Gitarristen kennen Relic-Instrumente, die künstlich gealtert werden, um gebraucht, charaktervoll und somit auch ein Stück wertvoller auszusehen als fabrikneue Glanzstücke.
Zu Mikrofonen ist dieser Trend nicht durchgeschlagen. Zwar gibt es eine kleine Retro-Welle, beispielsweise Microtech Gefell und sE Electronics arbeiten vereinzelt mit Hammerschlag-Lack, einige Hersteller wie AEA und Shure nutzen antike Mikrofonformen, das war es dann aber auch fast schon mit dem Vintage-Flair. Ich habe daher ein neues Mikrofon benutzt, um es ganz bewusst so aussehen zu lassen, als habe es einen jahrzehntelangen, harten Arbeitseinsatz gehabt und schon Signale der Größen vergangener Tage eingefangen. Inspiriert vom “Rat Style” aus der Autotuning-Szene sollte das Mikrofon so aussehen, als würde es wirklich auf dem letzten Loch pfeifen: rostig, zerbeult und kurz vor dem Auseinanderfallen.
- Welches Mikrofon als Grundlage?
- Materialien
- Disclaimer / Warnungen
- Turning back time – Wie die Alterung beschleunigen?
- Vorgehensweise Mikrofon-Aging – ÜBERBLICK
- Demontage
- Materialien sichten
- Korrosion beschleunigen
- Stärkere Beschädigungen erzeugen
- Angriff auf die Metalle
- Finishing
- Fixieren, Zusammenbauen, Testen
- Das “Vintage”-Kabel
- Der ” vintage=”
- Geruchsbehandlung
- Kosten des Projekts
- Nachlese und Ideen für zukünftige Agings
- GALERIE
Welches Mikrofon als Grundlage?
Ganz allgemein: Tut euch einen Gefallen und benutzt für den ersten Versuch ein preiswertes oder älteres Mikrofon. Die Gründe dafür muss ich wohl nicht erklären.
Nicht jedes Mikrofon eignet sich gleichermaßen für Aging-Maßnahmen. Das fängt bei der Dekonstruktion an: Der eigentliche Schallwandler, ob nun Tauchspulen-, Kondensatorkapsel oder Bändchenmotor, muss mit allen anderen Bauteilen (Übertrager, Platine) in jedem Fall ausgebaut und nachher wieder unfallfrei reinstalliert werden können. Das scheitert teilweise schon daran, dass nicht alle Mikrofone so konzipiert sind, dass sie sich mal eben öffnen und auseinanderbauen lassen. Es sind gerne einmal Schrauben unter aufgeklebten Elementen verborgen oder die Konstruktion folgt einer eigenwilligen Logik, die sich von außen nur erahnen lässt. Schwierig zu Agen ist oftmals Plastik (möglicherweise mit starkem UV-Licht?). Allerdings ist im Regelfall der Korpus aus Metall, ebenso besitzen viele Mikrofone einen Drahtgeflechtkorb. Beides dient der Abschirmung gegen Einstreuungen.
Für dich ausgesucht
Ich habe mich für das the t.bone SC 1200 entschieden. Das hatte mehrere Gründe: Zunächst einmal ist es sehr preiswert und klingt dafür ordentlich, wie der Test gezeigt hat. Und natürlich eignet sich die Form sehr gut, die ganz eindeutig in der Tradition einiger alter Mikrofone steht. Nicht zuletzt war mir bekannt, dass der Aufbau nicht allzu kompliziert ist, weil ich beim Test schon hineingeschaut hatte.
Materialien
Dies hier soll keine fertige Einkaufsliste sein, sondern zeigt nur, was für dieses Mikrofon angeschafft beziehungsweise benutzt wurde oder für andere Aging-Projekte sinnvoll erscheint.
Werkzeuge und mechanisches Material
- verschiedene Schraubendreher
- eventuell Lötstation
- eventuell Lötlampe
- Schmirgelpapier in verschiedenen Körnungen (40 bis 800)
- Schmirgelkotz aus Kork
- Drahtbürste
- eventuell Drahtbürstenaufsatz für die Bohrmaschine
- Polierwatte
- kleiner Hammer
- verschiedene Pinsel
- diverse Tücher zum Abreiben
- Zangen zum Bewegen
- Gitter zum Abstellen
- Zeitungen zum Unterlegen
- Tesafilm
- selbstklebendes Etikett
- Taschenlampe
Chemische Mittel
- Essig-Essenz
- Salz
- Salzsäure (30-35%)
- Geschirrspülmittel
- Sojasauce
Kosmetische Mittel
- Rostspray
- eventuell transparenter Sprühlack
Sicherheit
- Schutzhandschuhe
- Schutzbrille
- Atemmaske
Natürlich, der unausweichliche Disclaimer – auf jeden Fall lesen!
Turning back time – Wie die Alterung beschleunigen?
Eine Frage, die bei Betrachtung der Fotos berechtigterweise gestellt werden sollte, ist: Sieht so tatsächlich ein gealtertes Mikrofon aus? Die Antwort: Nein, so sehen alte Mikrofone eigentlich nicht aus. Erst recht nicht, wenn sie noch funktionieren. Zunächst: Das Mikrofon aus diesem Aging-Workshop erweckt den Eindruck, als habe es Jahrzehnte in einem feuchten Keller verbracht und wäre sehr, sehr nachlässig behandelt worden. Dabei ist Feuchtigkeit für Mikrofone – und ganz besonders für Kondensatormikrofone – mehr als schlecht. Es hat seinen Grund, weshalb in Ländern mit hoher Luftfeuchtigkeit, wie etwa in Japan, Mikros in Klimaschränken aufbewahrt werden. Außerdem bestehen wesentliche Teile eines Mikrofonkorpus im Regelfall aus Messing. Und Messing rostet nicht. Außerdem sind die Oberflächenbehandlungen vor allem der europäischen Kondensatormikrofone schon vor siebzig Jahren so gut gewesen, dass sie im normalen Betrieb nicht so altern würden, wie das Aging-Mikrofon hier nun aussieht. Ich habe schon alte deutsche und österreichische Röhrenmikrofone gesehen, die trotz Dauereinsatz ohne Übertreibung fast aussahen wie neu. Auch was die Macken und Dellen angeht: Das verunstaltete t.bone sieht viel zu fertig aus, als dass ihm ein echter Mikrofonkenner ein wirklich langes, erlebnisreiches Arbeitsleben abnehmen würde. Studiomikrofone haben vor einigen Jahrzehnten ein Vermögen gekostet, da wäre es wenig wahrscheinlich, dass es so mies und nachlässig behandelt und gelagert worden wäre.
Aber natürlich kann man ein wenig so tun, als sei das Mikrofon ein Dachboden-, Keller- oder Scheunenfund – und würde trotzdem noch funktionieren. Bei dem t.bone SC 1200 soll also eher ein Rat-Style denn eine sonst typische leichte Patina erzeugt werden. Eine Überlegung ist, dass ein Mikrofon natürlich nicht erst Macken bekommt und dann anfängt zu rosten. Oder erst rostet, dann Macken bekommt. Stellt man sich vor, was im Laufe der Zeit so alles geschehen kann, kommt man schnell auf den Trichter, dass man die Zeit stauchen muss. Kleine Dellen, Kratzer, Abschürfungen, Gehäuseverformungen, Lackabplatzer, Roststellen passieren im stetigen Wechsel, daher ist es beim Mikrofon-Aging auch nicht in zwei, drei Schritten passiert, sondern immer abwechselnd. Das ist aufwändig, sorgt aber für ein doch recht echt aussehendes Ergebnis. Und noch etwas gibt es zu beachten: Durch langjährige Benutzung gibt es immer sehr typische Abnutzungsmuster, die durch die Installation und das Handling entstehen. Das SC 1200 hat keinerlei Schalter, aber wenn es welche hätte, wäre das Gehäuse um diese herum sicher stärker abgenutzt als woanders (…und der Schalter für das HPF-Filter wird häufiger genutzt als die Patternumschaltung und das Pad). Das Mikrofon aus dem Koffer nehmen, auf das Stativ schrauben, ausrichten – all das hinterlässt ebenfalls spezifische Veränderungen von Oberflächen. Bottom Line: Einfach in ein Säurebad tauchen und dann ein wenig mit dem Hammer draufhauen wird nicht reichen.
Vorgehensweise Mikrofon-Aging – ÜBERBLICK
Grob dargestellt, waren folgende Arbeitsschritte notwendig:
- auseinander bauen, dokumentieren/fotografieren
- Materialien sichten und herausfinden, wie sie bearbeitet werden können
- Lacke und Beschichtungen beschädigen, Oberflächen anrauen
- Materialien chemisch angreifen
- Finishing Touches
- Zusammenbauen und Testen
Demontage
Manche Mikrofone lassen sich äußerst leicht demontieren. Vor allem jene, deren Body aus einem Rohrstück hergestellt wird, können oftmals durch Aufdrehen des Fußteils geöffnet werden. Das Rohr wird einfach abgezogen. Dann wird die oft mit einer Madenschraube fixierte XLR-Buchse gelöst, das Kabel muss dann abgesteckt oder abgelötet werden. Bei vielen derartigen Mikrofonen lässt sich der Korb dann von innen ablösen. Damit hätte man dann drei Teile: Fuß, Bodyrohr und Korb. Die Kapsel und die Elektronik können vorsichtig zur Seite gelegt werden. Manchmal müssen auch die Kabel der Kapseleinheit getrennt werden. Wichtig in jedem Fall: Mit Stift und Zettel, möglichst auch mit der Smartphonekamera dokumentieren, welche Schritte in welcher Reihenfolge gemacht wurden, welche Schraube wohin gehört, wie die originale Verkabelung war.
Im Falle des t.bone SC 1200 war es ähnlich. Hier musste zunächst die Bügelkonstruktion entfernt werden. Die Gummiringe durften nicht mit behandelt werden, der Bügel selbst und vor allem die Riffelräder hingegen in jedem Fall – diese werden ja “jahrzehntelang” bedient! Das Fußteil lässt sich sich bei diesem Mikrofon anhand der klar erkennbaren Schrauben recht einfach lösen. Die Verbindung zur XLR-Buchse wird gelöst, aufgrund der Steckverbindung zur runden Platine ist das sehr einfach. Um Kapsel, Platine und Korb voneinander zu trennen, sind schlicht die entsprechenden Schrauben zu lösen. Das gesamte Herzstück des Mikrofons, also Kapselkonstruktion und Rundplatine, lässt sich einfach nach oben entnehmen, ein Entkabeln ist nicht nötig! Der Kapselhalter beinhaltet auch die Gewinde für den Bügel, mit dem das 1200 auf den Mikrofonständer installiert wird.
Das war es im Grunde schon. Für das fest installierte Kabel (nur eine Option!) musste erst der untere Chrom-Zierring entfernt werden, der mit dem Fuß verklebt war. Erst nachdem ich ihn mit einem großen, flachen Schraubendreher und mit einiger Kraft nach oben geschoben habe, wurde das Madenloch frei, in dem die Schraube zur Fixierung der Anschlussbuchse steckt.
Materialien sichten
Was erst der Blick ins Innere verrät und sonst unter der Lackschicht verborgen bleibt: Das Unterteil besteht aus Grauguss, der Body hingegen aus recht dickem Messing. Messing ist deutlich säurebeständiger als Gusseisen und verträgt auch mechanische Einwirkungen besser. Wer also mit dem Hammer Kerben in das Unterteil schlagen will, kann dieses vielleicht sogar zerbrechen! Der Korb besteht ebenfalls aus Messinglochblech, der Draht der feine Gaze dahinter kann durch Säure oder Hitze zerstört werden und Löcher bekommen. Die dunkel glänzenden Metallteile sind verchromt, also die beiden Fassringe, der gesamte Korb samt Bügel, der Haltebügel und seine beiden Rändelschrauben.
Vorsicht auch mit verbleibenden Gummiringen und Plastikteilen in Mikrofongehäusen: Diese können bei der Behandlung stark in Mitleidenschaft gezogen werden!
Korrosion beschleunigen
Wenn man die genannten Metallteile in Werkszustand in ein Säurebad legt, wird erst einmal eine Weile nichts passieren. Selbst starkes Erhitzen mit der Lötlampe war den meisten Teilen des Mikrofons weitestgehend schnuppe. Nur die feine Gaze im Inneren des Korbes begann zu glühen und sich zu verformen – dieser Effekt steht dem fertigen Aging-Mikrofon aber ganz gut.
Im Wesentlichen geht es zunächst darum, der anschließenden Säure einfachere Angriffspunkte zu geben. Dazu ist die Lackierung gezielt anzugreifen, besonders aber die Chromschicht stark aufzubrechen. Die ersten, sehr groben Schritte erledigt dabei eine Drahtbürste (“Eisenwurz”). Einige wenige dieser Striemen kann man im finalen Zustand noch erkennen, doch ist klar, dass man hier nicht zu auffällig zu Werke gehen sollte. Während die verchromten Teile eine wirklich ordentliche Behandlung mit viel Materialabtrag vertragen können, reicht es bei der Lackierung an vielen Stellen, zunächst nur ein paar kräftige Riefen zu erzeugen. Daher ist die Behandlung mit dem Bohrmaschinen-Drahtaufsatz oftmals zu grob und zu flächig. Beim Bearbeiten darauf achten, nicht allzu gleichmäßige und “gewollt wirkende” Beschädigungen zu erzeugen. Also keine Striemen in immer die gleiche Richtung, keine ausschließlich kreisförmigen Abnutzungen bewirken.
Anschließend kann stellenweise erst mit grobem, dann mit feinerem Schmirgelpapier nachgearbeitet werden, manchmal sogar mit Polierwatte. Vom Groben zum Feinen gilt aber nur bedingt: Ich habe hier immer wieder Werkzeuge getauscht, einige Stellen ausschließlich mit dem feinen Sandpapier vorsichtig bearbeitet, andere grob gelassen. Ganz interessant: Trotz der teilweise starken Bearbeitung hat der Aufkleber auf der Rückseite des t.bone SC 1200 lange überlebt (was dem Klebstoff zuzuschreiben ist). So erkennt man jetzt noch einen kleinen, schwarzen Balken.
Stärkere Beschädigungen erzeugen
Aggressionen? Dann bist Du hier genau richtig. Was passiert im Laufe der Zeit mit noch manchen Mikrofonen? Genau, sie fallen herunter oder mit dem Stativ um (auch wenn man das unbedingt vermeiden sollte!), bekommen Sticktreffer am Drumkit oder erhalten eine andere Art der Kaltverformungsbehandlung. Diese kann man nachbilden, und das kann durchaus ein wenig Spaß machen. Ich muss zugeben, dass mir beim ersten Hieb mit dem Hämmerchen ein wenig das Herz geblutet hat, denn als Mikrofonliebhaber behandele ich diese Objekte meisten wie rohe Eier. Allerdings konnte nur gegen den Korb aus Messing-Lochblech, den Umlaufbügel und den Haltebügel wirklich etwas ausgerichtet werden. Kleinere Dellen und Kanten habe ich mit der Finne eines Schlosserhammers geschlagen oder einen Schraubendreher als Meißel verwendet.
Besagter Haltebügel ist dann leider am Fuß aus der Verankerung gefallen. Das musste ich mit der Lötlampe und etwas Zinn wieder verbinden. Sicher sieht das jetzt etwas geflickt aus – aber wenn mich jemand fragt, sage ich einfach, dass das geplant war. Ein paar wirklich beherzte Striemen mit dem Schraubendreher auf dem Messingbody haben auch dort recht “ansehnliche” Narben hinterlassen, aber insgesamt war die Bearbeitung nur zu einem sehr kleinen Prozentsatz grob und fand hauptsächlich mit sehr vielen kleinen Macken statt. Wie im echten Leben eben: viele Abschürfungen und Gebrauchserscheinungen, einige wenige deutliche Unfälle.
Angriff auf die Metalle
Vor der weiteren Behandlung habe ich die Parts mit Wasser und Spülmittel gereinigt und fettfrei gemacht. Eine erste, aggressive Behandlung habe ich mit Salzsäure durchgeführt. Die gibt es in 30-30% Konzentration im Baumarkt zu kaufen, allerdings muss sie weiter verdünnt werden. Ich habe ein Tauchbad erstellt, in das ich die verschiedenen Teile immer wieder gehalten habe. Allerdings kann statt Salzsäure auch Essigessenz verwendet werden, der eine ordentliche Menge Salz zugefügt wird. In den weiteren Schritten ist dann nur noch Essig mit Salz verwendet worden. Die Faustregel für die Säuren ist einfach: Je stärker verdünnt die Säure ist, desto länger dauern die Prozesse.
Es ist jedoch nicht so, dass man die Mikrofonteile in ein Bad einlegt, nach einem Tag wieder herausnimmt und ein fertig gealtertes Mikrofon vor sich hat. Nein: Zunächst einmal benötigt Oxidation Sauerstoff, der gut verwertbar in der Luft zur Verfügung steht. Es ist also sinnvoll, die Werkstücke einzutauchen und auf ein Gitter zu stellen. Damit nicht zu starke Korrosion an Stellen auftritt, die schlecht trocknen, hilft es, die zu bearbeitenden Stellen mit einem Pinsel mit der Säure einzustreichen. Ansonsten können beispielsweise Gitter, besonders aber Schrauben, Gewinde und dergleichen zu stark korrodieren. Es erscheint sowieso sinnvoll, einige Teile besonders zu schützen. Ich hatte das Gehäuse des SC 1200 teilweise provisorisch zusammengebaut, um es nicht zu zusammengewürfelt aussehen zu lassen. Es ist sicher auch möglich, besonders empfindliche Teile zumindest zeitweise vor Korrosion zu schützen oder dort zumindest zu hemmen. Säurebeständige, knetfähige Massen würden mir in den Sinn kommen, die nachher mechanisch entfernt werden. Ich hatte Schrauben und Gewinde zeitweise einfach von Außen mit Klebeband verschlossen, ob das viel geholfen hat, weiß ich nicht.
Übrigens: Es gibt auch fertige Schnellroster, allerdings kann ich darüber keine Aussage treffen, da ich diese nicht ausprobiert habe.
Die ehemals verchromten Teile haben eine ganze Weile benötigt, bis sie Korrosionsspuren gezeigt haben. Ganz deutlich ist zu erkennen, dass ein stärkerer Materialabtrag eine stärkere Korrosion ermöglicht. Auch das Guss-Unterteil wurde dort besonders stark angegriffen, wo die obere Lackschicht entfernt wurde. Beim Messingkorpus war das nicht der Fall, dieser zeigte eine recht homogene Patina. Vor allem an diesem und dem Korb erschien es nötig, immer mal wieder erneut etwas abzutragen (grob wie fein), nur einzelne Stellen mit Säure einzupinseln, abzuwischen und zu trocknen, auch mal selektiv zu wässern und zu entfetten. Wie oft dieses Wechselspiel lief, habe ich nicht gezählt, aber das war insgesamt sehr ordentlich zweistellig.
Den Fuß habe ich nach wenigen Durchläufen beiseite gelegt. Ursprünglich wollte ich ihn in der gleichen Optik haben wie den Rest der Gehäuseteile, aber ich wollte das Material nicht weiter anfressen lassen. Dadurch sieht man noch mehr vom ursprünglichen Lack, der weißen Grundierung darunter und auch noch die recht groben Zerstörungen mit der Drahtbürste. Weil es sich um ein Bauteil handelt, von dem man beim fertigen Rat-Style-Mikrofon immer nur kleine Flächen sehen kann, war das ein attraktiver Kontrast zu Body und Korb. Dass der untere Teil weniger der Säure ausgesetzt war, erklärt auch die unterschiedlichen Farbnuancen der beiden Fassringe, denn der untere ist am Bauteil verblieben.
Weil Messing keinen so schönen, haltbaren Rostton erzeugen kann, sondern Grünspan ansetzt, kam letztendlich noch Rostspray aus der Dose zum Einsatz. Moment mal! Wird da etwa gemogelt? Na klar: Schließlich ist ja dieses ganze Aging-Mikrofon im Grunde gemogelt. Allerdings bringt es wenig, einfach Rostspray aufzusprühen und das Mikrofon wieder zusammen zu basteln: Das sieht nämlich sehr unecht aus. Tatsächlich war es so, dass das Spray immer nur dünn und punktuell/kleinflächig aufgetragen wurde, oftmals wieder verwischt oder mit einem mit Säure getränkten Pinsel wieder abgetragen wurde. Auch die mechanische Bearbeitung fand teilweise nach einer Spraybehandlung statt. Der Korb wurde vor allem von der Innenseite besprüht. Insgesamt ist beim fertig gealterten Mikrofon nur ein Teil der Menge des Rostsprays zu sehen, der verwendet wurde. Durch das Abwischen findet sich der Rostton besonders in den tieferen Kratzern, was schön echt wirkt. Auch das halbkugelförmige Gussteil weist regelrechten Fraß auf, weil an den Kanten viel des Sprays zu sehen ist. Stellenweise ist ein ganz feiner Nebel verwendet worden, der nur für eine leichte Rostschattierung sorg
Eine abschließende optische Betrachtung der Bauteile sollte bei guten (und auch verschiedenen) Lichtverhältnissen stattfinden.
Finishing
Ein kurzer Test hat gezeigt: Ein so alter Body, in dem eine niegelnagelneue Kapselkonstruktion weiß herausblitzt, das entspricht nicht der Grundidee. Deswegen habe ich eine potenziell gefährliche Behandlung gewagt und die beiden Membranseiten sehr vorsichtig mit Tesafilm abgeklebt – Achtung beim Mittenkontakt, dieser muss dicht sein, aber darf nicht zu stark bewegt werden! Dann habe ich gerade so viel Rostspray aufgebracht, dass eine deckende Schicht entstanden ist.
Nach ein paar Experimenten mit einem Beschriftungsgerät habe ich mich dafür entschieden, eine fiktive Inventarnummer auf dem Mikrofon anzubringen. Das war schnell getan: Ein selbstklebendes Etikett genommen, mit Kugelschreiber “INV. 236” draufgeschrieben, aufgeklebt und mit Sojasauce (!) so weit eingerieben, bis sich die obere Papierschicht zu lösen begann. Fertig.
Fixieren, Zusammenbauen, Testen
Kein echter Rost – zum Glück, denn dann muss man auch nicht befürchten, dass das Material weiter rostet oder Rostpartikel abblättern. Denn kleine Partikel, womöglich noch scharf, wären sehr problematisch für die fragile Membran. Sobald es den Anschein hat, dass sich kleine Teile von Lackierungen und dergleichen lösen können, sollte man mit klarem oder mattem Lack fixieren. Das habe ich beim t.bone SC 1200 nicht getan, allerdings habe ich mit einer Taschenlampe genau überprüft, ob sich Metallteile von der beschädigten Gaze lösen könnten. Ich habe ein paar Teile zur Sicherheit abgeklopft und abgesaugt.
Wenn nun alles erledigt ist, kann das Mikrofon zusammengebaut und benutzt werden. Wichtig ist natürlich eine Funktionsprüfung: Ist alles korrekt, klappert nichts mechanisch, fallen keine Schrauben heraus, ist nichts zu sehr beschädigt worden, ist das Signal einstreuungs- und brummfrei, ist die Poppempfindlichkeit schlechter geworden?
Prinzipiell könnte hier Schluss sein. Doch auf den Bildern ist noch eine Änderung zu sehen: das Kabel.
Darum, um den Koffer sowie um weitere Dinge geht es auf der Folgeseite.
Bodo Felusch sagt:
#1 - 21.10.2022 um 15:08 Uhr
Hier noch ein Tipp für die Alterung der Kapsel mit UV Licht: https://lilac.works/?lang=de