ausdrücklich notiert. Ein Jahrhundert später fanden die Instrumente Eingang in notierte Partituren, beginnend mit Glucks Oper Iphigénie und Tauride von 1779.
- Das Zildjian-Verfahren macht den Unterschied
- Erste internationale Erfolge
- Die frühesten K. Zildjian Cymbals stammen aus Bukarest
- Die Zildjian USA Geschichte beginnt mit Gretsch
- Zweigleisige Produktion in Europa und Amerika
- Streit um den Markennamen
- 1968 begann die kanadische Zildjian-Ära
- 1976 startete die Produktion der “Canadian K” in Meductic
- Auch Sabian ist ein Bestandteil der Zildjian-Historie
- Bis heute ein Familienunternehmen
Das Zildjian-Verfahren macht den Unterschied
Wie oben erwähnt, geht es beim Beginn der modernen Beckenproduktion um ein spezielles Herstellungsverfahren und nicht um das eigentliche Material. Dabei handelt es sich um eine Bronzelegierung mit 20-prozentigem Kupferanteil sowie Spuren von Silber und anderen Metallen, wie sie in ganz Europa verwendet wurde. B20-Bronze ist durch ihre Zusammensetzung extrem spröde, jedoch trägt der vergleichsweise große Anteil an Zinn zur Brillanz und Fülle des Klangs bei. Wenn man diese Bronze – so wie bei Bronzen mit niedrigerem Zinnanteil üblich – erhitzt und walzt, würde sie zerbrechen wie ein trockener Keks. Avedis Zildjian gelang es, einen Guss herzustellen, der aufgrund seiner Struktur wiederholt erhitzt und gerollt werden konnte, ohne zu brechen.
Es ist also keine geheime Metallkomposition, sondern das Herstellungsverfahren, das die Becken der Familie Zildjian den anderen Herstellern überlegen – und im Vergleich etwa 100% teurer – machte, sodass die bekannten Orchester explizit nach diesen Becken verlangten. Dieses Geheimnis wurde von Generation zu Generation weitergegeben, traditionell an das älteste männliche Familienmitglied. Wie wir noch sehen werden, endete es, wenn diese Tradition gebrochen wurde, meist in Streit und Chaos.

Erste internationale Erfolge
Avedis II baute seinen eigenen Schoner und segelte damit von Konstantinopel nach Marseille und London, wo er seine Becken auf den Weltausstellungen in Paris (1851) und London (1851 und 1862) präsentierte, was ihm Auszeichnungen für ihren hervorragenden Klang und die außerordentliche Qualität einbrachte. Nach seinem Tod 1865 ging die Firmenleitung auf seinen jüngeren Bruder Kerope II über, da seine beiden Söhne, Haroutune II und Aram, noch minderjährig waren. Dieser führte die Geschicke der Firma mit Erfolg weiter und gewann Auszeichnungen in Chicago (1873 und 1893), Wien und Bologna (1888). Nachgefolgt wurde er von Avedis‘ Sohn Aram, da sein älterer Bruder Haroutune II sich bereits für eine Karriere in der Regierung entschieden hatte.
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Die frühesten K. Zildjian Cymbals stammen aus Bukarest
Die Beziehungen zwischen den Osmanen und Armeniern in Konstantinopel waren lange angespannt gewesen, doch die Situation hatte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschlechtert. Armenische Nationalisten hatten begonnen, sich gegen die osmanische Regierung aufzulehnen und einen eigenen armenischen Staat zu fordern. Aram Zildjian war Teil einer Gruppe armenischer Nationalisten, die am 21. Juli 1905 einen missglückten Anschlag auf Sultan Abdülhamid II. verübten, worauf er das Land verlassen musste und nach Bukarest floh. Dort stellte er Becken unter dem Namen A. Zildjian & Cie her, während die Firma K. Zildjian & Cie in Konstantinopel von Keropes ältester Tochter Victoria geleitet wurde.
Die folgenden Familienverflechtungen sind reichlich kompliziert. Zudem war der Beginn des 20. Jahrhunderts von intensiven politischen Unruhen in ganz Europa geprägt, was dazu führte, dass Daten und Fakten nicht immer ganz klar sind. Aufzeichnungen über Geburtsdaten und Todesfälle sind in einigen Fällen verschollen. Auch gibt es – je nach Sichtweise – verschiedene Versionen der Firmengeschichte.
Nach dem Tod von Victoria Zildjian in den frühen 1920er Jahren ging die Firma an ihre jüngere Schwester Akabi Zildjian und deren Ehemann Gabriel Dulgaryian über. Ihr Sohn Mikhail Dulgaryian folgte seinem Onkel nach Bukarest, kehrte jedoch im Streit nach Istanbul – wie Konstantinopel ab März 1930 hieß – zurück. Nachdem im Jahr 1935 die türkische Regierung Namen mit der Endung „ian“ verbot, änderte er seinen Namen in Zilçan, was „Glocke eines Beckens“ bedeutet und in der Aussprache Zildjian sehr ähnlich kommt – ein cleverer Schachzug.
Die Zildjian USA Geschichte beginnt mit Gretsch
Im Jahr 1926 verkaufte Aram die amerikanischen Vertriebsrechte der A. Zildjian & Cie an die Fred Gretsch Company. Vermutlich enttäuscht darüber, dass die Fabrik in Konstantinopel nicht mehr von direkten Familienabkömmlingen geleitet wurde, beschloss er, die Firma in die Obhut seines Neffen Avedis Armand Zildjian III, geb. am 6. Dezember 1888, zu übergeben. Als Junge hatte er eine Lehre im Beckenbau gemacht, was ihn aber wenig interessierte. Wie so viele junge Armenier jener Zeit, wollte er nicht in die Armee gehen, und als er 1908 die Chance bekam, nach Amerika überzusetzen, ergriff er die Gelegenheit. Er ließ sich in der Gegend von Boston nieder, gründete ein Süßwarengeschäft und heiratete ein Mädchen mit solider US-Abstammung, Alice „Sally“ Goodale, die ihm zwei Söhne schenkte, Armand und Robert Zildjian.
1927 erhielt Avedis III einen Brief von seinem Onkel Aram aus Bukarest, in dem dieser ihm mitteilte, dass es für Avedis an der Zeit sei, in seine Heimat zurückzukehren und sein Erstgeburtsrecht einzufordern. Avedis schrieb seinem Onkel zurück und teilte ihm mit, dass Aram stattdessen nach Boston kommen sollte, da es in den USA bereits ein enormes Marktpotenzial für Becken gebe, was Aram im Herbst seines Lebens auch tat. So schulte Aram 1929 seinen Neffen Avedis in den USA in der Kunst des Beckengießens, -rollens und -hämmerns.

Zweigleisige Produktion in Europa und Amerika
Doch auch nachdem es nun eine Bezugsquelle für Becken in dieser Familientradition in den USA gab, bestand weiterhin Nachfrage nach original türkischen Becken aus Istanbul. Die Fred Gretsch Co. als amerikanischer Importeur war eine treibende Kraft, die Produktionsstätte in Istanbul weiterhin am Laufen zu halten. Weitere Rollen in ihrem Fortbestand während dieser schwierigen Zeiten spielten neben Mikhail Zilcan auch Vahan Yuzbashian, der Sohn von Filor Yuzbashia, einer Schwester Viktorias, sowie Yakko S. Tolédo, ein Partner der Exportfirma Ehrenstein & Tolédo mit Sitz in Istanbul. Diese fädelten einen Deal ein, mit dem die amerikanischen Vertriebsrechte auch für den Namen K. Zildjian & Cie an Gretsch abgetreten wurden.

Die Kriegszeit in Europa überstand K. Zildjian durch hohe finanzielle Zuschüsse von Yakko Tolédos Schwiegersohn Salomon Kovo, was ihm zum Inhaber und Geschäftsführer machte. So blieb es dabei, dass es zwei Zildjian-Beckenfertigungen in zwei verschiedenen Ländern gab. Und es sollte nicht das letzte Mal sein, wie wir später sehen werden.
Streit um den Markennamen
Zeitgleich feierte die Avedis Zildjian Co. in den USA, mit ihrem aufstrebenden Markt an Jazzmusik, große Erfolge. Es gab jedoch den Wermutstropfen, dass die Fred Gretsch Co. nicht nur der exklusive Vertriebshändler für K. Zildjian-Becken in Amerika war, sondern auch die Markenrechte für K. Zildjian, A. Zildjian und den Namen Zildjian besaß. Im Jahr 1951 gewann die Avedis Zildjian Co. schließlich die Rechte an der Marke A. Zildjian von der Fred Gretsch Co. zurück.
Im Jahr 1955 drängten sie in einer weiteren Klage darauf, die Markenrechte an dem Namen Zildjian komplett zurückzugewinnen, da niemand in der Türkei die Rechte an der Marke Zildjian besaß und es sich um keine direkten Abkömmlinge der Familie Zildjian, sondern um Nachfahren der mütterlichen Seite sowie Familienfremde handelte. Eine Jury aus Musikern entschied jedoch, dass die Becken von A. Zildjian und K. Zildjian sich in ihrer Art so weit unterschieden, dass man sie als unterschiedliche Instrumente einstufen müsse, sodass der alte Gretsch-Vertrag weiterhin Bestand hatte.
Avedis III hatte kein großes Interesse daran, ein „K“ auf seinen Becken zu tragen, doch seine Söhne Armand und Robert sahen die Notwendigkeit, das „K“-Markenzeichen zurückzubekommen. Aus einem Interview, das Robert Zildjian 1983 dem Modern Drummer gab, geht hervor, dass es Robert Zildjian und der Percussion S.A. (die Zildjian-Exportfirma mit Sitz in der Schweiz) im Jahr 1968 gelang, die Kontrolle über die türkische Fabrik sowie die Namensrechte für K. Zildjian und alle Markenrechte außerhalb den USA für die Avedis Zildjian Co. von Salomon Kovo zurückzuerlangen und beide Firmen zu vereinen.

1968 begann die kanadische Zildjian-Ära
Im gleichen Jahr gab es in der Zildjian-Fabrik in den USA Probleme mit der Gewerkschaft aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen für Arbeiter in der Gießerei und denjenigen, die die Becken in ihre endgültige Form brachten (Finishing). Man dachte darüber nach, sie in zwei separate Werke aufzuteilen: eines, das nur das Gießen und Walzen übernimmt, und eines, welches das Finishing erledigte. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, entstand die Idee, das zweite Werk nach Kanada zu verlegen, um Vorteile beim Export in verschiedene Länder, zum Beispiel die Länder des Commonwealth, zu erlangen.
Robert Zildjian: „Ich kam seit Jahren zu Willard Ways Jagd- und Angelhütte in Meductic. Eines Tages saß ich unter einem Baum, drehte mich zu ihm um und sagte: „Willard, wie würde es dir gefallen, eine Beckenfabrik zu leiten?“ Er sagte: „Klar, warum nicht“, und sechs Monate später eröffneten wir die Azco Ltd“. Von 1968 bis 1970 wurden dort zunächst günstigere Zilco-Becken hergestellt. Doch schon bald war diese Fabrik für 40 % der Zildjian-Produktion verantwortlich.
1976 startete die Produktion der “Canadian K” in Meductic
Robert Zildjian hatte weitere Verhandlungen geführt, um eine Vereinbarung mit der Baldwin Piano Company – dem damaligen Eigentümer der Firma Gretsch – zu treffen, deren Ziel es war, alle Zildjian-Markenrechte für die USA zurückzubekommen. Dafür erhielt Gretsch einen exklusiven Vertriebsvertrag für K. Zildjian Becken in den USA für zehn Jahre. Nachdem begonnen wurde, K. Zildjian Becken für Gretsch zu importieren, wurde es mit den türkischen Behörden immer schwieriger. Robert Zildjian ging zu Gretsch und erklärte, dass er K. Zildjian aus der Türkei herausholen und einen Teil der dort angestellten Arbeiter – die keine Erlaubnis bekamen, in den USA zu arbeiten – in die Azco-Fabrik nach Kanada bringen wolle, um in Zukunft dort die K’s zu produzieren.
Im Jahr 1976 wurde mit der Herstellung der sogenannten „Canadian K“ Cymbals in Meductic begonnen. Mikhael (Dulgaryian) Zilcan und sein Bruder Kerope kamen aus Istanbul und unterwiesen die Beckenschmiede in Meductic, Becken in türkischer Tradition mit der Hand zu hämmern.
Nachdem die Fabrik in Istanbul 1977 endgültig geschlossen wurde, folgte ihnen auch Keropes Sohn Gabriel Zilcan. Heute werden diese Canadian K´s als hochbezahlte Sammlerstücke gehandelt. Die beiden ehemaligen Mitarbeiter der Fabrik in Istanbul, Mehmet Tamdeger und Agop Tomurcuk gründeten 1981 ihre eigene Beckenschmiede unter dem Namen Istanbul – das ist aber eine andere Geschichte.

Auch Sabian ist ein Bestandteil der Zildjian-Historie
Im Februar 1979 verstarb Avedis Armand Zildjian und sein Cousin Mikhail Zilcan folgte ihm nur wenige Monate später. An diesem Punkt eskalierte die Situation erneut. Die Brüder Armand und Robert, die beide Kenntnis über den familieneigenen Fertigungsprozess hatten, vertraten grundlegend unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung der Firmenziele. Dies führte, nachdem grade erst die Zusammenführung der beiden Fabriken gelungen war, zu einer erneuten Teilung in zwei getrennte Fabriken. Armand Zildjian erhielt die Kontrolle über die Avedis Zildjian Co. (und alle ihre Markenzeichen), während Robert Zildjian und seine um Kerope und Gabriel Zilcan erweiterte Familie, Roberts Frau Willie und ihre drei Kinder Sally, Billy und Andy (SaBiAn) in der Azco-Fabrik in Meductic in Kanada unter dem Namen Sabian Becken nach alter Familientradition herstellten – wobei ihnen untersagt war, jegliche Verbindung zum Namen Zildjian in der Öffentlichkeit herzustellen.

Bis heute ein Familienunternehmen
Seit Robert Zildjians Tod im Jahr 2013 führt Andy Zildjian die Geschicke der Firma Sabian – eine Situation, die bis heute Bestand hat. Nach Armand Zildjians Tod im Jahr 2002 übernahmen seine Töchter Craigie und Debbie Zildjian die Geschäfte der Avedis Zildjian Co.. Im Jahr 2023 feierte Zildjian das 400. Firmenjubiläum und ist damit das älteste familiengeführte Unternehmen in den USA. Mit Cady und Emily, Debbies Töchtern, und Samantha, Craigies Tochter, steht bereits die 15. Generation Zildjians in den Startlöchern.
Website von Zildjian: https://zildjian.com







