Mac oder PC – für viele ist diese Frage fast Religion. Aufgrund ihrer Leistung wurden noch bis vor 20 Jahren vor allem in Bereichen mit besonders hohen Anforderungen an Computer, wie etwa auch in der Musikproduktion, quasi ausschließlich Apple-Computer genutzt. Inzwischen haben Windows-PCs, was ihre Performance und Power anbelangt, aber längst aufgeholt.
Einer der vielen Unterschiede zwischen den beiden Systemen ist, dass ein Windows-PC nicht vorkonfiguriert gekauft werden muss, sondern ganz individuell aus Komponenten verschiedenster Hersteller zusammengestellt werden kann. Damit lassen sich verschiedene Einsatzgebiete bereits bei der Planung berücksichtigen. Dafür benötigt man allerdings bereits im Vorfeld einiges an Wissen, denn wer sich so gar nicht mit Computern auskennt, kann hier schnell überfordert sein.
Wir wollen mit unserem DIY Audio-PC-Tutorial all denen helfen, die sich zum ersten Mal einen eigenen Musik-PC zusammenstellen wollen. Wichtig ist aber, dass unsere hier gegeben Infos keine Computerfachkraft ersetzen. Informiert euch also vor dem Kauf und Zusammenbau eines neuen Rechners unbedingt bei einem autorisierten Fachhändler und stellt ihm eure geplante Konfiguration vor. Ohne fachlichen Rat ist das nicht nur gefährlich, sondern kann auch richtig viel Geld verbrennen.
Details
Gehäuse
Prinzipiell kann bei der Wahl eines Gehäuses die Optik entscheidend sein. Auch, wenn grundsätzlich die Faustregel gilt: je größer, desto besser. Denn in einem größeren Gehäuse ist es einfach leichter, für eine ausreichende Luftzirkulation und die entsprechende Kühlung zu sorgen. Das ist nicht nur für die Lebensdauer aller anderen Komponenten, sondern auch für die Leistung des Systems wichtig.
Für Musiker und Produzenten sind insbesondere isolierte Gehäuse interessant. Bis zu 10 mm dicke Dämmungsmatten an bis zu vier Seiten des Gehäuses lassen verhältnismäßig wenig Geräusch aus dem Inneren des Rechners nach außen dringen. Denn laute Rechner- und Lüftergeräusche stören beim Musikmachen – und erst recht beim Mischen von Musik.
Mainboard
Das Mainboard, auch Motherboard genannt, ist die Schnittstelle aller Teile des Rechners. Alle Komponenten werden darauf montiert oder damit verbunden. Die Geschwindigkeit des Systems hängt stark von der Verbindung des Mainboards mit dem Prozessor ab. Deshalb ist es wichtig, dass diese beiden Komponenten gut miteinander harmonieren. Das ist allerdings nicht unbedingt immer eine Frage des Preises. Denn wirklich teure Mainboards sind meistens lediglich beim Stromverbrauch effizienter, da bessere Spannungswandler verbaut wurden. Deshalb arbeiten sie aber nicht automatisch schneller.
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Musiker sollten bei der Wahl des Mainboards auf die verbauten Anschlüsse achten. Immer mehr Audio-Interface-Hersteller setzen inzwischen auf USB-C, manche sogar auf Thunderbolt. Letzteres steht seit der Intel-7-Chipsatz-Serie auch für Windows-Rechner zur Verfügung. Das Anschlussformat des Interfaces muss unbedingt berücksichtigt werden. Sonst kann ein böses Erwachen warten – etwa dann, wenn man bemerkt, dass man sein High-End-Audio-Interface gar nicht an den nagelneuen und sündhaft teuren PC anschließen kann.
CPU
Die CPU (Central Processing Unit), auch Prozessor genannt, ist das Herzstück eines jeden Computers. Diese zentrale Recheneinheit berechnet alle nötigen Arbeitsschritte, und das rasend schnell. Früher galt als Faustregel – je höher die Taktfrequenz in MHz, desto schneller ist der Computer. Diese Entwicklung ist allerdings bei ca. 3,5 MHz ins Stocken geraten. Moderne CPUs verfolgen dagegen einen anderen Weg, denn diese bestehen aus mehreren Kernen. Diese Abschnitte des Prozessors können sich somit gleichzeitig um unterschiedliche Arbeitsschritte kümmern, so als hätte man auch mehrere CPUs. Außerdem kommen hier sogenannte Threads ins Spiel. Das sind Folgen von Anweisungen, die ein CPU-Kern ausführt und über die auch mehrere CPU-Kerne einzubinden sind.
Genug Theorie, jetzt zur Praxis. Bei der Musikproduktion mit einer modernen DAW passiert folgendes. Hast du eine Spur mit verschiedenen Effekten, ist in der Regel ein Thread und damit ein CPU-Kern für deren Berechnung zuständig. Erstellt du eine neue Spur, wird dafür ein weiterer Kern genutzt, usw., hier ist also Multi-Core-Processing gefragt. Führst du Spuren dann aber in einem Bus zusammen, wird dafür mehr Single-Core-Performance genutzt, dafür ist dann eine hohe Taktfrequenz von Vorteil. Bei der Wahl deines Prozessors kommt es also auf eine gute Mischung zwischen Single- und Multi-Core-Power an.
RAM
Neben der CPU ist in einem Computer vor allem der Arbeitsspeicher für die Performance wichtig, auch RAM (Random Access Memory) oder Direktzugriffsspeicher genannt. Dort legen Programme während des Betriebs temporäre Dateien ab. Das ist besonders bei der Audioproduktion wichtig.
Nehmen wir zum Beispiel eine zeitgenössische Sample-Library. Hier kann es schon mal vorkommen, dass ein einzelnes Orchester-Patch 4 GB groß ist. Lädt man dieses Patch, werden all dessen Daten in den RAM geladen. Verfügt dein Computer aber nur über 8 GB Arbeitsspeicher, sind die Performance-Probleme nicht mehr allzu weit. 16 GB RAM sollte ein Sound-PC also mindestens haben, aber je mehr, desto besser. Nicht umsonst sagt man: You can’t have too much RAM“!
Festplatten
Es gibt zwei verschiedene Arten von Festplatten. Bei einer HDD-Platte (Hard Disk Drive) werden die Daten auf einer oder mehreren Magnetscheiben gespeichert, die sich bei Betrieb drehen. Ein Lesekopf fährt dann über die Scheiben und liest die gespeicherten Daten aus. Diese Art von Festplatten ist relativ billig, aber aufgrund der Bauweise anfälliger für Datenverlust. Die zweite Art von Festplatten ist die SSD (Solid State Drive). Diese beruht auf einer Halbleitertechnologie und funktioniert über Flash-Speicher, ähnlich wie bei einem USB-Stick. Bei modernen Mainboards kommen inzwischen SSD-M.2-Speicher zum Einsatz. Diese sitzen direkt auf dem Mainboard und liefern dadurch noch kürzere Zugriffszeiten.
Auch die Festplatten gehören zu den Komponenten, die in den letzten Jahren immer billiger geworden sind. Eine externe HDD-Festplatte mit 8 TB ist heute bereits für um die 150 Euro erhältlich. Deshalb sollte man auch hier auf keinen Fall sparen, besonders weil ein professionelles Back-up-Management heutzutage unverzichtbar ist. Früher oder später wirst du ohne Back-up nämlich Datenverlust erleiden. Und das ist bei den aktuellen Preisen für Datenträger einfach völlig unnötig. Im Idealfall sichert man seine Daten gleich auf mehreren Datenträgern und zusätzlich in einer Cloud.
Kühlung
Zum Kühlen gibt es zwei verschiedene Systeme – luft- und wassergekühlt. Der Unterschied dabei liegt darin, wie die Hitze des Systems kompensiert oder abgegeben wird. Wasserbasierte Kühler arbeiten aufgrund der größeren Kühlfläche effizienter und bringen dadurch weniger Lüfterbewegung und Lärm hervor.
Grundsätzlich sind eine adäquate Lüftung und Kühlung des Systems sehr wichtig, denn sie beeinflussen nicht nur die Leistung des Systems, sondern auch seine Langlebigkeit. Außerdem ist auch die ausreichende Zirkulation der Luft im Gehäuse ein entscheidender Faktor. Denn ein ungehinderter Luftzug schleust die Luft schneller und damit effizienter durch das Computergehäuse.
Lasst euch bei der Platzierung der Lüfter unbedingt von einem Fachmann helfen, denn bei einer falschen Anordnung kann es sein, das sich zwar die Luft im Gehäuse dreht, aber wichtige Komponenten dennoch ungekühlt bleiben.
Netzteil
Beim Netzteil gibt es nicht allzu viel zu beachten. Der Stromverbrauch der einzelnen Komponenten kann auf den Herstellerseiten recherchiert werden. Natürlich sollte man genügend Leistung und somit lieber 150 Watt Reserve nach oben hin einplanen, da die Performance des Rechners sonst darunter leiden könnte. Wichtig zu wissen ist, dass ein Netzteil mit beispielsweise 650 Watt nicht permanent diese Strommenge verbraucht. Je nach Leistungsanforderung kann das auch viel weniger sein. Die angegebene Watt-Zahl ist somit immer die maximal erreichbare Leistung.
Bei modernen Netzteilen wird meistens nicht mehr nur ein einziger Kabelbaum angeschlossen. Heutzutage sind das meistens mehrere kleine, die je nach gewünschter Nutzung separat am Netzteil angebracht werden. Bei der Rechnerplanung muss also auch darauf geachtet werden, dass alle geplanten Komponenten mit Strom versorgt werden können und dass sie von den beiliegenden Kabeln an ihrem Einbauort erreicht werden.
Grafikkarten
Falls du dir wirklich einen kompromisslosen Musik-Rechner aufbauen willst, ist eine extra Grafikkarte unter Umständen gar nicht nötig. Die CPUs mancher Hersteller bieten eingebaute Grafik-Module, die so leistungsfähig sind, dass man für Windows-Anwendungen, unter die ja auch alle DAWs fallen, keine zusätzliche Grafikkarte mehr braucht.
Allerdings können moderne Multi-Core-Systeme Teile der Rechenaufgaben auch an die Grafikkarte abgeben. Daher ist es wichtig, dass du dich beim Hersteller deiner DAW darüber informierst, ob diese die GPU (Graphics Processor Unit) nutzen kann, denn hiermit sind Computerspezialisten meist überfragt.
Selbst zusammenbauen oder bauen lassen
Falls du Erfahrung im Zusammenbau von Computern hast, kannst du dir hier sicherlich ein paar Euros einsparen. Für alle anderen gilt: Finger weg und den Händler bauen lassen! Wenn du Komponenten im Wert von vielen Hundert Euro kaufst, solltest du nicht das Risiko eingehen, diese ohne Erfahrung selbst zusammenzubauen. Ein Mainboard ist schnell mal hinüber, wenn man es durch das Anschließen eines falschen Kabels an der der falschen Stelle mit zu viel Spannung versorgt. Und die CPU gehört zum Filigransten, was die Feinelektronik zu bieten hat. Eine falsche Bewegung oder etwas Dreck reichen bereits, und schon war‘s das. Ein professioneller Zusammenbau kostet ca. 50 EUR.
Audiointerface
Zum Schluss noch etwas zum Audiointerface – denn auch, wenn heutzutage hauptsächlich externe Geräte genutzt werden, die nicht mehr in den Computer eingebaut werden müssen, gehören sie trotzdem zum Rechner, da sie im Outsourcing eine Rechenleistung für den Computer erledigen. Schau dir dazu am besten unsere Kaufberater für Mittelklasse- und Profi-Audiointerfaces an.
Ma Hu sagt:
#1 - 14.06.2020 um 15:30 Uhr
"Denn die On-Board-Grafikmodule aktueller Mainboards sind so stark undleistungsfähig, dass man für Windows-Anwendungen, unter die ja auch alle DAWs fallen, keine zusätzliche Grafikkarte mehr braucht."Mainboards haben heutzutage, mit Ausnahme einiger Servermainboards, keine Onboard Grafikmodule verbaut.Was es gibt sind CPUs mit integrierter Grafik. Die sind aber nur im Consumersegment zu finden."Außerdem sind Speichermodule im Vergleich zu anderen Computerkomponenten nicht gerade teuer." 16GB halbwegs schneller Arbeitsspeicher kostet durchaus mal soviel, wie ein Einsteigermainboard und eine Einsteiger-CPU. Also nein..."Bei den Lüftern gibt es zwei verschiedene Systeme: luft- und wassergekühlt" Ihr meint wahrscheinlich Kühler. Abseits riesiger Gebäudelüfter dürfte es keine wassergekühlten Lüfter geben. Die bewegen ja auch genug Luft, um sich selber zu kühlen bei den minimalen Leistungsdaten.
"Am besten ist es natürlich, du schöpfst die Taktfrequenz und die Anzahl der Kerne bei der Wahl deiner CPU voll aus." Wie soll man den Satz verstehen?
Wichtig ist, dass man nicht auf die Werbung hereinfällt. Ein i7 ist kein Leistungsmerkmal. Zwischen dem langsamsten und schnellsten i7 liegen Leistungsunterschiede von über 10x. Die schnellsten i5 sind ungefähr so schnell, wie die drittschnellsten i7, also nicht zwingend langsamer usw.
Jiro sagt:
#1.1 - 07.07.2020 um 12:35 Uhr
Überall sonst liest man vor allem, dass immernoch die Single Core Performance zählt bei der Audiobearbeitung und nicht die Anzahl der Kerne, außer deine DAW ist darauf ausgelegt mit mehr als 4 Kernen (gleichzeitig) zu arbeiten.
Antwort auf #1 von Ma Hu
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMorons MORONS! sagt:
#2 - 22.06.2020 um 23:04 Uhr
Es fehlt der Hinweis, dass es spezielle Silent-Lüfter gibt, auch mit semi-passiven Netzteilen (vollständig passiv ist mir nach den letzten heißen Sommern nicht mehr geheuer) lässt sich der Krach reduzieren.
Mit den Ryzens der ersten Generation hat es ja Probleme mit hohen Audiolatenzen gegeben, das wäre auch noch ein wichtiger Hinweis. Die neueren AMDs haben das Problem wohl nicht.
Bei Intel kann man die TDP mittlerweile ignorieren, unter hoher Last mutieren die zu stromfressenden Heizpplatten, zudem sind die Prozessoren immer wieder mal extrem schlecht verfügbar. Die Geschwindikeitsgewinne von Intel sind in den letzten Jahren auch nur noch marginal gewesen.
Ich selbst benutze altes Zeugs (Ivy-Bridge I3s und für unterwegs ein Thinkpad x220, ich arbeite allerdings auch nicht mit zig Spuren, komme eigentlich immer noch mit der Rechenleistung aus, man muss halt ein bischen überlegen, wenn es mal knapp wird. Den größten Schwung in Sachen Speed holt man sich mit einer SSD, ich nutze noch einen Rechner mit einer 2 TB Harddisk, wenn die ein 3 GB Sample in den Player lädt, kann ich erst mal einen Tee aufsetzen.
Meinen Gesang nehme ich an einem Rechner auf, dessen Teile mich ungefähr 350 Euro gekostet haben und der vollständig passiv läuft (gut ein Gehäuselüfter, der ist aber abschaltbar)
Auch bei meinem nächste Rechner würde ich eher Wert auf geringe Temperaturen und Lautstärke legen und dabei lieber auf etwas Leistung verzichten.
Ich kann zum Selberbauen eigentlich nur raten, ich habe mittlerweile 4 Rechner gebaut, es gab keine echten Probleme dabei und man wird auch besser (Kabelführung...). Ein gewisser Thrill ist aber immer dabei, den möchte vielleicht nicht jeder haben.