Praxis
Taster sucht der Tester beim Digigram Cancun222-Mic vergeblich. Stattdessen handelt es sich bei der Oberfläche des Gerätes um ein Touchpanel. Die Oberseite des Cancun zieren zwei gerasterte Endlos-Drehräder und einige Linien, die mich an Leiterbahnen erinnern und den Science-Fiction-Auftritt des Interfaces nochmals unterstreichen. Während der obere Drehregler die Lautstärke der Ein- und Ausgangssignale steuert, regelt der untere die des Kopfhörerausgangs. Außerdem wurden unter der Oberfläche zahlreiche Dioden verbaut, die beim Aktivieren durch das Gehäuse hindurch scheinen. Das klingt nicht nur futuristisch, sondern mutet in der Praxis ebenso an.
Doch das Chassis des Audio-Interface sieht nicht nur wie ein Raumschiff aus, es ist auch mit Sinn fürs Detail gefertigt. Obwohl vollständig aus Plastik, habe ich zu keiner Zeit den Eindruck, hier könne Irgendetwas auf die Schnelle zu Bruch gehen oder auf andere Weise verabschieden. Das mag wohl daran liegen, dass für das Bedienfeld ABS-Polycarbonat verwendet wurde, das als extrem stoßfest gilt. Schließlich wird dieses kratzfeste Terpolymer auch für die Außenhaut von Hartschalenkoffern oder in der Automobilindustrie eingesetzt. Die restlichen Elemente sind dagegen aus weniger robustem Plastik geformt. Eine Ausnahme bilden die an der Kopfseite des Geräts umlaufend verbauten Stahlbleche. Sie sorgen für eine bruchsichere Unterbringung aller vorhandenen Audio-Buchsen.
Wer denkt, dass das Audio-Interface nur deshalb äußerst flach ist, damit die Optik stimmt, liegt falsch. Durch seine nur knapp 3 1/2 cm Höhe passt diese Wandler-Einheit in nahezu jede Laptop-Tasche und benötigt unterwegs auch mit dem mitgelieferten Softcase nur wenig Platz.
Alle analogen Eingänge, gleich ob analog oder digital, können simultan genutzt werden. Konkret sind dies bei diesem Modell zwei analoge und ein digitaler Audioeingang. In der Praxis bietet es dabei Vor- und Nachteile, dass das Eingangssignal mittels Drehregler in 1dB-Schritten justiert wird. Während es dadurch einfacher wird, einmal getroffene Einstellungen exakt wieder einzurichten, ist es andererseits unmöglich, Zwischenschritte einzustellen.
Wer die Touchoberfläche des Cancun222-Mic lieber anschaut als bedient, kann diese auch von der downloadbaren Software aus bedienen. Und mit der „Lock“-Funktion ist ein sinnvolles Feature an Bord, das für ein transportables Audio-Interface standard sein sollte, mir aber bisher noch nicht in die Finger gekommen ist. Die Verriegelung der Oberfläche geschieht mittels einer Finger-Wisch-Geste an einem »Touch-Schieberegler«. Er bietet Schutz gegen das versehentliche Verstellen von Parametern. Das Bedienen des Touchfelds macht Spaß, keine Frage. Aber letztlich ist es natürlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob das haptische Feedback von Schalter, Knöpfen und Tastern bevorzugt wird oder deren Fehlen eher als störend empfunden wird.
Die USB-Buchse finde ich überraschenderweise auf der Unterseite des Gerätes. Das klingt zunächst nach Komplikationen beim Verkabeln und Aufbauen. Doch ist für das USB-Kabel eine kleine Vertiefung auf dem Geräteboden vorhanden, die als Kabelkanal dient und eine Zugentlastung aufweist. Ein spezielles USB-Kabel liegt dem Cancun222-Mic bei. Es handelt sich um ein Y-Kabel, das durch die gleichzeitige Verbindung mit zwei USB-Ports via Typ-A-Steckern die Stromversorgung des Gerätes sicherstellen soll. Damit dadurch kein USB-Slot verloren geht, ist einer der doppelt vorhandenen Typ-A-USB-Stecker mit einer Buchse versehen, die es mir ermöglicht, einen weiteren USB-Stecker an den selben USB-Controller anzuschließen.
Audiodateien werden vom Cancun ausschließlich im PCM-Format verarbeitet. Das klingt zunächst nach einer Einschränkung, gewährleistet aber jederzeit die Kompatibilität zu anderen professionellen Broadcast-Anwendungen und -Umgebungen. Ein wichtiges Feature für den Einsatz in mobilen Recording-Umgebungen ist außerdem die Möglichkeit zum Standalone-Betrieb des Audio-Interfaces.
Die zum kostenlosen Download bereitstehenden Treiber- und Steuersoftware ist im positiven Sinne übersichtlich gehalten und liefert zahlreiche praktische Möglichkeiten. Getroffene Konfigurationen lassen sich beispielsweise als XML-Files abspeichern. So kann ich etwa separat optimale Settings für unterschiedliche Aufnahme- und Editing-Umgebungen ablegen, die für mich dann im Handumdrehen verfügbar sind. Daumen hoch. Neben „Mute“- und „Solo“-Funktionen bietet die Software schlichte Fader und Balance-Regler und lässt alle zentralen Parameter, wie die Puffergröße, kinderleicht erreichen. Wie auf diesem Niveau zu erwarten, folgen sich Hard- und Software-Anzeigen gegenseitig. Das bedeutet nicht nur, dass bei Softwaresteuerung die entsprechenden Status-LEDs aufleuchten oder erlöschen, sondern auch dass Veränderungen, die ich auf der Hardware-Bedienoberfläche des Audio-Interfaces vornehme, unmittelbar in der Software-Oberfläche angezeigt werden.
Nicht nur die Hardware-Oberfläche lässt aufleuchtende LEDs hindurch scheinen. Auch der Transparenzgrad der Software-Oberfläche lässt sich am Rechner justieren. Dadurch lässt sich insbesondere auf kleinen Bildschirmen deutlich mehr Information bereithalten als sonst bei hintereinander liegenden Fenstern üblich. Wahlweise sind die wichtigsten Einstellungen des Cancun22-Mic auch in einer Mini-Anzeige darstellbar, die als Floating-Fenster permanent „on top“ prangt.
Nur am Rande erwähnt, lässt auch das downloadbare Handbuch des Cancun222-Mic keine Wünsche offen. Es stellt nicht nur Praxistipps und die technischen Spezifikationen zur Verfügung, sondern bildet sogar Schaltdiagramme des internen Aufbaus und alle Pin-Belegungen der Verkabelung ab.
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Die im Cancun222-Mic enthaltenen Preamps liefern eine satte Vorverstärkung des Signalpegels. Den Klang der Vorverstärker würde ich als »transparent« und »offen« bezeichnen (siehe/höre Audiobeispiele). Die Rauschanteile sind erfreulich gering. Und so konnte mich das Audio-Interface im Test sowohl mit einem Reporter-typischen Kleinmembran-Kondensatormikrofon als auch mit einem dynamischen Mikrofon überzeugen.
Die AD-Wandlung ist lupenrein und die Treiberstabilität im Test selbst bei geringster Latenzzeit stabil wie eine Felswand. Aussetzer, Knackser oder Glitches konnte ich zu keiner Zeit feststellen. Die geringste einstellbare Latenz des Cancun betrug im Test mit einem Dual Core-Laptop und Windows 7 fantastische 2,333 ms. Die DA-Wandlung aufgezeichneter Signale konnte ich mit einem AKG K701 Monitor-Kopfhörer testen. Auch hier überzeugt das Audio-Interface mit einem Klang, der sich durch hohe Transparenz auszeichnet.
Das Abstimmen der Signalpegel der beiden analogen Eingangskanäle funktionierte im Test wunderbar. Wer mithilfe von zwei baugleichen Mikrofonen stereofon aufzeichnen möchte, kann beide Kanäle per Touchbedienung bzw. Software verlinken. Ein- und Ausgangsregler werden dann zugleich mit dem oberen Drehrad bzw. mit nur einem Software-Fader gesteuert. Dabei bleibt ein im unabhängigen Kanalbetrieb eingerichteter Pegelunterschied praktischerweise bestehen.
Die Pad-Schaltungen der beiden Analog-Eingänge liefern am Gerät ein sattes Knackgeräusch, das wohl von einem Schalt-Relais herrührt. Leider wirkt sich der Relais-Einsatz auch auf den Audiostream aus, der das Ein- und Ausschalten der Signaldämpfung ebenfalls mit einem Knacksen goutiert. Das ist auf diesem hohen Niveau natürlich ein Schönheitsfleck.
Robert G sagt:
#1 - 25.09.2014 um 14:08 Uhr
Hi,im Abschnitt "Detail" meint Ihr bestimmt "Es sollen Latenzen unter 4ms (nicht Sekunden) möglich sein.Sonst gutes Review.
peter sagt:
#2 - 25.09.2014 um 14:57 Uhr
unter 3 ms latenz? rechnerisch vielleicht, aber nie real bzw. global - habt ihr dass denn nicht nachgemessen???