Praxis
Structure
Der Software-Sampler Structure war eines der ersten und wichtigsten Projekte der A.I.R.-Group. Dabei handelt es sich um einen multitimbralen Alleskönner, der neben einer extrem üppigen subtraktiven Klangerzeugung, Effekten und einem integrierten Sample-Editor auch die Möglichkeit bietet, Fremdformate einzulesen. Bislang gehörten das hauseigene Format SampleCell sowie Kontakt und EXS|24 dazu. Mit dem Update auf die Version 1.1 sind Giga und Kontakt 3 hinzugekommen. Allerdings gab es in der Version 1.0 noch einige Probleme beim Import von Fremdformaten, und auch in der neuen Version klappte nicht alles ohne Beanstandung. So ließen sich zum Beispiel einige Patches aus dem Kontakt-2-Werksbestand ohne Probleme wiedergeben, bei anderen stimmte die Hüllkurve nicht. Ganz problemlos ist der Import also nicht.
Die Version 1.1 bringt über fünf Gigabyte an neuen Sounds mit, die den ohnehin reichhaltigen Bestand noch einmal aufwerten. Im Angebot sind einige neue Drum-Kits sowie ein paar sehr gute Bläser- und Percussion-Sounds im Orchester-Bereich. Beim direkten Vergleich mit der alten Structure-Library sind mir noch einige weitere kleinere Unterschiede aufgefallen, die an der Bewertung der Gesamtqualität nichts ändern: In vielen Bereichen liefert die von East West bestückte Library wirklich sehr gute Klänge.
Das Drittanbieter-Angebot hält sich leider noch immer in Grenzen. Im Avid-Shop gibt es lediglich eine einzige Library (Garritan Personal Strings 4) für Structure zu kaufen. Mir sind darüber hinaus noch die East-West-Libraries Goliath und Symphonic Orchestra Gold Complete in einer Structure-Variante bekannt. Deshalb hat ein engagierter Nutzer zur Selbsthilfe gegriffen und bietet auf seiner Website www.airusersblog.com 500 Structure Patches zum Download an. Ganz kostenlos ist dieses Angebot jedoch nicht, denn die Registrierung auf dieser Site kostet fünf britische Pfund. Vor diesem Hintergrund spielt die Import-Funktion eine sehr wichtige Rolle. Und so leid es mir tut: Dieser wichtigen Rolle wird sie nicht immer gerecht.
So hinterlässt Structure einen zwiespältigen Eindruck: Es handelt sich zweifelsohne um einen topaktuellen Sampler, der den Vergleich mit Konkurrenzprodukten wie dem EXS|24 von Apple oder Kontakt von Native Instruments nicht scheuen muss. So ist mittlerweile sogar ein Faltungshall Bestandteil von Structure, und Surround-Sound kann das Instrument bis zum 7.1-Format bedienen. Das dürftige Angebot an vorkonfektionierten Samples und die nicht immer zuverlässige Import-Funktion trüben diesen guten Eindruck leider.
Die Integration in Pro Tools ist aber hervorragend, und so empfiehlt sich Structure eher für den Selbst-Sampler und nicht so sehr für den Konsumenten von Dosenfutter.
Für dich ausgesucht
Hybrid
Der klassische Synthesizer dieses Bundles erzeugt seine Klänge mithilfe der subtraktiven Synthese. Von den drei Oszillatoren können zwei neben Standard-Wellenformen auch auf Wavetables zurückgreifen. Der Dritte hat dafür noch einen Sub-Oszillator und einen Rauschgenerator an Bord. Zu dieser üppigen Grundausstattung gesellen sich ein Part B (der die gesamte Klangerzeugung noch einmal bietet), umfangreiche Modulationsmöglichkeiten (inklusive Vintage-Filter), ein eingebauter Step-Sequencer (pro Part) und jeweils zwei Insert-Effekte – jeweils für den A- und den B-Block. Kurzum: Hybrid ist ein mächtiger Synthesizer, der auch sehr fette Klänge mühelos hinbekommt.
Neu in der aktuellen Version 1.6 ist, dass der Rauschgenerator vier verschiedene Rausch-Sorten anbietet, die „White“, „Blue“, „Mod“ und „Crackle“ heißen. Nicht neu ist hingegen der hohe Nutzwert und die Vielfältigkeit der angebotenen Presets. Schon beim oberflächlichen Durchhören dürfte jedem auffallen, dass hier hohe Qualität und stilistische Vielfalt an der Tagesordnung sind.
Strike
Das erste Produkt aus der A.I.R-Reihe ist ein virtueller Drumcomputer, der neben den Samples auch zahlreiche Styles bietet, die für eine überzeugende Drum-Performance genauso wichtig sind wie die richtigen Samples. Strike ist für schnelles und intuitives Arbeiten ausgelegt: Preset laden, Styles ausprobieren und ein wenig Feintuning – fertig. Im spielfertigen Preset gespeichert sind die Samples, ein Style-Setup mit über 30 Varianten eines Beats inklusive Fills und der Mix.
Diese drei Bestandteile können selbstverständlich auch unabhängig voneinander geladen werden. Eine Besonderheit ist dabei, dass ein Strike-Preset sehr schnell über Makro-Parameter auf der Hauptseite des Plug-In-Fensters angepasst werden kann. Mit Parametern wie “Complexity”, “Intensity”, “Feel” und anderen lässt sich das ausgewählte Pattern in Windeseile den eigenen Wünschen anpassen. Für chirurgisches Editing ist aber auch gesorgt: Der Strike-Style-Editor ist ein typischer Drum-Editor, in dem jeder Schlag einzeln bearbeitet werden kann.
In der aktuellen Version 1.5 sind fünf neue Kits hinzugekommen, zwei in Nashville aufgenommene akustische und drei elektronische Sets. Zusätzlich gibt es jetzt die Möglichkeit, eigene Samples zu laden und in die Strike-Klangerzeugung einzubinden. Eine echte Konkurrenz zu den mitgelieferten Werks-Sounds können die eigenen Samples jedoch nicht sein, denn sie lassen sich nur spärlich editieren, und das Laden von Multi-Samples (etwa verschieden harte Anschläge) ist nicht möglich. Trotzdem ist es eine willkommene Bereicherung.
Klanglich ist mir aufgefallen, dass die Kick- und Snare-Sounds mit viel Liebe zum Detail aufgenommen wurden und sich sehr gut spielen lassen. Im Vergleich dazu fallen zum Beispiel die akustischen Toms etwas ab. Sie präsentieren sich nach meiner Auffassung ein wenig zu eindimensional. Die verschiedenen HiHat-Klänge sind sehr gut gesampelt, aber leider in zu wenig Varianten vorhanden. Ähnlich wie bei den Toms stellt sich schnell der gefürchtete “Machine-Gun”-Effekt ein, der daher rührt, dass immer wieder ein identisches Sample abgespielt wird. Bei den diversen Ride- und Crash-Becken sowie anderen Percussion-Klängen gibt es nichts zu beanstanden – solide Arbeit.
Auch die Styles sind überwiegend sehr gut programmiert und nehmen dem Nutzer damit einiges an Programierarbeit ab. Das oben genannte Manko der Wiederholung des immer gleichen Samples trübt aber auch hier manches Mal die Freude. Spezielle Drum-Instrumente wie BFD, Addictive Drums und so weiter haben die Messlatte an dieser Stelle hoch angelegt. Vielleicht gibt es ja irgendwann eine Version 2, die mehr HiHat- und Tom-Samples bietet. Wir werden sehen.
Velvet
Ein absolutes Juwel des IEP ist das E-Piano Velvet, das seit einigen Jahren im Angebot ist. Zur Klangerzeugung wird in Velvet eine Kombination aus Sampling und Modelling benutzt, die sehr realistische E-Piano-Klänge hervorbringt.
Bislang gehörten „lediglich“ vier Klassiker zur Ausstattung, allerdings genau die vier, die sich jeder wünscht: Rhodes Mark I, Rhodes Mark II, Rhodes Suitcase SC 73 und ein Wurlitzer A200. Die E-Pianos sind ungeheuer dynamisch spielbar und tummeln sich in der höchsten Imitations-Liga. Erweitert wird das Klangpotenzial in der Version 1.3 durch die neuen FM-Tines, die den 80er-Jahre-Charme des Yamaha DX 7 versprühen. Insgesamt gibt es neun verschiedene Tines, die dem E-Piano-Signal zugemischt werden können. In die ohnehin gut bestückte Effektsektion, die schon mit typischen E-Piano-Effeken (Chorus, Speaker Cabinet, WahWah, Tape Delay und Distortion) ausgestattet ist, ist ein Reverb integriert worden. Dieses bietet Ambience- und Spring-Programme in Mono sowie einen Stereo-Room. Die gut klingenden Programme kommen mit den Parametern Pre-Delay, Time und Mix aus. Einziges Manko: Die Werte für Time und Pre-Delay sind in Prozent statt in Millisekunden angegeben. Aber das kann den guten Gesamteindruck des neuen Halls nicht trüben. Velvet ist in der Version 1.3 noch flexibler geworden und damit letztlich noch besser – da gibt es keinen Grund zur Kritik.
Transfuser
Die Loop- und Groove-Maschine Transfuser ist das ungewöhnlichste Instrument im IEP. In modularer Bauweise lassen sich hier Loops und Samples intuitiv verbiegen und nach dem Pattern-Prinzip zu neuen Groove-Elementen verarbeiten. Herausragend sind auch die eingebauten Effekte. In der aktuellen Version 1.3 ist Transfuser um reichlich Loop-Content erweitert worden. Neben den Klangerzeugungsmodulen Slicer, Phrase und Drums gibt es jetzt auch ein Bass-Modul, das leicht als 303-Clone zu erkennen ist. Es klingt nicht zuletzt dank des Drive-Parameters hervorragend und bietet im Unterschied zum Original einen Sub-Oszillator sowie die Möglichkeit, den Haupt-Oszillator stufenlos zwischen Sägezahn und Rechteck zu wählen. Zum Programmieren steht ein Phrase-Sequencer zur Verfügung, dessen Möglichkeiten natürlich weit über die des 303-Sequencers hinaus gehen.
Die guten Effekte sind in der neuen Version um den „Para EQ“ bereichert worden. Dieser Entzerrer bietet insgesamt sechs Bänder: Hoch- und Tiefpass mit bis zu 24 dB pro Oktave an den Seiten sowie vier vollparametrische Bänder, deren Einsatzfrequenzen sich weiträumig überlappen.
Mit dem Transfuser gehen die Loop-basierten Arbeiten in Pro Tools leicht von der Hand. Die Pattern-Arbeitsweise ist eine sehr gute Ergänzung zum Timeline-Prinzip, und Transfuser ist in den Pro-Tools-Workflow integriert: So lassen sich zum Beispiel Regions direkt in den Transfuser ziehen und dort weiter verarbeiten.
Unterm Strich ist der Transfuser das besondere Instrument im IEP. Nicht jeder Nutzer wird es für seine Arbeitsweise brauchen, aber viele werden es lieben.